Seite:Die Gartenlaube (1854) 622.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Kasten, welcher zur Aufnahme von zwei Bahren eingerichtet ist, die mit verschiebbaren Handhaben versehen sind. Um alle Erschütterungen zu vermeiden, laufen dieselben auf sogenannten „galets,“ wenn man sie in den Wagen hineinschiebt.

Inwendig sind diese Bahren mit Matratzen ausgelegt, die einen Wachstuchüberzug haben, welcher, auf eine neue Art zubereitet, dem braunen Schafleder gleicht und eine öftere Reinigung zuläßt.

Das Gepäck und die Waffen der Verwundeten können in Koffern aufbewahrt werden, welche an der Seite mit einem Drathgitter versehen sind und dadurch leicht eine Untersuchung, ob auch nichts vergessen sei, möglich machen.

So werden wenigstens in thunlichster Weise die Schrecken des Krieges gemindert! Dank der vorgeschrittenen Humanität, die sich noch unter Pulverdampf und Kanonendonner geltend zu machen weiß.




Des Menschen erste Lebenszeit.
Die Erziehung des Säuglings.

Auch der Säugling bedarf schon der Erziehung, und zwar ebensowohl der körperlichen, wie der geistigen, wenn aus einem Menschen etwas Ordentliches werden soll. Sie gründe sich auf das Gesetz der Gewöhnung und der Nachahmung. Das erstere Gesetz erfordert eine konsequente und öftere Wiederholung des Anzugewöhnenden, so daß dieses nach und nach zur andern Natur wird, das letztere verlangt richtige Vorbilder; beide bedürfen aber mit dem fortschreitenden Wachsthume des Kindes einer allmäligen Steigerung. So lange Aeltern in dem Wahne stehen, der Geist (d. h. die Fähigkeit des Gehirns zu fühlen, zu denken und zu wollen) trete so ohne Weiteres zu einer bestimmten Zeit (wenn der Verstand kommt, wie man zu sagen pflegt) in den Körper hinein, so lange kann von einer vernünftigen Erziehung gar keine Rede sein. Nur durch der Sinne Pforten zieht allmälig der Geist in unsern Körper ein und die durch Sinneseindrücke erregte geistige Thätigkeit des Gehirns kann nur durch Gewöhnung den gehörigen Höhegrad erreichen. Daß die Sinne die Erwecker und Vermittler des Verstandes sind, zeigt sich deutlich beim Mangel derselben; bei Blindheit und gleichzeitiger Taubheit bleibt der Mensch fast geistlos. Wie aber auch die Nachahmung zur Erweckung des menschlichen Geistes beiträgt, beweisen erwachsene Menschen (wie Caspar Hauser), die von Jugend an nur sich selbst überlassen blieben oder blos mit Thieren Umgang hatten; bei ihnen fanden sich keine Spuren des menschlichen Geistes und nur thierische Manieren. Also nochmals: Sinneseindrücke, Gewöhnung und Nachahmung, legen den Grund zur guten und schlechten Erziehung. Man vermeide deshalb Alles, was dem Kinde zur unnöthigen Gewöhnung wird.

Die körperliche Erziehung des Säuglings beziehe sich auf den Nahrungsgenuß, den Schlaf, die Bewegungen und die Reinlichkeit. – Hinsichtlich der Nahrung, die nur in Milch bestehen soll, verfahre man so, daß diese blos in den ersten Tagen stets dann gereicht werde, wenn der Säugling schreit, bald aber nur zu festbestimmten Zeiten und zwar etwa viermal täglich (vielleicht in der Frühe, um Mittag, gegen Abend und bei Anbruch der Nacht), des Nachts aber, wo sich die Ernährerin durch Schlaf stärken soll, gar nicht. Man lasse sich jetzt durch das Schreien des Kindes ja nicht in dieser Ordnung stören, forsche aber nach der Ursache dieses Schreiens (s. Gartenlaube Nr. 43 S. 515), da diese eine andere als Hunger und zu entfernen sein könnte (z. B. Nässe, Kälte, Blähung, Verstopfung, unbequeme Lage, Druck, Stiche von Nadeln oder Insekten). Niemals vergesse man, daß beim Kinde, wenn es durch Schreien seine Bedürfnisse sogleich befriedigt fühlt, das Schreien zur Erreichung seines Willens sehr bald zur Gewohnheit wird und nun schwer wieder abzugewöhnen ist. Zur bestimmten Zeit mag nun aber das Kind, in Absätzen, so viel trinken, als es nur immer trinken will, jedoch gewöhne man dasselbe nicht daran, beim Trinken zwischen durch ein Weilchen zu schlafen. – In Bezug auf den Schlaf verhält sich ein junger Säugling anders als ein älterer, denn während das Kind die erste Zeit seines Lebens (wahrscheinlich wegen gänzlicher Unthätigkeit seines Gehirns) fast nur im Schlafe verlebt, mindert sich das Schlafen immer mehr mit dem allmäligen Erwachen der Sinne und der dadurch angeregten Geistes- (Gehirn-) Thätigkeit. Denn nur das Gehirn schläft. Wie im Trinken muß nun aber auch im Schlafen nach und nach die gehörige Ordnung hergestellt werden, so daß endlich das Kind eine ganz bestimmte Zeit lang wach und eine andere (besonders in der Nacht und nach dem Trinken) schlafend erhalten wird. Hierbei beobachte man aber noch folgende Regeln: das Kind schlafe in seinem eigenen Bettchen, bleibe gehörig zugedeckt (weil es sonst sehr leicht zur Baucherkältung und zum Durchfalle kommen kann), und werde nicht an unnöthige, später beschwerliche Hülfsmittel zum Einschlafen gewöhnt, wie z. B. an das Einsingen, an das Anhalten des Kindes an die Hand, den Hals oder Busen der Pflegerin, an Licht und so fort. Ist das Kind in dieser Hinsicht schon verwöhnt, dann lasse man sich durch sein Schreien ja nicht abhalten, ihm diese Verwöhnung abzugewöhnen, im Nothfalle selbst durch einige Schläge auf das Gesäß. – Die Bewegungen, theils solche, welche mit dem Kinde von Andern vorzunehmen sind (passive), theils die, welche das Kind selbst zu machen hat (active), sind bei der Erziehung eines Säuglings nicht ohne Bedeutung. Zuvörderst muß alles Tragen, Umherschleppen, Schaukeln und Wiegen des Kindes, zumal wenn dasselbe schreit, unterbleiben, dagegen ist das Fahren des liegenden oder sitzenden Säuglings zeitweilig, besonders im Freien, zu empfehlen, aber ebenfalls nicht als Beruhigungsmittel zu gebrauchen. Ein sehr nachtheiliger Wunsch der meisten Mütter ist es, ihr Kind sobald als möglich aus dem Bettchen zu nehmen und im Kleidchen auf ihrem Arme sitzen zu sehen. Die Nachtheile des zu zeitigen Aufsitzenlassens des Säuglings sind Verkrümmungen der Wirbelsäule und Störungen in der Entwickelung innerer lebenswichtiger Organe in Folge des Zusammenkrümmens des Rumpfes, welcher den großen und schweren Kopf nicht zu tragen vermag. Es darf ein Kind durchaus nicht früher an das Sitzen gewöhnt werden, als bis es zu der Kraft gelangt ist, seinen Kopf gerade und steif zu halten und sich selbst aufzurichten. Dies ist gewöhnlich aber erst nach dem fünften Monate möglich. Da jetzt das Herumtragen des Kindes auf dem Arme von Seiten der Mutter oder Wärterin, trotz dem daß es unnöthig ist und das Kind dadurch schon verwöhnt wird, doch nicht abkommen wird, so werde dabei wenigstens die Vorsichtsmaßregel gebraucht, das Kind wechselsweise bald auf den einen, bald auf den andern Arm zu nehmen, damit es nicht schief werde. Ebenso schädlich wie die übereilte Gewöhnung an das Aufrechtsitzen sind die zu zeitigen Steh- und Gehversuche, welche mit dem Kinde unternommen werden. Auch hier ist es das Beste, das Kind nicht eher auf die Beine zu stellen, als bis es aus eigenem Kraftgefühle aufzutreten und zu laufen beginnt und dies ist im zehnten oder elften Monate der Fall. Bis dahin mag das Kind, nachdem es sitzen gelernt hat, auf dem mit einer Decke und weichen Kissen belegten Erdboden herumkriechen und an Gegenständen, an denen es sich nicht verletzen kann, das Aufstehen erlernen. Gehkörbe, Laufwägen, Laufzäume und dergleichen Hülfsmittel zur Unterstützung beim Laufenlernen taugen, weil sie stets nachtheilig auf die Brust wirken, alle nichts, höchstens ist ein locker angelegter Laufzaum dann von Vortheil, wenn das Kind schon laufen kann, aber noch ungeschickt oder etwas großköpfig ist, dann soll aber der Laufzaum, der übrigens nicht straff zu halten ist, nicht etwa das Laufen unterstützen, sondern das Fallen verhindern. Das Aufheben des Kindes sei nicht ein in die Höhe ziehen an einem Arme, sondern es geschehe so, daß man das Kind unter beide Achseln faßt. Ebenso vermeide man das Führen des laufenden Kindes an einer Hand, so lange dasselbe noch nicht ganz sicher beim Gehen ist. Der Hauptgrundsatz in der Erziehung des Kindes hinsichtlich seiner Bewegungen sei: man gestatte demselben von Geburt an seine Glieder frei zu bewegen und lasse ihm durch selbstständige Anstrengungen sitzen, stehen und gehen lernen. So wird gleichzeitig auch schon der Wille im Kinde erweckt und allmälig zum festen Willen ausgebildet. Menschen, die als Kinder immer nur von Andern

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_622.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)