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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Brustkasten und Bauche beengend oder die Bewegungen hindernd wirkt und doch auch gehörig wärmt. Besonders dürfen Arme und Beine nicht fest eingewickelt werden, auch ist die Leibbinde nicht fest anzulegen, damit das Athmen nicht behindert werde, jedoch ist dieselbe nicht wegzulassen, weil sie den Bauch warm hält, und dadurch dem bei Säuglingen stets gefährlichen und durch Erkältung des Bauches leicht entstehenden Durchfall entgegentritt. – Der Kopf muß im Zimmer bei Tag und Nacht unbedeckt bleiben, im Freien aber leicht bedeckt werden. – Ganz vorzüglich ist beim Austragen des Kindes darauf zu achten, daß die Luft nicht unter die Kleider an die bloßen Beine und den nackten Bauch zieht, weil sonst recht leicht auch Erkältung und Durchfall zu Stande kommt. Ebenso müssen Kinder, welche herumzukriechen anfangen, nicht zu kurze Kleidchen tragen; übrigens darf das Gewicht der Kleider nur auf den Schultern ruhen (durch Schulterbänder), ja nicht etwa durch festes Anlegen an den Körper getragen werden. Die Füßchen sind, besonders im Winter, durch weiche, wollene Strümpfe gehörig warm zu halten. Eine schlechte Mode ist es, die Hemdchen und Röckchen, doch wohl nur wegen leichtern Anziehens, hinten am Rücken offen sein zu lassen, weil so der Rücken, der durch das Liegen warm wird, sehr leicht erkältet werden kann. Man kleidet das Kind deshalb am besten so an, daß der offene Theil des Hemdchens nach hinten, der des Röckchens aber nach vorn kommt. – Die Windel muß hübsch warm, rein und weich sein.

Die Sinneswerkzeuge des Säuglings verlangen eine sehr aufmerksame Behandlung, wenn sie nicht für das ganze Leben geschwächt oder gar gelähmt werden sollen. – Das Auge ist vor jedem starken und grellen Lichte zu schützen (s. Gartenlaube Nr. 39. S. 459) und nie darf ein plötzlicher Uebergang vom Dunklen in das Helle stattfinden. Es ist eine sehr schädliche Gewohnheit der Aeltern und Erzieher, das Kind nahe an helles Licht zu halten und hineinsehen zu lassen; ebenso auch längere Zeit den Mond oder blitzenden Himmel anzuschauen. Wird der Säugling im Bett oder Wagen liegend in’s Freie gebracht, so darf ihm die Sonne ja nicht senkrecht in’s Gesicht scheinen. Glänzende und kleine Gegenstände müssen dem Kindesauge nicht zu nahe und lange vorgehalten werden. – Das Gehörorgan ist vor starken und grellen Tönen, das Geruchsorgan ist vor allen starken Gerüchen zu schützen.

Das Zahnen, der Ausbruch der ersten Zähne, wird von den Müttern weit mehr, als es nöthig ist, gefürchtet, denn es veranlaßt niemals ernstliche Erkrankungen, nämlich bei Kindern, welche richtig und nach den vorstehenden Regeln erhalten wurden. Alle gefährlichen und tödtlichen Krankheiten bei zahnenden Kindern, wie Lungenentzündungen, Brechdurchfall, Fieber mit Krämpfen u. s. w., rühren von andern Ursachen (meist von Diätfehlern und Erkältungen), als vom Zahnausbruche her. Sectionen von Kindern, die am Zahnen gestorben sein sollten, ergeben die Wahrheit dieses Ausspruchs. Allerdings geht nicht immer, doch sehr oft, der Zahnausbruch ohne alle Beschwerden vorüber, jedoch sind diese stets ungefährlich, auch wenn sie bis zu fieberhaften und krampfhaften Affectionen (Convulsionen) ausarten sollten. Die gewöhnlichsten Erscheinungen beim Zahnen sind folgende: das Kind ist zeitweilig unwillig und unruhig, speichelt viel, es schreit bisweilen laut auf, ist aber bald wieder ruhig, es schreckt im Schlafe manchmal zusammen, die Wangen bekommen in der Nähe des Mundes manchmal rothe Flecke und selbst Ausschläge, das Zahnfleisch wird heiß, roth, geschwollen; das Kind, welches anfangs öfters in den Mund griff und sich gern am Zahnfleische streichen ließ, will jetzt den Mund unberührt haben; es trinkt und urinirt weit öfterer als gewöhnlich, nichts ist ihm recht. Mit dem Durchbruch einiger Zähne verschwinden meistens alle Zufälle. Die durchbrechenden Zähne werden Milchzähne genannt; sie erscheinen gewöhnlich im 7ten oder 8ten, wohl auch im 10ten oder 11ten Monate, meistens paarweise und in dem Unterkiefer früher, als im Oberkiefer, zuerst unten die beiden mittelsten Schneidezähne, dann oben das mittlere Paar derselben, hierauf folgen die äußern Schneidezähne wechselnd bald oben, bald unten. Erst im 3ten Jahre brechen die vordern 2 Backzähne und zuletzt die Eckzähne durch, so daß ein Kind gegen das Ende des 2ten Lebensjahres 20 Milchzähne besitzt, die ihm bis zum 7ten Jahre bleiben. Die angegebene Ordnung, in welcher die Milchzähne hervortreten, steht aber nicht ganz fest, sondern kann mannigfache Abänderungen erleiden, ohne deshalb Gefahr zu bringen oder auf eine schlechte Constitution hinzudeuten. Mädchen sind im Zahnen den Knaben gewöhnlich voraus. Das beste Linderungsmittel bei Zahnbeschwerden ist öfteres Betupfen des Zahnfleisches mit kaltem Wasser; übrigens ist das zahnende Kind nicht anders als vorher angegeben wurde zu behandeln, also mit passender Milch, reiner warmer Luft, zweckmäßiger Kleidung und großer Reinlichkeit. – Soviel von der Erhaltung des Säuglings; von der körperlichen und geistigen Erziehung, sowie von den Krankheiten desselben soll ein späterer Aufsatz handeln.

(B.) 




Büffel- und Menschenjagd in Australien.

Jagd nach Gold und materiellem Reichthum überhaupt, ohne die milderen Formen civilisirter alter Länder, im Kampfe mit roher Natur, wilden Menschen und Thieren ist ein wesentlicher Charakterzug des jetzigen Lebens in Australien. Es hat zwar die Bürgschaften einer großartigen Entwicklung in die Civilisation hinein in sich, aber diese wird zu unsern Verhältnissen immer sehr antipodisch bleiben. Wo sich Schäferknechte, Goldgräber und glückliche, rücksichtslose Spekulanten ohne Bildung und Humanität plötzlich oft über Nacht zu den Reichsten und Mächtigsten im Lande erheben, wo die meisten Menschen, welche in der alten Welt durch bedeutende Kenntnisse, Talent und Genie und Geistesschätze überhaupt sich auch ohne materiellen Erfolg achtbare Stellungen unter der „Geistesaristokratie“ erwarben, überall bei Seite geschoben werden und oft froh sein müssen, wenn sie dem als Gold-Lord etablirten Schatzgräber die Stiefeln wichsen dürfen, und erbliche, Standes-, Beamten und Militär-Aristokratie rein unbekannte, unmögliche Größen sind, da muß sich eine Lebensformation begründen, die zu den socialen, politischen und konfessionellen Schichtungen der alten Welt immer im schneidensten Gegensatze bleiben wird. Vielleicht wird es der erfreulichste Gegensatz: die Versöhnung, das Heruntersinken aller schleichenden und brennenden Zeitfragen der alten Welt zu einer geologischen Bodenschicht, auf welcher sich Menschen entwickeln, die von Staats- und diplomatischen und konfessionellen Reibungen, von Grenz-, Klassen-, Standes- und Verfassungskriegen niemals incommodirt werden und daher unter Verhältnissen, die man wirklich Freiheit nennen mag, sich eines irdischen Wohlseins erfreuen, wie es in Europa stets für unmöglich, utopisch gehalten ward. Dies kann man wahrscheinlich finden, obgleich auch Manche aus dem rohen Durste nach Gold und materiellem Reichthum das Gegentheil prophezeien. Darüber läßt sich viel streiten, aber noch nichts entscheiden. Man muß sich zunächst darauf beschränken, Thatsachen, das Leben, wie es sich dort giebt, anzusehen. Und hier sind denn einige Bilder, in denen man Australien, wie es jetzt ist, abgespiegelt finden wird. Sie sind aus den Briefen eines dahin ausgewanderten Engländers.

„Zu Hause“ schreibt dieser, „war mir das Bett in der prächtigen Schlafstube bald zu weich, bald zu hart, das Wasser zum Rasiren bald zu heiß oder zu kalt, die Vatermörder nie steif und glatt genug gewesen; hier mußte ich unter dem regnenden Himmel im Busche 14 Tage lang mit der nassen, kalten Erde als Nachtlager fürlieb nehmen, ohne mich Morgens weder mit kaltem, noch warmem Wasser rasiren zu können. Und was die Wäsche betrifft, so laßt mich schweigen.

Ihr wißt schon aus dem vorigen Briefe, daß ich ohne ein Stäubchen Gold aus den schmierigen, lehmigen, löcherlichen Gruben nach Melbourne zurückgekehrt war. Hier konnte ich auf keine Weise ein Unterkommen finden, da ich zum Hausknecht, zum Stiefelputzer u. s. w. den Herrschaften zu schwach aussah und zu „vornehm“ sprach. Ein Handwerk versteh’ ich nicht. Für Kaufmannshäuser hatte ich keinen Anzug, keine Wäsche, kein glattes Kinn mehr. Bedeckte Schlafstellen kosten selbst in den schmutzigsten Zelten und Hütten 4 Schilling für die Nacht, und ich war pennylos. So schlief ich im Freien und ließ mich vom Himmel mit Regen und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_597.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)