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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

hatte es nicht gelitten. Hier oben wollt’ er sie packen, die Feinde. Da aber wurd’s auf einmal stille unten, denn die Kreuzfahrer rasteten und vom Flusse stiegen die Nebel auf und verdeckten Alles. Aber durch den Nebel hörte man nun die Kreuzfahrer beten und dann auf einmal ein fürchterliches Geschrei: „Gott will es!“ Dann Alle mit einem Zuge hinauf gegen den Damm, und so wie Einer den Kopf hervorhob, hatte er auch schon die Keule davor oder den Spieß im Halse. Von den Stedingern fiel Keiner. Auch Keiner sprach ein Wort; es war graulich still; man hörte nur, wie die Erschlagenen röchelnd hinunterrollten und unten mit den Köpfen auf die Steine im Fluß schlugen. Da auf einmal trieben Morgenschein und Wind die Nebel auseinander und da sahen erst die auf dem Damme, wie es aussah. Jenseits der Weser zogen erst die großen Schaaren heran, die Banner der Ritter und jede Schaar hinter ihrem Banner, Oldenburg voran und in guter Ordnung setzten sie über den Fluß hinüber. Unten aber lag’s voll Leichen und den Damm herunter war es ganz schlüpferig und die Weser trieb roth von Blut. Nun drängten, die schon da waren wie ein Keil sich zusammen an einer einzigen Stelle und hinauf; da fiel Mann über Mann, doch Einer kletterte über den Andern hinweg, da wurd’s wie ein ganzer Berg von Leichen.

Da stellte sich Konrad von Marpurg an die Spitze; in der Linken sein Kreuz, in der Rechten statt des weggeworfenen Schwertes eine blutigrothe Keule und er war der Erste, der oben stand und rief: „Das Kreuz hat gesiegt! Mir nach!“ – Und Tausende draußen nach und die von den Stedingern noch lebten, wurden die Dämme hinuntergedrängt.

Noch Eine Hoffnung blieb ihnen: die Moore. Auf schmalen Stegen, die durch sie hinführten, flohen die Letzten davon und rissen hinter sich alle Stege ab und stellten sich dann wieder auf; sie glaubten nun sicher zu sein, wenigstens für einige Zeit. Aber der Ketzermeister rief: „Vorwärts, die Krone der Märtyrer winkt!“ und stimmte wieder ein Lied an und unter Gesang ging’s nun stracks in das Moor hinein, als wär’s gefroren. Zahllose sanken, aber über den Vorderdamm stiegen Folgende und so immerzu, bis eine feste Brücke wurde. Keiner schrie beim Ersaufen oder Ersticken; ein Jeder starb als müßte es so sein, und ein Jeder sang fort, bis der Folgende ihm auf den Kopf trat und ihn hinunterdrückte. Die Stedinger sausten Schleudersteine und Pfeile ihnen entgegen, aber jemehr derselben, desto schneller wurde die Brücke fertig. Und nun war sie fertig und der Feind war im Lande.

Die hundert Stedinger, die noch übrig geblieben, zogen sich zurück auf das feste Kloster Ahden, mitten in den Mooren und mit starken Mauern. Dahin zog auch ein Theil der nun gerüsteten Hauptmacht der Stedinger, während ein anderer zum Heidenhügel auf Altenesch hinzog; da wo gestern die Elsbeth gesessen und wo die Margareth das Blut gerochen hatte.

Menschen waren es nicht, die Kreuzfahrer, die jetzt verheerend durch die Gaue zogen, das Korn im Felde niederbrannten, das Vieh auf den Weiden und in den Ställen lähmten, den gefangenen Weibern die Brüste abschnitten und die Kinder in die Flammen warfen; Menschen waren es nicht, es waren Teufel, losgelassen aus der Hölle.

Vergebens baten die Fürsten und der Erzbischof den Ketzermeister: Einhalt zu befehlen, den entsetzlichen Gräueln. Der Ritter Georg sendete einen Boten, der sollte den Stedingern Rettung verheißen, wenn sie sich unterwerfen wollten.



XII.
Die Todesschlacht.

Sie schlugen bis gegen Abend bei Ahden eine fürchterliche Schlacht; dann mußten die Stedinger zurück und Alles sammelte sich am Heidenhügel. – Der Klaus trat erst noch in sein Haus und suchte eine Axt, die Frau schwieg, aber der Knabe, den sie damals in der Kirche unter dem Herzen getragen, fragte: „Willst Du Holz fällen, Vater?“

„Nein, Junge, Köpfe!“

„Das muß hübsch sein, nimm mich mit.“

„Schweig und gieb mir einen Kuß. Und nun lege Dich in’s Bett zum Schwesterchen und dem ganz kleinen Brüderchen. Geh.“

Der Knabe ging. Klaus trat zu seiner Frau und fragte:

„Margareth, was beschließest Du?“

„Ich lebe nicht ohne Dich, und Deine freien Kinder sollen keine Knechte werden.“

„Gieb mir einen Kuß darauf.“

Die Margareth gab ihm einen Kuß, – dann ging der Klaus still fort, die Margarethe ging still zur Scheune und holte Brennstoff herbei, so viel als möglich und legte ihn durch’s ganze Haus. Dann nahm sie ihre Kinder auf den Arm und an die Hand, stellte sich auf den Söller des Hauses und sah hin zum Heidenhügel und eine brennende Fackel stand wohlverwahrt in ihrer Nähe. So wie es der Klaus und die Margareth gemacht hatten, machten es zur selben Stunde noch viele Männer und Frauen im Stedingerland und viele hatten es vorher schon so gemacht.

Am Heidenhügel waren sie nun versammelt, die letzten und besten Männer.

„So schöne, haushohe Johannisfeuer haben wir noch nie gehabt,“ sagte der Klaus zum Enno. Der dachte aber an sein Weib, das kurz vorher sich schon den Tod gegeben hatte, – darum schwieg er.

„Da brennt auch mein Haus auf!“ rief jetzt der Klaus.

„Nun wird mein Weib vollendet haben! – Jetzt stürzt das Dach – so! nun ist Alles aus, Alles! Aber unsere Weiber, Enno, haben doch den Andern Muth gegeben.“

„Freilich, freilich!“ murmelte Enno.

„Nun ist mir’s eigentlich erst recht wohl,“ – sprach der Klaus nach kurzer Pause und dann schrie er: „Aber nun bebt mir auch der Spieß in meiner Hand! Die Adern wollen mir bersten! Meine Seele schreit nach Blut, wie das Kind nach der Muttermilch.“

„Ein Herold! Ein Herold!“ rief es auf einmal, – „ein Herold vom Ritter Georg von Oldenburg!“ und Ehrenfried, der Knappe, war vom Rosse gesprungen und in den Kreis der Männer getreten. Zu seinem Verderben dicht vor den Klaus und der stieß ihn im Augenblick den Spieß durch’s Herz, daß er keinen Laut mehr von sich gab. Sprachloses Entsetzen lag da auf Allen.

Der Schultheiß trat hinzu, hörte was geschehen und rief: „O Steding, du bist entehrt in deiner Todesstunde. Bindet den Mörder des Herolds und Ihr Schöffen tretet zusammen und richtet.“

Und die Schöffen richteten den Klaus zum Tode im Augenblicke; nicht zum Tode im Stedingerland, sondern zum Tode von der Hand dessen, der den gemordeten Herold gesendet; der Klaus wurde gebunden in das Lager des Ritters Georg von Oldenburg geführt. Schweigend ließ er’s geschehen; kein Laut kam über seine Lippen. Nun gab der Schultheiß ein geheimes Zeichen, das verstanden zwölf Männer, die sofort zu ihm traten und einen dicht geschlossenen Kreis bildeten. Es waren die Vehmrichter des Landes. Und sie vehmten nun Konrad von Marpurg und setzten zum Vollstrecker des Urtheils denjenigen fest, der der Letzte im Kampfe sei.

So wurd’s beschlossen und ein Jeder gab den Beschluß einem Andern, bis Alle es wußten.

„Wo ist Kurt?“ fragte nun der Schultheiß.

„Er sorgt für Elsbeth und daß das Dorf brenne,“ sagte Detmar von Dieke, – „doch da brennt es schon und der Kurt kommt mit der Elsbeth.“

Ehrfurchtsvoll machten Alle Platz, wo das Mädchen ging. Sie stieg den Hügel hinauf und setzte sich unter der alten Esche auf die Bank. Der Schultheiß stellte sich ihr zur Rechten und hielt das Banner so, daß es sie umwehte. Der Pater stand ihr links und legte seine Hand auf ihr Haupt. Der Kurt ging schweigend den Hügel hinunter und sagte:

„Jetzt nur noch Eines: der Ritter Georg!“

„Der Feind ballt sich zusammen im Thal!“ So stürmte jetzt Thanno von Huntorp hervor; – „wir müssen auf freiem Plan ihm begegnen!“

„Im Namen Gottes also, der uns so schönen, hellen Tag zum Sterben giebt!“ rief der Schultheiß und wendete sich zum Pater: „Thut Euer Amt und gebt uns den Todessegen!“ Er kniete nieder, – Alle ihm nach und der Priester segnete herab vom Heidenhügel die Todesschaar. „Versöhnt mit Gott! Los von der Erde und ihrer Lust. Muth nun und freudige Kraft! Hinab zum Streit!“ So rufend, schwang der Schultheiß das Banner – von fern Trompeten- und Hörnerklang und gräßliches Geheul durch die Lüfte.

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