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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

die Regelmäßigkeit dieser Winde durch local oder zeitweilig wirkende Ursachen sehr geändert wird. Ungestört, höchstens einmal durch einen Sturm unterbrochen, wehen sie nur auf den großen Meeren und etwa erst 50 Meilen von den Küsten entfernt. In der Nähe der Küsten werden sie durch die periodisch wechselnden Land- und Seewinde unterbrochen. Die Schiffer erkennen hieraus, ob sie sich in der Nähe des Landes befinden. Innerhalb der großen Continente wird ihre Regelmäßigkeit durch eine Menge von Ursachen gestört, z. B. durch hohe Gebirgsketten, durch die Vegetation und durch den gänzlichen Mangel derselben. Noch größer ist die Störung, welche die kommenden und zurückkehrenden Passatwinde in den Continenten der gemäßigten Zone erleiden. Schon das bringt eine bedeutende Störung hervor, daß hier zwei Strömungen von direkt entgegengesetzter Richtung sich neben einander lagern. Denn wie schon oben erinnert wurde, senken sich die vom Aequator nach den Polen abfließenden Luftmassen, nachdem sie sich in bedeutenden Höhen wieder abgekühlt haben, auf die Erde nieder. Dieses Niedersinken geschieht bereits in der gemäßigten Zone. Hierdurch werden nun die von den Polen kommenden Winde theilweise verdrängt. Wir müssen uns nämlich vorstellen, daß eine Anzahl von großen und breiten Luftströmen entgegengesetzter Richtung in der gemäßigten Zone neben einander fließen und daß sich das ganze System dieser Ströme allmälig verrückt, so daß ein gewisser Ort der Erde bald in diesen bald in jenen Luftstrom gerathen wird. Die Richtung und Dauer dieser Winde wird aber, wie schon erinnert in der gemäßigten Zone durch die Gestaltung der Continente sehr bedeutend abgeändert.

Daß die am Aequator in die Höhe gestiegene Luft wirklich nach den Polen abfließt, in der Zone der Passatwinde also in bedeutender Höhe ein anderer Luftstrom herrschen wird, als an der Erdoberfläche, davon hat man sich durch unmittelbare Beobachtungen überzeugen können. Bisweilen sehen nämlich die Schiffer in der Zone der Passatwinde in bedeutender Höhe Wolken ziehen, welche nach den Polen zu sich bewegen, also nicht von dem an der Meeresoberfläche wohnenden Ostwind getrieben werden können. Noch auffallender beweisen dies vulkanische Ausbrüche, wo die Asche in Gegenden geführt wurde, die der Passatwind nicht erreichen konnte. Dove führt mehrere solcher Fälle an, wovon wir den folgenden mittheilen wollen: „Am 20. Januar 1835 wurde die ganze Landenge von Mittelamerika durch ein den Ausbruch des Coseguina (im Staate Nicaragua begleitendes Erdbeben erschüttert. Am 24. und 25. Januar verdunkelten in Kingston auf Jamaica in einer Entfernung von 800 englischen Meilen dichte Schauer einer Asche die Sonne und dadurch erfuhr man erst, daß die früher gehörten Explosionen nicht von Kanonenschüssen herrührten. Diese Asche konnte nur durch den rückkehrenden Passat herbeigeführt sein, da Jamaica nordöstlich von Nicaragua liegt. Selbst auf den höchsten Spitzen der Andes hat noch nie ein Reisender den oberen Luftstrom erreicht. In der Nähe der Windstillen muß daher sein Abstand vom Meeresspiegel mehr als 20,000 Fuß betragen. Es mußte daher die Explosion ungeheuer gewesen sein, damit die Asche aus dem niedrigen Vulcan Coseguina diese Höhe erreichte.“

Noch eins wollen wir nicht unerwähnt lassen, was vielleicht befremden könnte. Nach den obigen Betrachtungen müßte nämlich der Passatwind eine furchtbare Geschwindigkeit besitzen, eine Geschwindigkeit, welche nahe der der rotirenden Erde im Aequator gleich käme. Denn die von den Polen abfließenden Luftmassen haben gar keine Geschwindigkeit nach Osten, die Erdoberfläche wird ihnen also in der Nähe des Aequators mit ihrer ganzen Geschwindigkeit vorauseilen, wodurch ein eben so geschwinder Ostwind entstehen müßte. Der Passatwind besitzt nun zwar eine bedeutende Geschwindigkeit, doch eine so große, welche der Geschwindigkeit der Erde bei ihrer Achsendrehung im Aequator gleichkäme, würde selbst die Geschwindigkeit des furchtbarsten Sturmes vielmal übertreffen. Ein solcher Wind würde alles zerstören, was in sein Bereich käme. Daß eine solche Geschwindigkeit nicht entstehen kann, ist leicht zu erklären. Die nach dem Aequator zufließenden Luftmassen besitzen erstens schon eine kleine Geschwindigkeit nach Osten zu, indem sie nicht vom Pole selbst, als einem Punkte, herkommen können, sondern vielmehr aus der ziemlich ausgedehnten Polarregion kommen. Zweitens finden sie aber auch auf ihrem Wege nach dem Aequator fortwährenden Widerstand, wie z. B. durch die Reibung an der Erdoberfläche und an anderen entgegengesetzt laufenden Luftmassen. Hierdurch wird der größte Theil ihrer Geschwindigkeit allmälig aufgehoben, oder vielmehr, die Luftmassen fangen allmälig an, der östlichen Bewegung der Erdoberfläche zu folgen. Dasselbe findet bei den rückkehrenden Passatwinden statt.

*** M. 




Wanderungen in der Krim.
(Schluß.)
Bienenbau in Felsen. – Woronzow’s Schloß. – Das Paradies der Krim. – Kaffa. – Kertsch. – Ein Riesengrab. – Die Steppe. – Reise durch die Steppe. – Die Tartaren, ihr Leben und ihre Sitten.

Die Straße, welche an der Südküste hin und zwischen den Besitzungen der russischen Großen vorbei führt, zieht sich immer mehrere hundert Fuß über dem Meere und mehrere tausend unter den höchsten Zacken der Felsen hin. Ehe man nach dem großartigsten Schlosse eines Privatmannes, Alupka, gelangt, zeigt sich ein höhlenartiger gewaltiger Felsenriß mitten in einer steilen Felsenwand. In ihm, sagt Kohl, soll seit undenklichen Zeiten eine Colonie wilder Bienen hausen, die den ganzen Spalt mit alten und neuen Wachsgehäusen angefüllt hätten. Von unten hinauf zu gelangen ist unmöglich, von oben herunter aber sehr schwer, weil die obern Felsen etwas vorstehen und der Mann, der sich an einem Seile etwa herunter ließe, in einiger Entfernung von der Höhlung mit den Bienenstaaten hängen bleiben würde. Dennoch soll es den Tartaren bisweilen gelingen, hineinzugelangen und sie finden dann reichen Gewinn, weil sie den kostbarsten Honig centnerweise herausschaffen und hinaufwinden lassen. Wie gefährlich aber die Arbeit unter den Millionen erzürnter Bienen sein mag, kann man sich leicht vorstellen. Auch verunglückt einmal ein Waghals und dann haben die Bienen einige Jahre Ruhe, um wiederum Schätze auf Schätze zu häufen, bis dieselben einen neuen Tollkühnen zum Raube verlocken. Ist es im Sommer sehr heiß, so daß die Felsen fast glühend werden, so schmilzt wohl das Wachs in den Bienenbauten und der Honig fließt dann aus der Höhle heraus an den Felsen hinunter.

Alupka selbst ist ein Tartarendorf und ganz in der Nähe desselben, an der zerrissensten Felsenpartie der Küste, wo die Wände steil emporsteigen, und das Gestein im grausigsten Untereinander umhergeworfen ist, an der Stelle, die vielleicht der Krater eines ausgebrannten Vulkans ist, ließ Fürst Woronzow sein vielbewundertes gothisches Schloß aufführen, an welchem man fünfundzwanzig Jahre arbeitete und das weniger als zehn Millionen schwerlich kostet. Der Plan dazu allein soll 60,000 Rubel gekostet haben. Das Schloß steht auf einer Anhöhe, einige hundert Fuß über dem Meere und soll wegen zweier Cypressen dahergebaut worden sein, welche einst Potemkin da pflanzte. Die Kunst hat auf dem unfruchtbaren grauen Boden Wunder gewirkt, und ein deutscher Gärtner die herrlichsten Anlagen da geschaffen, die nur, des beschränkten Raumes wegen, zu klein für das Schloß in so riesigen Verhältnissen sind und überdies hat man jeden Sommer wegen der Trockenheit und Dürre der Gegend unsägliche Mühe, die Blumen frisch und die Bäume grün zu erhalten. Und auch die Aussicht ist der Millionen nicht werth, die auf die Anlagen verwendet worden sind, denn wo man sich auch im Park befinden mag, man sieht nichts als auf der einen Seite das Meer und auf der andern den himmelansteigenden kahlen Felsen mit einigen Gartenanlagen und was noch das Freundlichste ist, das Tartarendörfchen unter hohen alten Nußbäumen mit den Häusern, die hier und da unter den Felsen verstreut sind und der kleinen Moschee, die der Fürst auf einem Felsen erbaut hat.

In weit reizenderer Lage befindet sich, in geringer Entfernung, Marsanda, ein großes Gut Woronzow’s, das einige der schönsten Landschaften der Krim besitzt. Eine hohe Felsenkette in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_543.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2019)