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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

unterworfen ist, zumal da sich die Absonderung der Haut, der Nieren und Lungen, wenigstens hinsichtlich der Wassermengen, gegenseitig vertreten und ergänzen können. Unter normalen Verhältnissen läßt sich die Menge des durch die Haut verdunstenden Wassers auf 31 Unzen in 24 Stunden anschlagen; sie beträgt ungefähr eben so viel, als die Nieren in gleicher Zeit liefern und etwa das Doppelte der von den Lungen in 24 Stunden ausgehauchten Wassermenge. Die Kohlensäure, welche die Haut ausdünstet, wird zu 1/25 bis 1/50 der von den Lungen abgesonderten Kohlensäure geschätzt. – Der Nutzen, welchen die Hautausdünstung dem Körper bringt, ist zunächst der, daß die Wasserverdunstung auf der Haut die im Uebermaaße und über das Bedürfniß erzeugte Wärme des Körpers bindet und dessen Temperatur regulirt. Von viel größerer Wichtigkeit für den menschlichen Organismus, als die verhältnißmäßig geringe Abkühlung der Körperoberfläche und des in ihr rinnenden Blutes, ist jedoch die durch die Hautausdünstung beschaffte Ausscheidung der oben genannten Stoffe aus dem Blute, wodurch diese gereinigt und so zur Ernährung des Körpers tauglicher gemacht wird.

Als Aufsaugungsorgan ist die Haut, obschon in derem Innern der zahlreichen Blutgefäße und Saugadern wegen eine sehr lebhafte Aufsaugung stattfindet, doch nicht von so großer Wichtigkeit, als man gewöhnlich glaubt, denn es ist durch die Hornschicht der Oberhaut und durch die Einölung derselben mit Hauttalg den flüssigen und luftförmigen Stoffen äußerst schwer gemacht, von außen in die Haut einzudringen. Nur durch die Schweißporen, sowie durch die Oeffnungen der Talgdrüsen und Haarbälge dürften Stoffe, besonders mit Hülfe von Druck bei Waschungen und Einreibungen, aufgenommen werden können. Es behaupten allerdings Einige, daß auch durch die Hornschicht hindurch Wasserdunst, Gase und flüchtige Stoffe dringen könnten, doch ist dies unwahrscheinlich. Dagegen nimmt die Haut nach Entfernung der Oberhaut sehr leicht Stoffe in sich auf.

(Ueber die Pflege der Haut später.)
(B.) 




Wanderungen in der Krim.
Geschichte des Landes. – Eupatoria. – Sebastopol. – Balaklava. – Inkermann. – Tartaren und tartarische Dörfer. – Die Hauptstadt Baktschi-Sarai. – Der Palast des Khan. – Eine Stadt mit ehrlichen Juden. – Simferopol, die Hauptstadt der Russen. – Der vergrabene Schatz Salomons. – Eine wunderbare Treppe.

Die Halbinsel Krim, welche von dem schmalen Streifen von Perekop ziemlich viereckig in das schwarze Meer hinaushängt, ist etwa so groß wie Sachsen, Hannover, Würtemberg und Baden zusammen genommen und zerfällt in zwei ganz verschiedene Theile, die Steppe, welche drei Viertheile bedeckt und die russische Schweiz oder die Südküste, ein reizendes Gebirgsland.

Das Land hat seit uralter Zeit eine ziemlich hervorragende Rolle in der Geschichte gespielt und namentlich ist der südliche und östliche Theil reich an historischen Erinnerungen. Noch ehe die Griechen Colonien in Tauris, wie sie die Halbinsel nannten, anlegten, ließen sie Iphigenie dort als Priesterin der Diana dienen, dann bauten sie die Städte Chersonesus und Penticapäum (später Bosporus, jetzt Kertsch), Theodosia (jetzt Kaffa), Cytäa, Nymphäum (jetzt Apuk), Lampas und andere. Um das fünfte Jahrhundert vor Christus erhob sich das Reich der Könige vom Bosporus, unter denen am Glänzendsten hervorragt der große Römerfeind Mithridates. Vom fünften Jahrhundert nach Christus an wurde die Krim von Barbarenhorden überströmt, die einander wechselnd verdrängten, von den Gothen und Hunnen, von den Avaren und Chazaren, endlich von den Mongolen und Tartaren unter Tschingis Khan, dessen Nachkommen die Khane oder Fürsten der Krim waren, bis das Land von den Russen erobert wurde und dessen Volk heute noch die Mehrzahl der Bewohner ausmacht. Eine glänzende Rolle spielte auch zwei Jahrhunderte hindurch, von 1270 an, das mächtige Genua in der Krim. Es erhielt die Erlaubniß, an der Stelle des zerstörten Theodosia eine Stadt zu bauen, die Kaffa genannt wurde, Waarenniederlagen da zu errichten und Handel zu treiben. Nicht zufrieden damit, legten die Genuesen an der ganzen Süd- und Westküste mehr oder minder bedeutende Niederlassungen an und heute noch sieht man Trümmer ihrer Festen bei Sebastopol, Balaklava und auf der Insel Toman.

Wenn man, wie die verbündeten Engländer und Franzosen auf ihrem Zuge zur Zerstörung Sebastopols, die Krim bei Koslof oder Eupatoria betritt, so findet man sich in seinen Erwartungen sehr getäuscht, denn die Stadt, nach Baktschi-Sarai die am meisten charakteristische Tartarenstadt, ist eine der langweiligsten, die es geben kann. Sie liegt in baum- und waldloser dürrer Gegend mit engen schmutzigen Straßen und gleich einem Regiment Soldaten längst dem Ufer aufgestellten Windmühlen. Vor der Eroberung durch die Russen war sie eine der wichtigsten auf der Halbinsel und zählte über 20,000 Einwohner, jetzt kaum 7000, die mit Ausnahme der russischen Beamten und vielleicht 1200 Juden sämmtlich Tartaren sind. Unter diesen ist die mongolische Gesichtsbildung vorherrschend; kleine, schiefstehende Augen, vortretende Backenknochen und plumpe Gesichter unterscheiden die Steppentartaren von den schönern Bewohnern des Gebirgstheils, die mehr Aehnlichkeit mit den Türken haben. So groß und tief die Bai ist und so guten Ankergrund sie hat, ist sie doch allen Winden ausgesetzt, mit Ausnahme der Nordwinde und der Handel darum sehr unbedeutend.

Von da an steigt das Land allmälig zu Bergen an, die bei Sebastopol weiße Kreidehöhen sind.

Sebastopol, das in der letzten Zeit so oft beschrieben worden ist, daß wir wohl unterlassen können, mehr von ihm zu sagen, liegt mitten unter den interessantesten Alterthümern der Krim. Die Bai ist die, welche der alte Geograph Strabo unter dem Namen Ktenos beschrieb und die Tartaren nannten die kleine Stadt, welche sie vor der Ankunft der Russen da bewohnten, Atschiar (die alte), welchen Namen Katharina II. in den pomphaften „Sebastopol“ verwandelte (was NB. Sebastōpol auszusprechen ist). Der Landstrich bis zu dem Thal von Inkerman auf der einen und dem Meerbusen von Balaklava auf der andern Seite ist der, welchen Strabo unter dem Namen des herakleotischen Chersonesus beschreibt. Hier standen die berühmten Städte Chersonesus, Eupatorium und Pontus Symbolorum. Vor einem halben Jahrhunderte noch sah man prachtvolle Ruinen, z. B. Thore und Thürme; jetzt ist kein Stein mehr auf dem andern, kaum noch eine Spur, als hätten die Russen sich Mühe gegeben, nicht blos die Nationalität des besiegten Volkes zu vernichten, sondern auch jede Spur einer frühern Herrschaft. Am westlichen Ende der „Südküste“ oder der russischen Schweiz steht ein Kloster, dem heiligen Georg geweiht, d. h. eine Menge kleiner Häuser und Kirchen, die an dem obern Rande des hier etwa 400 Fuß hohen Meeresufers aufgebaut sind. Von diesen Häusern, die genau an der Stelle stehen sollen, wo sonst der Tempel der Diana stand, geht es steil zu einem Brunnen und dann im Schatten von Bäumen zu dem Ufer herunter. Rechts springt die Küste weit in das Meer hinaus; das ist das Cap Parthenon (das Vorgebirge der Jungfrau) und hier haben wir denn den Schauplatz zu dem Schauspiel „Iphigenie auf Tauris,“ der also für alle Zeiten geweiht ist durch die Poesie.

Etwa neun Werst von dem Kloster liegt Balaklava, eine Stadt, die aus den frühesten Zeiten her bekannt ist. In der Bucht sammelten sich in uralter Zeit griechische Seeräuber, entweder um die gemachte Beute zu theilen oder zu neuen Unternehmungen sich zu rüsten und sie nannten sie Symbolos (den Hafen der Vereinigung). Die Römer machten daraus Portus Symbolorum und die Italiener Cembala. Das Bala soll ein verdorbenes bella (schön) sein. Die Bai zieht sich wie ein Haken in das Land hinein, ist tief, klippenlos, ohne Sandbänke am Eingange und gegen alle Winde geschützt. Die Berge und Felsen sind wohl fünf Mal so hoch als die bei Sebastopol und da sich die Bai hinter dieselben zurückzieht, so liegen die Schiffe in ihr völlig versteckt.

Die Stadt Balaklava sieht ganz verödet aus und hat fast gar keinen Handel und keine Gewerbe. Die engen Straßen, das Pflaster und die veraltete Form der Häuser könnten den Gedanken erregen, man betrachte hier eine Stadt, die tausend Jahre in der Erde gelegen habe und nun erst wieder ausgegraben sei. Daß sie alt ist, weiß man, wahrscheinlich hat sie aber auch die Form behalten, die ihr die erste griechische Colonie gab. Die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_529.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2018)