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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

vorhanden ist, deren untermeerischer Zusammenhang sich aber durch die kreisförmige Anordnung zu erkennen giebt.

Weit von Polynesien gegen Westen gelegen findet sich ein ähnliches Inselmeer von beschränkterer Ausdehnung; es ist das Inselmeer der Maldiven, in welchem man auf einem Flächeraum von nicht viel über 6 Grad Durchmesser über 1200 solcher Koralleninseln oder Atolls zählt.

Wenn solche Koralleninseln durchaus das Werk der Polypen sind, welche sich auf den Kuppen untermeerischer Berge, die der Vulkanismus zuletzt über den Meeresspiegel emporschob, ansiedelten, so ist die Betheiligung dieser kleinen räthselhaften Wesen an der Vergrößerung der festen Erdoberfläche nicht hierauf beschränkt. Fast alle steil in das Meer abfallenden Küsten südlicher Breiten finden sich von Korallenriffen bedeckt, die man Strandriffe nennt, wenn sie unmittelbar auf der Küste aufsitzen, Kanalriffe dagegen, wenn zwischen ihnen und der Küste noch ein kanalartiger Meeresstreifen bleibt.

Diese wunderbaren Bauten sind nicht erst in der gegenwärtigen Epoche des Erdlebens entstanden. Viele Marmorarten sind nichts anderes als ehemalige Korallenbänke, und der Coralrag der Juraformation ist eine Korallenbank, welche sich weit über große Gebiete Mittel-Europa’s ausdehnte, als das ruhige Jurameer es noch bedeckte, aus welchem sich allmälig jene ungeheuern Felsschichten absetzten, welche den Jura und die schwäbische Alp zusammensetzen.

Die erfinderische Natur hat für ihre Phantasie in den Formen der Polypenstöcke, wie man die Korallen nennt, einen weiten Spielraum gehabt. Zwischen centnerschweren halbkugeligen Massen der Mäandrinen, die bis in das Innerste zierlich angeordneten Colonien von Millionen kleiner Wesen, bis zu dem zarten moosartigen Polypenstock der Moosthierchen (Bryozoen) findet sich eine lange Kette der verschiedensten Formen und der Grade der Ausprägung.

Bis 1725 galten die Korallenpolypen für räthselhafte Doppelwesen, nach Innen für Steine, nach Außen für Pflanzen; und als Peyssonnel der französischen Akademie der Wissenschaften einen Aufsatz über deren thierische Natur eingereicht hatte, so glaubte der Berichterstatter, der berühmte Réaumur, aus Schonung den Namen des Urhebers dieser so ganz und gar für verkehrt gehaltenen Ansicht verschweigen zu müssen. Erst als 1740 das berühmte Buch von Abr. Trembley über einige der wenigen Süßwasserpolypen erschien, gelangte Peyssonnel’s Entdeckung zu ihrer vollen Geltung und Anerkennung. Heute enthält ihre Naturgeschichte kaum noch eine dunkle Partie.

Vielleicht kommen wir ein ander Mal auf die so wunderbare und so bedeutungsvolle Lebensweise und Organisation dieser „kleinen Meister großer Werke“ zurück. Für heute fügen wir nur noch einige Worte über die beigegebene Abbildung hinzu.

Fig. 3–5 stellt die bekannte Edelkoralle, Corallium rubrum, dar, die in dem von Italien, der südfranzösischen, spanischen und algierischen Küste eingeschlossenen Theil des Mittelmeeres gefunden wird, um aus ihrem harten und vollkommen dichten, scharlachrothen Stocke Perlen und andere Schmucksachen zu drehen. Er ist ursprünglich mit einer weichen, korkartigen weißlichen Rinde bedeckt, – welche an der unteren Hälfte der Fig. 3 entfernt ist – in welcher die blumenähnlichen kleinen Polypen in kleinen Höhlen leben. Bei Fig. 5 sehen wir ein noch berindetes Stückchen vergrößert dargestellt mit zwei Polypen, von denen der Eine ausgestreckt, der Andere in seine Höhle zurückgezogen ist, so daß man unter der kleinen warzenartigen Erhöhung die zierliche Thierblume kaum vermuthet. Einen wesentlicheren Antheil an der Erbauung der Korallenriffe nimmt die artenreiche Gattung der Madreporen. Fig. 1 zeigt uns ein kleines Aestchen von Madrepora abrotanoides, und Fig. 2 einen ganz kleinen Theil desselben vergrößert mit den Polypen, welche nicht in einer Rinde, sondern in röhrenartigen Hervorragungen des ganz steinartigen Stockes leben.




Pariser Bilder und Geschichten.
George Sand.

Sehen Sie, das ist sie! Jene Frau dort, mit den dunklen großen Augen, mit dem bleichen trauernden Gesicht, so schlicht und natürlich, so viel Ernst und Ruhe im ganzen Wesen, das ist sie, die George Sand, die größte Schriftstellerin unserer Zeit, die sogenannte Emancipirte, vor der in Deutschland die zimperlichen Damen ein Kreuz schlagen. Von ihr will ich Ihnen erzählen!

Sie stammt aus königlichem Geblüte. Ihr Ahnherr ist August II. von Polen. Aus seiner Verbindung mit der reizenden Gräfin von Königsmark erwuchs der berühmte Moritz von Sachsen, einer der bedeutendsten Feldherren seiner Zeit, der französische Dienste nahm und im Jahre 1736 zum Lohn für seine Thaten gegen Deutschland den Marschallstab erhielt. Er verliebte sich in eine berühmte Schauspielerin jener Zeit, heirathete sie trotz aller Einwendungen seiner Familie sowohl als seiner Freunde und Beschützer, und diese gebar ihm eine Tochter, Maria Aurora, die sich um 1739 mit dem angesehenen schwedischen Grafen Arvid Bernhard von Horn verehelichte. Nach drei Jahren aber schon Wittwe, zog sie sich zu den Frauen des Abbaye-aux-Bois zurück, wo sie durch ihren ausgezeichneten Geist und ihre Anmuth einen kleinen Hof um sich bildete. Der Generalpächter, Herr Dupin, suchte ihre Gunst und gewann ihr Herz und ihre Hand. Ein Sohn, der aus dieser Ehe entsprossen, Maurice Dupin, der sich im Jahre 1793 als Freiwilliger anwerben ließ und unter dem Kaiserreich bis zum Grade eines Obersten stieg, war der Vater der berühmten Dichterin, die im Jahre 1805 zur Welt kam und ursprünglich Maria Amantina Aurora Dupin geheißen ward. Er starb an einem Sturz vom Pferde.

Sie wurde von ihrer Großmutter auf dem Schlosse Nohant, in einem der reizendsten Thäler von Berri gelegen, erzogen, und als diese starb, ward die kleine Aurora in das Kloster der „Engländerinnen“ in Paris gegeben, damit ihre Erziehung daselbst vollendet werde.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_490.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2022)