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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Armenhaus Leipzig, von dem wir uns übrigens einer geeigneten Wirksamkeit versichert halten, auf lange hinaus für ein so bedenkliches Bedürfniß genügen mag; und jedenfalls heißt es aber auch immer noch für das Interesse der Gesellschaft besser sorgen, wenn man ihre Schäden auf diese Weise zu heilen sucht, als wenn die öffentlichen Gelder zur Pflege von Anstalten ausgegeben werden, aus denen häufig nur die Contingente für die Armenhäuser hervorgehen.




Die Pflege der Augen.


Das Auge ist das wichtigste aller Sinneswerkzeuge und die Hauptpforte, durch welche der Verstand in unser Gehirn einzieht. Weit unglücklicher und verlassener als der Taube ist der Blinde; wie oft ist aber nicht Blindheit die Folge eigenen Verschuldens? Täglich wächst die Zahl derer, welchen Gesichtsschwäche ebensowohl die Erfüllung ihrer Berufspflichten erschwert, als auch den Lebensgenuß vermindert. Dies brauchte aber nicht zu sein, da nur Unkenntniß dessen, was zur Erhaltung des Gesichtssinnes nöthig ist, als die häufige Quelle der Augenleiden angesehen werden muß. Man trachte deshalb nach Kenntniß von der richtigen Behandlung der Sehorgane, um die Fehler zu vermeiden, die man gewöhnlich gegen die Augen begeht, und zu lernen, wie man sich bei wirklichen Mängeln des Gesichts zu benehmen hat. Zur Erlangung dieser Kenntniß empfehlen wir nun vorzugsweise die billige und leicht verständliche Schrift vom Professor Arlt in Prag (die Pflege der Augen im gesunden und kranken Zustande, nebst einem Anhange über Augengläser), welcher wir auch im vorliegenden Aufsatze folgen.

Von den sogenannten Blindgebornen sind die wenigsten wirklich blind geboren, die meisten wurden erst nach der Geburt blind. Leichtsinn und Unkenntniß dessen, was den Augen der Neugebornen schaden kann, tragen in der Regel die Schuld der Blindheit. Vorzüglich ist es die Augenentzündung der Neugebornen, welche Blindheit nach sich zieht, eine Krankheit, die sehr häufig durch Fehler in der Pflege der Neugebornen hervorgerufen und zu jenem Grade von Heftigkeit gesteigert wird, welcher die Sehkraft entweder ganz vernichtet oder doch mehr oder weniger schwächt. Diese Fehler beziehen sich im Allgemeinen auf Beleuchtung, Reinlichkeit und Wärme der Luft. Es tritt diese Entzündung gewöhnlich den dritten oder vierten Tag nach der Geburt, selten später, erst nach acht bis vierzehn Tagen ein. Sie beginnt mit Anschwellung und Röthe der Augenlidränder und mit der Absonderung einer gelblichen, dicklichen, eiterigen Flüssigkeit, welche anfangs sparsamer ist und indem sie vertrocknet, Verkleben der Augenwimpern und Augenlider bewirkt, später aber reichlich zwischen den Augenlidern hervorquillt. Sobald die Absonderung dieser Flüssigkeit und die Anschwellung der Augenlider eintritt, rufe man sofort einen Arzt oder, wäre dieser nicht sehr bald zu erlangen, so sorge man zuvörderst für mäßige Verdunklung des Zimmers (durch Vorhängen eines blauen oder grünen Tuches vor das Fenster), sowie für reine, warme Luft im Zimmer. Von der äußersten Wichtigkeit ist jedoch das Reinigen der Augen von jener eiterigen Flüssigkeit. Dieses muß so oft geschehen, als sich nur immer Flocken derselben im Auge zeigen, alle 10 bis 15 Minuten. Es geschehe aber auf folgende Weise: der Zeigefinger der linken Hand wird auf die Wange des Kindes gelegt und damit das untere Augenlid vorsichtig abwärts gezogen, ohne aber das Auge zu drücken oder das Lid sehr zu zerren; sodann werden wenige Tropfen warmen Wassers aus einem zwischen den Fingern der rechten Hand gehaltenen Leinwandläppchen in’s Auge (zwischen die Lider) geträufelt und hierauf das Auge mit einem andern weichen und reinen Leinwandläppchen abgetrocknet. Dieses Abtrocknen darf aber nicht streichend, sondern nur sanft tupfend geschehen. Sind die Augenlider schon stark geschwollen oder ist das Kind sehr empfindlich gegen das Licht, so gelingt das Oeffnen des Auges nur dann, wenn eine zweite Person den Zeigefinger der einen Hand auf die Augenbrauengegend anlegt und das obere Augenlid sanft aufwärts zieht. Um unvermutheten Bewegungen des Kopfes vorzubeugen, sichere man denselben durch Anlegen der ganzen Hand in seiner Lage. Sehr vorsichtig ist mit dem aus dem kranken Auge ausgeflossenen, eiterigen Schleime umzugehen, da derselbe, in ein gesundes Auge gebracht, hier eine ähnliche gefährliche Entzündung zu veranlassen im Stande ist. Deshalb komme man damit ja nicht an das eigene Auge und benutze auch für jedes einzelne Auge des Kindes besondere und stets frische reine Leinwandläppchen. Eine Hauptaufgabe bei Behandlung dieser Augenentzündung ist Verhütung der Ansammlung jenes zerstörenden Eiters zwischen den Augenlidern.

Der Neugeborne, dessen flach liegendes und durch kurze, zarte Wimpern und Lider weniger geschütztes Auge ja noch nicht an das Licht gewöhnt ist, darf deshalb auch nur ganz allmälig einem stärkeren Lichte ausgesetzt werden und alles grelle Licht, so wie der plötzliche Uebergang aus dem Finstern in’s Helle ist streng zu vermeiden. Es ist eine gefährliche Neugierde, wenn Aeltern den Neugebornen an das Sonnen- oder Kerzenlicht tragen, um die Farbe seiner Augen recht bald kennen zu lernen. Schwarzer Staar, also Blindheit in Folge der Lähmung des Sehnerven, ist nicht selten aus einer solchen Blendung des Kindesauges hervorgegangen. Man mäßige sonach das Licht in der Umgebung des Neugebornen, schütze denselben gegen grelles Licht (ohne denselben aber ganz dunkel zu halten) und vermeide besonders schnellen Wechsel zwischen Licht und Dunkel. Wird das Kind in der Nacht geboren, so stelle man das Kerzenlicht so, daß dessen Strahlen nicht direkt in das Auge des Kindes fallen. – Reinigung der Augen gehört ebenfalls zu den Erfordernissen, welche zum Schutze der Sehorgane dienen. Diese Reinigung darf aber nicht mit dem Schwamme geschehen, womit der Körper des Kindes gereinigt wird, sondern mit eigens für die Augen bestimmten und in lauwarmes Fluß- oder Regenwasser eingetauchten, weichen Leinwandläppchen. – Wichtig für die Augen ist ferner auch die Beschaffenheit der Luft, in welcher sich das Kind befindet. Sie muß rein (ohne Rauch, Staub und Dünste) und mäßig warm sein. Zugluft und Erkältung (durch feuchte, kühle Wäsche), besonders schneller Temperaturwechsel, bringen oft Gefahr, und ziehen nicht selten die Augenentzündung Neugeborner nach sich. Besonders aufmerksam sei man bei der Taufe des Kindes, daß nicht Erkältung und Blendung der Augen desselben zu Stande komme.

Beim Säuglinge wird den Augen sehr oft dadurch geschadet, daß das Kind liegend so ausgetragen wird, daß ihm die Sonne senkrecht in’s Gesicht scheint. Uebrigens vermeidet man in diesem Alter viel zu wenig das grelle Licht und den plötzlichen Wechsel zwischen Hell und Dunkel. – Da die Augen der Säuglinge gern leuchtenden, glänzenden oder lebhaft gefärbten Gegenständen folgen, so dürfen dergleichen nicht wiederholt und lange in einer solchen Stellung bleiben, daß das Kind dieselben nur mit Mühe und mit einem Auge verfolgen kann, weil sonst Schielen entsteht. Es müssen ferner Säuglinge nicht zu kleine Spielsachen und diese nicht zu nahe an die Augen gehalten bekommen, da sich hierdurch sehr leicht Kurzsichtigkeit und Schielen entwickelt. – Daß die Einwirkung von unreiner, kalter und Zugluft auf die Augen, zumal wenn sich dieselben kurz vorher in reiner, warmer Luft befanden, von Nachtheil sein muß, versteht sich wohl von selbst. Schon im Säuglingsalter ist übrigens das Auge durch zweckmäßige Uebungen für die Zukunft zu kräftigen und zu erziehen; doch darüber später bei der Erziehung des Säuglings.

Im eigentlichen Kindesalter muß das Auge durch eine Mütze mit großem Schirme oder einen Hut mit breitem Rande gegen das Sonnenlicht geschützt werden; es darf hell beleuchtete und glänzende Gegenstände nicht zu lange besichtigen und im Schlafe oder beim Erwachen nicht von Lichtstrahlen unmittelbar getroffen werden. Wirkt zu starkes Licht, besonders nach vorausgegangener Dunkelheit, auf die Augen der Kinder, so kann bleibende Schwäche des Gesichts, von der man lange keine Ahnung hat, die traurige Folge sein, wo nicht gänzliche Blindheit. – Da es in diesem Lebensalter nicht selten zu Augenentzündungen kommt, so möge man sich merken, daß dabei die Augen durchaus nicht verbunden werden dürfen, sondern nur mit einem Schirm zu beschatten sind. Zu diesem Zwecke nehme man ein Stück stärkeres Papier, gleichviel

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_459.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)