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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

mußte, um seine „Ehrenschuld“ abzutragen. Als junger Ehemann wurde er nach der Insel Majorca geschickt, wo er bis zum Tode Ferdinand’s VII. blieb. Der nun folgende Bürgerkrieg stellte ihn als General-Commandeur der Provinz Biscaya an die Spitze der Christino’s. Als solcher war er gegen Zumala Carreguy (1815) sehr unglücklich, da er drei Schlachten verlor. Nach Cordova’s Rücktritt (1836) übernahm er das General-Commando über die ganze Christino-Armee, ward später Vicekönig von Navarra und Chef der baskischen Provinzen, nach dem Siege von Luchana Graf von Luchana, Deputirter der Cortes und Vertreter nach der von ihm beschwornen Constitution von 1837, die er freilich aus Haß gegen das Calatrava-Ministerium stürzen half. Gegen rebellische Soldaten seiner Armee bewies er den tollsten Muth, da er die Haupträdelsführer persönlich aus der Menge herausriß, und dann erschießen ließ. Nachdem er 1838, 27. April, den Carlisten-General Negri bei Burgos, 15,000 Carlisten bei Penacerrada geschlagen und Sieg auf Sieg erfochten, gelang ihm die größte That. Am 30. August 1838 ging er ganz allein an den Truppen seines jetzigen Feindes (ehemaligen Ayacucho-Genossen) Marato hinunter, und rief: „Wollt Ihr Alle zusammen leben als gute Spanier unter Einer Fahne, so geht und umarmt meine Soldaten, wie ich Euren General jetzt umarme!“ – Allgemeiner Enthusiasmus, allgemeine Umarmung – Ende des Bürgerkriegs. Ein Beweis mehr, daß edele Thaten des Herzens mächtiger sind, als die größten Heroenthaten der Gewalt.

Nach diesem dramatischen Verbrüderungsakte blieb nur noch übrig, den Rest der Armee des Don Carlos zu unterwerfen. Espartero trieb ihn (am 14. September) auf französisches Gebiet, und nachdem er auch im Beginn des folgenden Jahres Cabrera’s Truppen in Arragonien besiegt hatte, war das Ende des furchtbaren Bürgerkrieges und die Rückkehr des Friedens allgemeine, historische Thatsache. Hierin liegt die eigentliche Quelle der hohen, nationalen Popularität Espartero’s. Er war der Held der Fortschrittsprinzipien, der bürgerlichen, constitutionellen Freiheit gegen das absolutistische Prinzip und den Bürgerkrieg, der Friedensfürst, der wahre Vaterlandsretter.

Hiermit endigte seine blos militärische Laufbahn. Er begann die des Staatsmanns, um, was er mit dem Schwerte zum Siege gebracht, in das Leben auch wirklich einzuführen. Weder Christine, die Königin, noch ihre Minister zeigten große Lust, die Constitution von 1837 zu respektiren. So zwang er z. B. Narvaez aus dem Ministerio zu treten und erhob seinen Adjutanten und sein Factotum Linage, von dem seine Feinde sagten, daß er eigentlich die Seele aller seiner Verdienste sei, zum General. Vor Allem galt es, die französische Centralisationssucht Christine’s und ihrer Minister zu unterdrücken. Espartero hielt es mit der englischen Freiheit, welche hauptsächlich in der Selbstverwaltung der einzelnen Städte und Gemeinden besteht. Die Königin suchte Espartero in Barcellona[WS 1] auf, um sich seine Unterstützung für ein Bischen Constitutionsbruch auszubitten. Er weigerte sich standhaft und bat endlich um seine Entlassung, die aber nicht angenommen ward. Barcelona, nach Madrid die lebendigste und intelligenteste Stadt, gerieth in große Aufregung, welche zu einer Insurrection anzuwachsen schien. Die Bildung eines neuen Ministeriums stellte die Ruhe etwas her, aber im September 1840 war beinahe das ganze Land rebellisch, weil die Königin hartnäckig auf ihre Centralisationspläne bestand. Espartero, commandirt, gegen die Rebellen zu marschiren, weigerte sich. Die Königin, bisher trotzig und tyrannisch, ward jetzt feig und machte den – Rebellen Espartero zum ersten Minister mit unumschränkter Gewalt. Am 3. October bildete er sein neues Ministerium. Dessen liberales Programm ward von der Königin verworfen. Sie sagte, lieber wolle sie abdanken. Bei dieser Gelegenheit rief sie in ihrem Zorne aus: „Ich habe Ihnen Alles gegeben, Espartero! Ich habe Sie zum Grafen von Luchana erhoben, zum Grafen von Morilla, zum Herzog von Victoria, zum Granden von Spanien; aber es ist mir nicht gelungen, Sie zum „Cavalier“ zu machen.“

Kaum hatte das Volk diese Scene erfahren, holte es ihn überall, wohin er kam, mit den glänzendsten Demonstrationen ein, besonders in Valencia, wie er auch schon im September 1840, als er als neuer Premierminister in Madrid einzog, eben so jubelnd empfangen worden war, wie neulich, vierzehn Jahre später. Christina, zu stolz zum Nachgeben, dankte wirklich ab und begab sich nach Frankreich. Am 8. Mai 1841 wurde Espartero zum alleinigen Regenten Spaniens erwählt, der arme Zimmermannssohn vom Dorfe, freilich bei Weitem nicht einstimmig, was in dem parteizerrissenen Lande auch nicht zu erwarten stand. Unter diesen Verhältnissen war seine gleichsam absolute und zugleich constitutionell beschränkte Stellung der nicht parlamentarischen, sondern soldatisch gewaltsamen Parteien gegenüber, ungemein schwierig; doch entwickelte er während dieser seiner Regentschaft eben so viel parlamentarische Mäßigung als Energie gegen Parteiaufstände, Alle Emeuten, republikanische wie absolutistische (z. B. eine von dem ersten Helden der jetzigen Revolution, O’Donnell zu Gunsten – Christine’s!), alle Eingriffe von Außen warf er mit soldatischer, dictatorischer Strenge nieder und ließ schon im October 1841 den Häuptling einer Verschwörung, welche auf Raub der jungen Tochter Christine’s (der jetzigen Königin Isabella) ausging, Diego Leon Concha erschießen. Für Spanien, wie es war und wohl noch ist, war es im Uebrigen aber mehr ein Fehler, als eine Tugend, daß Espartero mehr ein Washington, als ein Cromwell sein wollte. In seinen Ministern fand er schlechte Freunde seiner municipalfreien, englischen Richtung der Administration. Eine solche hatte auch unter dem fortwährenden Auflodern[WS 2] wilder politischer Parteileidenschaften, zum Theil zurechtgekocht in dem Hexenkessel Christine’s, der immerwährend in ihrem Hotel Rue de Courcelles zu Paris, brodelte, wenig Aussicht auf gedeihliche Entwickelung. Nachdem er im November 1841 eine republikanische Insurrektion in Barcelona unterdrückt hatte, hielt er am 30. wieder einen Triumphzug durch die Straßen von Madrid. Ein Ausbruch derselben Art in derselben Stadt im folgenden Jahre war sein Sturz, nicht weil die Republikaner siegten, sondern sich mit den absolutistischen Christino’s gegen ihn verbanden und er sich gegen diese Verbindung bei der Schwäche seiner Minister, besonders seines ersten, General Rodil, zu schwach zur Consequenz fühlte. So willigte er am 9. Mai 1843 in eine allgemeine Amnestie. Seine Feinde wollten ihn nun zwingen, Männer des Fortschritts und der Constitution zu entlassen. Das war ihm zu arg. Er entließ sein Ministerium und löste das Parlament, die Cortes. auf (26. Mai). Zugleich ward das Gerücht verbreitet, daß Espartero einen für Spanien nachtheiligen Handelsvertrag mit England abschließen wolle. Seine verschiedenen Feinde gossen Oel in’s Feuer, und so loderte bald eine allgemeine Empörung gegen den Friedensfürsten, Landesretter und Volksmann durch Catalonien, Arragonien, Andalusien und Galicien hin. Am 13. Juni erklärte eine revolutionäre Junta von Barcellona[WS 3] aus die Prinzessin Isabella für mündig und zur Königin und den Sturz Espartero’s. Eine provisorische Regierung unter Lopez Caballero und Serrano octroyirte ihm den Titel „Hochverräther am Lande“ und beraubte ihn aller seiner andern Titel und seines ganzen Vermögens. Narvaez, stets sein principieller Gegner, marschirte an der Spitze der Insurgenten gegen Madrid, wo Alles durch Corruption und Geld vorbereitet war, und wo er deshalb am 22. Juli 1843 die beste Aufnahme fand, während Espartero, der Held so vieler Triumphzüge und Volksdemonstrationen, eiligst von Cadiz nach Lissabon und von da nach England floh. Hier ward er am 19. August fast eben so jubelnd empfangen, als später Kossuth. Espartero ist entschieden englisch in seiner Politik, insofern sie das gesunde Element aller Freiheit, das freie Gemeindewesen, am Ausgebildetsten darbietet. Seine Politik, die Spanier dahin zu bringen, daß sie die Freiheit vertragen, war, mißlungen. Ob sie jetzt „reif“ sind, muß die Zukunft erst noch beweisen.

Nachdem Espartero bis 1847 still in England gelebt, wo er viele Verbindungen und Freunde zurückließ, begab er sich in Folge einer Art von Amnestie für seine Freisinnigkeit auf dem Throne, wieder nach Spanien, wo er in Logrono, dem Orte seiner Liebe und Hochzeit, eben so still fortlebte, bis die neue Revolution ihn, den Hochverräther, abermals als Vaterlandsretter im glänzendsten Triumphe durch das Alcala-Thor von Madrid herein- und heraufzog auf die Höhe des spanischen Lebens durch jauchende, jubelnde, Hüte schwenkende Massen, unter Damen-, Tapeten- und Blumen geschmückten Balconen hin, hin unter unabsehbaren Flaggen und Wimpeln, wedelnder Batisttaschentücher, Fahnen von rothem Sammet und goldenen Franzen und goldenen, beschwingten Hoffnungen, welche die kindische, bornirte, leidenschaftliche, soldatische prätorianische Politik und Regierungsweisheit abermals in Blei

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Barcellona
  2. Vorlage: Auflockern
  3. Vorlage: Barcellona
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 422. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_422.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)