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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Vom ersten Schusse an bis zu dem Augenblick, der die Feinde in unsere Gewalt brachte, war nicht mehr als eine Viertelstunde vergangen. Der Kampf war entsetzlich gewesen; jetzt aber herrschte wieder Ruhe und Friede, und das Schiff setzte seinen Weg bei dem Hauche eines sanften Windes fort.

Am folgenden Tage wurden wir von einem amerikanischen Kriegsschiff angerufen, welches ausgeschickt worden war, um auf die Seeräuber Jagd zu machen. Der Kapitän ließ die Gefangenen an Bord desselben bringen, und stattete von dem Geschehenen Bericht ab. Wie ich später erfuhr, sind die Elenden der gerechten Strafe nicht entgangen, sondern haben sämmtlich den Tod der Verbrecher erlitten.

Unsere Reise hatte mit einem gefahrvollen Abenteuer begonnen, und sollte auch in ihrem weiteren Verlaufe nicht ohne aufregende Scenen bleiben. Unter den Passagieren befand sich ein reicher amerikanischer Kaufmann mit seiner Tochter, einem lieblichen Kinde von etwa vier Jahren. An einem Morgen – es war der vierte oder fünfte Tag der Reise – war die Wärterin, die bisher immer die größte Sorgfalt bei der Beaufsichtigung des Kindes an den Tag gelegt hatte, auf dem Verdeck eingeschlafen. Das Kind hatte die Gelegenheit benutzt, um hier und dort umherzulaufen, und war endlich auch auf das Geländer hinaufgestiegen, von wo es mit einem Gemisch von Neugier und Verwunderung die unübersehbare Fläche des Oceans überschaute. Plötzlich wurde es durch irgend ein Geräusch stutzig gemacht, und indem es sich umsah, verlor es das Gleichgewicht und fiel in das Meer. Glücklicherweise sah einer der Matrosen, Namens Beckner, das Kind fallen, und ohne sich zu besinnen, stürzte er sich in die Wogen, um es zu retten. Seine edlen Anstrengungen waren nicht ohne Erfolg; in einigen Secunden hatte er das Mädchen erreicht und hielt es mit einem Arm empor, während er mit dem andern auf das Schiff loszusteuern begann. Seine Geschicklichkeit im Schwimmen würde hingereicht haben, sowohl sein, als des Kindes Leben zu retten; aber plötzlich sah er zu seinem Schrecken einen großen Haifisch auf sich zukommen, der, nach Beute lüstern, mit entsetzlicher Schnelligkeit die Wogen durchschnitt. Beckner erkannte die gräßliche Gefahr, welche ihm drohte, und schrie laut um Hülfe. In einem Augenblick waren alle Reisenden und die ganze Schiffsmannschaft auf dem Verdeck versammelt; aber obgleich Alle das Loos des armen Matrosen bejammerten, so wagte doch keiner ihm beizuspringen. Die Matrosen, unfähig, eine wirksame Hülfe zu leisten, schossen aus Flinten und Pistolen auf den Haifisch, der jedoch, ungeachtet des heftigen Geräusches immer näher herankam und sein Opfer fast schon erreichte. In diesem Augenblick des Schreckens, während die herzhaftesten und bewährtesten Männer von Angst gelähmt dastanden, vollbrachte der Heldensinn und die kindliche Liebe eines Knaben eine That, wie sie gewiß noch nicht oft ausgeführt worden ist. Der junge Beckner, ein Knabe von vierzehn Jahren, welcher als Schiffsjunge auf dem Schiffe diente, hatte nämlich kaum die Größe der Gefahr erkannt, in welcher sein Vater schwebte, als er ein kurzes, scharfes Schwert ergriff und mit dieser Waffe über Bord sprang. Sobald es ihm gelungen war, hinter den Haifisch zu kommen, tauchte er unter und, stieß mit eben so vielem Geschick als Kraft und Entschlossenheit seine Waffe dem Ungeheuer bis an das Heft in den Leib. Der Haifisch, durch diesen unerwarteten Angriff aufgeschreckt, krümmte sich aus Schmerz über die ihm beigebrachte Wunde, verließ seine erste Beute und wandte sich in voller Wuth gegen den Knaben. Ein schreckliches Schauspiel bot sich jetzt den Blicken der Zuschauer dar, und es folgten einige Minuten der fürchterlichsten Angst und Erwartung. Der heldenmüthige Knabe wurde durch die grauenvolle Größe und Wildheit seines Feindes keineswegs entmuthigt, sondern setzte, um seinen Vater zu retten, den ungleichen Kampf ununterbrochen fort. Während das Ungeheuer sich wendete und drehte, um seiner Beute habhaft zu werden, stieß der junge Held das Schwert zu wiederholten Malen in seinen Leib. Aber die Kraft des Knaben reichte nicht aus, ihm einen tödtlichen Stoß zu versetzen, und er mußte endlich an seine eigene Sicherheit denken. Unterdessen hatte die Schiffsmannschaft mehrere Taue ausgeworfen, um den Vater und seinen muthvollen Sohn zu retten; doch hinderte anfangs die Bewegung der Wellen und die drohende Nähe des erbitterten Haifisches die Unglücklichen, sich die ihnen gebotene Hülfe zu Nutze zu machen. Endlich gelang es jedem von ihnen, eine der zahlreichen ausgeworfenen Taue zu ergreifen, und nun beeilte sich die ganze Mannschaft, die beiden Schwimmer heraufzuziehen. Ihre Bemühungen waren zur großen Freude der Zuschauer nicht erfolglos, und ein Strahl von Hoffnung belebte jede Brust. Beide, Vater und Sohn, waren bereits über den Wogen und klammerten sich fest an die Seile; da merkte das wüthende und an seinen Wunden heftig blutende Thier, daß seine Beute auf dem Punkte war, ihm zu entkommen. In einem Augenblick befand es sich unter den beiden Unglücklichen, machte einen gewaltigen Sprung, bei dessen Anblick das Blut in unsern Adern erstarrte, und öffnete, indem es sich aus den Rücken warf, den entsetzlichen Rachen, aus dem uns die fürchterlichen Reihen spitzer Zähne entgegenstarrten. Ein lauter Schrei des Entsetzenn hatte jedoch die Mannschaft zur äußersten Anstrengung aller ihrer Kräfte entflammt, und als das Ungeheuer seinen Sprung machte, waren Vater und Sohn schon so weit über die Oberfläche des Wassers gehoben, daß das Ungeheuer sie nicht mehr erreichte. Einen Augenblick später waren sie auf dem Verdeck, wo sie von den gewaltigen Anstrengungen und der entsetzlichen Angst zum Tode ermattet, fast bewußtlos zu Boden sanken.

Ich will die Freude des Kaufmanns über die Rettung seiner Tochter, das Entzücken des alten Beckner über den Heldenmuth und die aufopfernde Liebe seines Sohnes, den lauten Jubel der Passagiere und Matrosen nicht zu schildern versuchen; nur das will ich anführen, daß seit jener verhängnißvollen Stunde, eine freudige, durch nichts getrübte Stimmung auf dem ganzen Schiffe herrschte, und daß selbst in den Mienen und Worten der rohesten Matrosen sich das Gefühl des Dankes gegen den Allgütigen, dessen liebevolle Hand hier so sichtbar gewaltet hatte, deutlich aussprach. Am Tage nach dem Ereigniß veranstaltete der Kapitän zu Ehren des wackern Beckner und seines heldenmüthigen Sohnes ein fröhliches Fest, bei dem es lustig genug herging und, ganz gegen die aus dem Schiffe herrschende Ordnung, gewaltige Massen von Grog getrunken wurden; der dankbare Vater aber setzte den Rettern seines Kindes einen Jahrgehalt aus, der ihnen bis an ihr Ende ein sorgenfreies Leben sicherte.




Der pädagogische Völker-Congreß in London. Der erste große, praktische Völker- und Friedens-Congreß aller Völker in dem Glaspalaste von Hyde-Park im Jahre 1851 trägt Früchte. Der Palast verwandelte sich in einen dauernden Tempel der Gesammtcultur aller Zeiten und Völker und rief eine Menge einzelne und vereinte Bestrebungen zur Verbreitung praktischer Bildung und edlern Geschmackes unter allen Völkern hervor. Unter letzteren ist die pädagogische Ausstellung aller Völker in der großen St. Martinshalle, Long Acre, zu London, hervorgerufen durch die „Gesellschaft der Künste,“ welche deren Präsident Prinz Albert zum geistigen und parlamentarischen Mittelpunkte von mehr als 350 andern Kunst-, technischen-Cultur-, Schul- und pädagogischen Vereinen Englands erweitert hat, eine der großartigsten, gelungensten und segensreichsten. Außer unzähligen englischen Schul- und Erziehungsinstituten und Vereinen, Kleinkinder-, Militär-, Marine-, Parochial-, Armen-, National-, Industrie-, kirchlichen, weltlichen, katholischen, jüdischen, Blinden-, Taubstummen- und Idiotenschulen Englands haben fast alle gebildeten Völker die Proben und Beweise und Ergebnisse ihrer Volkscultur, ihrer Volks-, technischen-, Real- und Kunstschulen zur Ausstellung gesandt, am Reichlichsten und Vollständigsten Norwegen und Schweden, sodann Nord-Amerika, die englischen Colonien, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland (sehr schwach, obgleich das „Land der Schulen und Kasernen“) Holland, Malta, die Schweiz u. s. w. Wir finden alles Mögliche, was sich auf Schule, Unterricht, Erziehung und Volksbildung bezieht, nicht nur die Leistungen der einzelnen Anstalten, sondern auch die Instrumente und Mittel dazu: Bücher, Maschinen, Modelle, physikalische Instrumente und die Hülfsmittel zum Unterricht in den einzelnen Zweigen des Wissens, der Kunst und Industrie, Modelle, Erfindungen und Verbesserungen für Schulhäuser und Unterrichtserleichterungen, besonders eine große Menge (englische) farbige und deutliche Veranschaulichungen der einzelnen Naturwissenschaften, Farbenkatechismen, Himmelskarten, geologische Musterbilder, Darstellungen der Gebirge, der verschiedenen Höhen, der Wärme, der Pflanzen- und Thiergrenzen, der Klimate, Tafeln, Karten und Erdkugeln von Schiefer mit eingegrabenen Linien und Umrissen zum Einzeichnen der Einzelheiten für den Schüler, Apparate zur Veranschaulichung mechanischer, chemischer, industrieller und cosmischer Prozesse. So bekommt man in diesen Hallen ein großes, mit hoher Freudigkeit erfüllendes Gesammtbild der vereinten, nach einem Ziele strebenden verschiedenen Völker und ihrer Elementar-Culturzustände. Sie alle wollen den in gebildeter Arbeit und Produktion freien, edeln Menschen. Nur Rußland und die Schwarzen in Amerika fehlen.

Der republikanische, durch allgemeines Wahlrecht entstandene Kongreß der vereinigten Staaten hat den Unterricht für Leibeigne eben so verboten, wie der russische Autokrat. Ein merkwürdiger Berührungspunkt von Extremen. – Interessant und praktisch erwiesen sich noch besonders die kleinen, tragbaren, chemischen Laboratorien, Muschel-, Mineralien-, Conchylien-, Krystall- und Elementsammlungen in ihren wissenschaftlich geordneten Hauptbestandtheilen. So bekommt man außer dem Totaleindrucke friedlicher Zusammenwirkung aller Völker zur Erreichung einer allgemeinen, praktischen, menschheitlichen Kultur und Civilisation, noch den speciellen, daß man diesen großen Zweck immer mehr durch den lebendigen, faßlichen und greifbaren Anschauungsunterricht, wie er der Jugend allein zusagt und ihr angemessen ist, zu erreichen sucht, durch die von Pestalozzi und Fröbel begründete pädagogische Methode, deren Werth erst jetzt in England wahrhaft erkannt und anerkannt wird, so daß Schulanstalten ganz besonders auf ihre neue deutsche und schweizerische Methode aufmerksam machen, um sich zu empfehlen. Das unvollkommene, aber freie Schulwesen Englands wird durch die neuen Anregungen und Lehren, die aus der pädagogischen Ausstellung fließen, uns nach-, aber in seiner Praxis und freien Thatkraft auch leicht zuvorkommen.




Mittel gegen die Faulheit. In Amsterdam hat man ein merkwürdiges Mittel, die Faulen in dem Strafarbeitshause zur Arbeit anzuhalten. Diese werden nämlich in ein kleines Gefängniß gebracht, das auf allen Seiten dicht geschlossen ist, und in welchen aus einer Röhre Wasser hineinfließt, das nur durch eine in dem Gefängnisse befindliche Pumpe entfernt werden kann. Wollen die Faulen nun nicht ertrinken, oder doch mindestens im Wasser sitzen, so müssen sie unablässig und aus Leibeskräften pumpen.




Bücher-Absatz in Amerika. Der Verkauf von Macaulay’s Essays (3 Bände) beträgt 68,000 Bände. Von Miß Aquilar’s Schriften sind in zwei Jahren 100,000 Bände verkauft worden. Von Al. Smith’s Gedichten wurden in wenigen Monaten 10,000 Exemplare abgesetzt. Der Verkauf von Thackeray’s Werken soll in Amerika ziemlich das Vierfache von dem in England betragen und der von Dickens Werken zählt fast nach Millionen von Bänden. Auch von Bulwer’s letztem Romane sind seit seiner Vollendung über 35,000 Exemplare verkauft worden. Unter den amerikanischen Schriftstellern nimmt in Bezug auf Verkäuflichkeit Washington Irving den ersten Rang ein, selbst Mstrs. B. Stowe nicht ausgeschlossen; er ist in mehreren hunderttausend Exemplaren verbreitet. Vom Onkel Tom sind 295,000 Exemplare abgesetzt worden; von Stephen’s Reisen in Aegypten und Griechenland 80,000 Bände; von desselben Reisen in Yucatan und Central Amerika 60,000 Bände; von Griswold’s Poets and Prose Writers of America (3 Bde.) 24,000 Bände; u. s. w. Die deutschen Buchhändler werden nach diesen Zahlen Amerika wahrscheinlich für das gelobte Land erklären, wo Milch und Honig fleußt.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_416.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)