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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

bedeutungslosen Stück Papier. Unter den Trägern dieser verderblichen Regierungsprincipien stand die Königin Mutter, Christine, die seit ihrem Betreten Spaniens dessen böser Geist geworden ist, obenan. An willfährigen Werkzeugen ersten, zweiten und dritten Ranges fehlte es nicht, gleichwohl verstrich geraume Zeit im Hin- und Herschwanken, ehe die willfährigsten gefunden wurden, Männer zu Allem fähig, wie ein Graf San Luis, Sartorius, Collantes, Blaser und Andere, die vom September vorigen Jahres an die Geschicke Spaniens zu regeln begannen. Der Hof machte nun aus seinen Plänen weniger Hehl, und von Stunde zu Stunde mußte man auf einen offenen Staatsstreich zur Herstellung der reinsten Willkürherrschaft gefaßt sein, die dem Wesen nach freilich schon vorhanden war, denn die verfassungsmäßigen Rechte des Volks, die Gerechtsame der Gemeinden wurden ungescheut mißachtet; die Abgaben drückend vermehrt, ihre Ergebnisse an Günstlinge vergeudet; ein Heer von Beamten angestellt, die Presse vollends unterdrückt und die gemäßigt ruhigen Vorstellungen der Cortes unbeachtet gelassen; bis endlich im Februar dieses Jahres das Ministerium einige vierzig, ihm durch ihren Einfluß am Hinderlichsten scheinende Persönlichkeiten, meistens Cortesmitglieder, Redacteure, Officiere, unter letztern die Generale O’Donnell und Leon Concha, plötzlich gewaltthätig zu Madrid festnehmen ließ, und sie theils aus dem Lande, theils in entlegene Provinzen verbannte.

Dieses politische Unterdrückungssystem mußte natürlich dem Hofe den bittern Haß des Volks zuziehen. Die Camarilla und das Ministerium wandelten auf einem hohlen Boden, der noch nicht borst, wohl aber vom Februar dieses Jahres an in leisen Schwingungen zu erzittern begann.

Der königliche Palast in Madrid.

In Saragossa, dem heldenmüthigen, war es, wo das oben erwähnte gewaltthätige Verfahren der Minister einige Wochen darauf die ersten Zuckungen hervorrief. Oberst Hore pflanzte an der Spitze seines Regiments die Fahne des Aufstandes auf, unter der er auch fiel, während der Aufstand selbst, in seiner Ausführung allzu wenig vorbereitet, kläglich scheiterte. Der Hof antwortete mit blutigen Exekutionen, und versuchte das dumpf grollende Wetter, welches bereits über ganz Spanien hin rollte, durch die Verkündigung eines allgemeinen Kriegszustandes zu beschwören.

An ein Umkehren von dem betretenen abschüssigen und schlüpfrigen Pfade dachte die Regierung nicht, obwohl die drohenden Symptome sich fortwährend mehrten. Die Camarilla im Gegentheil fuhr auf dem einmal betretenen Pfade fort, die Erpressungen steigerten sich in’s Ungeheuerliche, die abenteuerlichsten Finanzoperationen wurden vorgenommen, und mitten unter fortwährenden Verhaftungen und geargwöhnten Verschwörungen, schließlich eine Zwangsanleihe dekretirt, welche unter allen Klassen, ohne Ausnahme, den heftigsten Unwillen hervorrief und die Tage der herrschenden Partei zu den gezählten machte.

Dumpf und schwül lagerte es über dem herrlichen Lande, das unter einer heillosen Wirthschaft des ihm von der Natur verliehenen Segens seit Jahren nicht froh werden konnte; fort und fort wucherte die Gährung, wucherte, ohne daß es besonderer demagogischer Umtriebe bedurfte, oder gar russischer Machinationen, mit denen gleich bei der Hand zu sein heutzutage Mode geworden ist, wenn in irgend einem Winkel Europa’s ein Hahn kräht, dessen Stimme nicht ganz zu dem türkischen Concerte paßt. Wo dem Volke solche Dinge geboten werden, wie in Spanien geschehen, da ist ohne alles andere Zuthun die Revolution zuletzt unvermeidlich.

Und so kam sie endlich, kam, wie dies bei den Umwälzungen in Spanien fast immer gewesen, als Militäraufstand; die gefährlichste Form, in welcher einer Regierung die Revolution entgegen treten kann.

Dem schon oben erwähnten, unter der Zahl der Verbannten inbegriffenen Generale Leopold O’Donnell, dem es gelungen war, sich dem ihm zugedachten Loose zu entziehen, fiel die Ehre zu, den unmittelbaren Anstoß zu geben. Schon dem verunglückten Versuche in Saragossa nicht fremd, war O’Donnell auch seitdem heimlich in Spanien geblieben und hatte, allen Nachstellungen zum Trotz, sich in der Hauptstadt zu verbergen gewußt, wo er seinen Einfluß im Stillen auf das Militär gelten machend, den Augenblick der Erhebung vorbereitete. Zwischen ihm und mehreren der in Madrid befehligenden Generale und Officiere war es dabei zum innigen Einverständniß gekommen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_397.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)