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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

bald geizig, bald großmüthig und bald grausam, bald nachgiebig und bald unbeugsam. Sie können den Gang der Kometen, aber nicht die Gedanken eines Weibes berechnen. Für mich ist meine eigene Schwester ein Räthsel, das –“

„Uebermorgen ist der neunzehnte März und der Geburtstag Ihrer Schwester“, fiel Arnold ein, um den Betrachtungen des Spielers ein Ende zu machen.

Morbleu, Sie sind ja in unsere Familienangelegenheiten so gut eingeweiht, wie ein Concierge aus der Nachbarschaft. Es hat ganz den Anschein, als wären Sie ein verkippter Onkel aus Amerika, der uns prüfen will, bevor er uns seine Millionen an den Hals wirft“, scherzte Thomas.

„Würde Ihre Schwester ein kostbares Geschenk, das ihr der Graf zu diesem Festtag machte, annehmen?“

„Warum denn nicht. So weit geht ihre Tollheit nicht, dem Kosaken eine Auslage ersparen zu wollen, die er gar nicht spürt. Doch glauben Sie, daß dieser auch nur daran denkt, meiner Schwester etwas Werthvolles anzubieten? Ueber einen Blumenstrauß um zehn Franken erhebt sich seine Freigebigkeit nicht.“

„Wie wäre es“, meinte Arnold, „wenn Sie den Grafen auf den Vortheil einer solchen Zuvorkommenheit und auf den Fortschritt, den er auf diese Weise in dem Herzen Ihrer Schwester machen werde, hinwiesen?“

„Dadurch würde ich mir bei ihm Alles verderben“, erwiederte Thomas. „Sie glauben gar nicht, wie schwer der Barbar zu fassen ist und welche Vorsicht man anwenden muß, um von ihm nicht durchschaut zu werden. Glauben Sie mir, ich habe meine Proben.“

Nachdem sich Arnold einige Augenblicke besonnen, sagte er: „Wenn es so nicht geht, könnten Sie doch jedenfalls im Namen des Grafen Ihrer Schwester ein Geschenk überreichen.“

„Wie ist das ? Ich im Namen des Grafen?“ frug Thomas, indem er sich den Sinn dieser Worte klar zu machen suchte.

„Die Sache, dächte ich, sei ganz einfach“, erklärte Arnold. „Ich übergebe Ihnen ein Geschmeide, ein Halsband oder Ohrringe oder sonst was. Ist Ihnen noch daran gelegen, daß Ihre Schwester freundlich sei, so übergeben Sie es als eine Sendung des Grafen und bemerken, daß zwar der Geber unerrathen bleiben will, daß Sie aber diesen schönen Zug des Russen nicht ungekannt lassen wollen.“

Ueber das fahle Gesicht des ehemaligen Spekulanten blitzte ein Ausdruck der Zufriedenheit, so wie ihm dieser Antrag verständlich wurde. Doch war dieser Ausdruck verschwunden, als er an seinen Besuch die Frage richtete: „Und welcher Vortheil erwächst mir aus dem Dienst, den Sie verlangen?“

„Ihnen kann es doch nur erwünscht sein, wenn der Graf Ihrer Schwester näher rückt“, versetzte Arnold.

„Woraus schließen Sie, daß mir dieses erwünscht sei?“ warf Thomas mit der größten Gleichgültigkeit hin.

„Das vermuthe ich blos. Doch außerdem erhalten Sie fünfhundert Franken für die Arbeit, wenn sie gut gethan ist“, gab Arnold halb spöttisch, halb verächtlich zurück.

„Meine Bürgschaft?“

„Ich könnte Ihnen diese Frage mit mehr Fug zurückgeben, da Sie doch einen kostbaren Schmuck in die Hände bekommen, allein ich schenke Ihnen alles Vertrauen. Hier eine Tratte auf Fould und Oppenheim, zahlbar vier Tage nach Sicht. Erfüllen Sie die angenommenen Bedingungen nicht, so komme ich, um Schmuck und Tratte zurückzufordern.“

„Eingeschlagen!“ versetzte Thomas, besah prüfend das ihm eingehändigte Papier, faltete es zusammen und legte es in ein Portefeuille, das er aus dem Fach eines Schreibpultes nahm.

„Noch Eins“, sagte Arnold, „und dieses gehört zu den Hauptbedingungen des Honorars: Sie müssen dafür sorgen, daß Mademoiselle Adele an ihrem Geburtstage mit dem betreffenden Juwel geschmückt ihre Besuche empfange.“

„Ich verpflichte mich, dieses durchzusetzen. – Nun, bevor Sie gehen, erlauben Sie mir aber zwei Fragen, die Sie gewiß nicht indiskret nennen werden: Wer sind Sie und was kann es Ihnen verschlagen, ob sich meine Schwester an ihrem Geburtstage mit oder ohne Schmuck sehen läßt?“

„Davon ein ander Mal“, versetzte Arnold. „Morgen bin ich bei Ihnen mit dem Geschmeide. Adieu, Herr Flaireau. Auf Wiedersehen!“ Und er ging.

Allein gelassen, sann und grübelte der Börsenspieler, um für das seltsame Benehmen des fremden Mannes einen Grund zu finden. Da er nichts Stichhaltiges auffinden konnte, nahm er, wie um seinen Gedanken nachzuhelfen, die Tratte aus dem Pult, und las noch einmal auf der Kehrseite: „Zahlen Sie an die Ordre des Herrn Thomas Flaireau die Summe von fünfhundert Franken. Paris, 17. März 1842. Arnold Granier.“

Doch auch das Dokument gewährte dem Forschen des Spielers weiter keinen Anhaltepunkt.


IV.

Am Tage nach dieser Unterredung erhielt Alfred einen Brief von unbekannter Hand ohne Namensunterschrift, folgenden Inhalts:

„Mein guter Herr!

„Haben Sie schon die Einkäufe für den Geburtstag Ihrer herrlichen Adele gemacht? Nehmen Sie sich wohl zusammen, denn Sie haben einen reichen und freigebigen Rivalen zu überbieten. Mit Blumen, wie es die Liebe schenkt, dürfte es in vorliegendem Falle kaum abgethan sein. Wenn Sie morgen Ihren Besuch bei Adelen machen, werden Sie Gelegenheit haben, die blinkenden Edelsteine an einem Halsband zu bewundern und zu erfahren, wie reichlich ein russischer Graf beschenkt. Wofür? Wer beantwortet diese Frage. Im Falle, daß Sie ein Kenner von Juwelen sind, können Sie dem Mädchen Ihrer Leidenschaft einen Dienst erweisen, indem sie ihr den Werth des Schmuckes und zugleich auch den des Grafen genau abschätzen; denn es ist doch immer gut, zu wissen, was man besitzt.

N. N.

„Paris, 18. März 1842.

Alfred las und las wieder und fand dieses Schreiben jedes Mal entsetzlicher. Hatte er sich lange genug gequält, sagte er sich zwar zu seiner Beruhigung, daß man Unrecht habe, auf ein anonymes Schreiben irgend ein Gewicht zu legen, da hinter demselben stets entweder ein Verrath oder im besten Falle eine Feigheit steckt; allein die Wirkung dieser Trostgründe war jedoch nur gering und vorübergehend.

„Wer mag das geschrieben haben?“ dachte er. „Irgend eine Neiderin etwa? Wen aber beneidet die Neiderin?“ Hier stieß er wieder auf eine Vorstellung, an der sich alle Beschwichtigung zerschlug. – „Sollte etwa Lamon, der um meine Begünstigung weiß und sich ärgert, daß er so schlimm abgewiesen wurde, diese kleinliche Rache suchen? – Oder hofft vielleicht Jemand, der den Grafen oder mich haßt, durch dieses Mittel einen Kampf auf Tod und Leben zwischen ihm und mir herbeizuführen? Der hätte sich jedenfalls verrechnet. Ich bin wahrlich nicht der Thor um ein Weib zu kämpfen, das nicht einen Tropfen Blutes, geschweige denn ein Menschenleben werth ist. – Wenn es aber irgend ein redliches Gemüth wäre, von dem dieser Brief herrührt, und der keine andere Bestimmung hätte, als mich aufzuklären, zu warnen? Warum aber sich mit so löblicher Absicht in Dunkel hüllen? Was braucht ein gutes Werk das Licht zu scheuen?“ – Er wollte nicht weiter daran denken und dachte immer und immer daran. Er wollte nicht weiter rathen, da er doch den nächsten Tag Gewißheit erlangen würde und hörte doch nicht auf, sich mit Vermuthungen zu erschöpfen. Er verfiel, wenn er sich ihnen auf Augenblicke entzogen, auf’s Neue den Zweifeln, den quälendsten Vorstellungen. Es blieb dem jungen Mann nichts weiter übrig, als bis zum nächsten Tage zu warten, um sich von der martervollen Ungewißheit zu befreien.

Er brachte eine schlaflose Nacht hin, und auch der Morgen brachte keine Erheiterung, keine Erquickung. Es trieb ihn zu dem Besuch bei der Meisterin, allein er hatte noch genug Ueberlegung behalten, um sich zu sagen, daß der Zweck desselben verfehlt wäre, wenn er zu früh käme, bevor sich Adele in vollen Staat versetzt. Er mußte noch einige Stunden voll banger Ungeduld warten.

Es war um Mittag, als er in der heftigsten Bewegung an die Thüre des kleinen Salons in der rue Mazagran klopfte, in welchem sich nach der Angabe der Magd Adele befand. Mit dem Gefühle eines Menschen, der auf Tod und Leben angeklagt, den Richterspruch erwartet, der frei spricht oder verurtheilt, öffnete er schwankend zwischen Hast und Zaudern und trat ein. Er findet Adelen in der Gesellschaft des Grafen Worsakof, der ihre beiden

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