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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Dienst, den ich von Ihrer Fähigkeit erwarte, zu danken wissen.

„Genehmigen Sie die Versicherung meiner Ergebenheit.
Eugène [WS 1] Scribe.“

Herr Alexander Dumas hat diese Zeilen an den Claqueur gerichtet:

Paris, 27. December 1847. 
„Mein würdiger Bundesgenosse!

„Hier eine kleine Abschlagszahlung von meiner großen Schuld. Um sie ganz auszugleichen, müßte ich ein Krösus sein. Ich nehme den Rest als ein Geschenk von Ihnen an, für das ich Ihnen bestens danke.

„Empfangen Sie meine freundschaftlichen Grüße.
Alexander Dumas.“

Von Auber hat Herr Porcher dieses Schreiben erhalten:

Paris, 12. Januar 1846. 
„Mein lieber Porcher!

„Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mich morgen zwischen 10 und 11 Vormittags mit Ihrem Besuch beehren wollen. Ich würde mir erlauben Sie durch das Clavier auf einige Stellen aufmerksam zu machen, um sie Ihrer Berücksichtigung zu empfehlen. Ich habe die Ehre Sie zu grüßen.

Auber.“

Mademoiselle Rachel schreibt so:

„Lieber Porcher!

„Sie müssen zu mir kommen; denn ich weiß, Sie schweigen. Die Rolle, welche ich in Mademoiselle de Bellette übernommen, ist die Probe, ob das Publikum mich im Lustspiel annehmen will. Sie braucht unendlich mehr Sorgfalt als jede andere, die ich früher gespielt. Kurz ich habe Ihnen viel zu sagen.

Ihre ergebene  
Rachel.“ 

Das Datum fehlt.

Derselben Art waren auch die andern Zuschriften der minder berühmten Persönlichkeiten.

„Nicht wahr,“ sagte Herr Porcher als ich die Abschriften fertig gebracht hatte, „ich habe es weit gebracht, und sehen Sie mein Herr, was ich bin, das bin ich durch mich selbst.“ Und um mir dieses zu beweisen, erzählte mir Herr Porcher seine Lebensgeschichte, die ich mir, wie er sagte durch sein Tagebuch ergänzen könne. Da die Erzählung sowohl, als die Tagbuchblätter viel Anziehendes und Eigenthümliches enthalten, gedenke ich nächstens den Lesern der Gartenlaube aus Beiden das Interessanteste mitzutheilen.




Aus der Menschenheimath.
Briefe des Schulmeisters emerit. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler
Vierundzwanzigster Brief.
Die Insektenverwandlung. 4. Der Fliegenzustand.


Die Maskerade ist aus. In seiner letzten wahren Gestalt erscheint nun jedes Insekt im vierten der Zustände, in welche das Insektenleben schärfer abgetheilt ist, als das irgend einer andern Thierklasse. Die wissenschaftliche Sprache nennt sie nun Fliegen, weil nun erst ihre Flügel, wenn sie überhaupt deren haben sollen, vollkommen entwickelt und zum Fliegen tauglich sind.

Die meisten Insekten erwachen zum Fliegenzustande aus einem todtenähnlichen Schlummer, den ich Dir in meinem vorigen Briefe als Puppenzustand bezeichnete. Nur die Libellen und Heuschrecken und die wanzenartigen Insekten schlummern als Puppen nicht. Du erinnerst Dich aus einem früheren Briefe [1], daß man danach die Insekten in solche mit und in solche ohne Verwandlung eintheilte.

Für die ersteren ist der Uebertritt in den Fliegenzustand in den meisten Fällen mehr als ein bloßes Erwachen aus langem Schlummer, als ein Anlegen einer neuen Gestalt, als ein Beziehen einer neuen Wohnung. Es ist für viele geradezu ein Auferstehen zu einer neuen ganz anderen Thätigkeit, zu anderen Bedürfnissen, anderen Gewohnheiten, anderen Fähigkeiten.

Denke an die vielen Insekten, die Du kennst; vielleicht fällt Dir eben jetzt, da ich Dich aufmerksam mache, zum ersten Male ein, an wie vielen derselben sich die eben gethane Aeußerung bestätigt.

Erinnere Dich an die Biene. Faul und unbehülflich steckte sie als Larve in der Zelle, die sie sich nicht selbst gemacht hatte, und ließ sich von ihren kinderlosen Tanten füttern – denn so muß man die Arbeitsbienen, die unfruchtbaren Schwestern der Königin, der wahren Landesmutter, betrachten – die auch nachher die Zelle mit einem Wachsdeckel verschlossen und so in ein langes Faulbett für die aus der Larve werdende Puppe verwandelten. Vergleiche nun in Gedanken mit jener trägen Larve die Biene, die daraus geworden ist. Wie sich mancher lernfaule Mensch es wünschen würde, ist über sie im Schlafe, im Schlafe der Puppenruhe, die Weisheit gekommen. Ohne Unterricht, ohne Uebung, ohne es einmal gesehen zu haben, denn sie konnte über den Rand ihrer Zelle nicht hinwegsehen, ist aus einem völlig Unfähigen ein fleißiger und geschickter Arbeiter geworden, der den Menschen zum Vorbilde dient.

Den umgekehrten Fall zeigt uns der Seidenspinner. Er hat in der Puppenruhe seine ganze frühere Kunstfertigkeit verschlafen. Mit ihr hat er freilich auch das Werkzeug und den Stoff verloren, den kostbaren Seidenfaden zu spinnen, den er freilich nun auch nicht mehr nöthig hat. Was ist denn übrigens an dem Schmetterling von der Raupe noch übrig? Nichts. Nicht die Gestalt, nicht ein einzelnes Glied, nicht die Form der Nahrung, die er bedarf. Von den sechzehn zweierlei Füßen der Raupe sind nur sechs übrig geblieben, die keiner von beiden Arten der Raupenfüße gleichen. Die Kurzsichtigkeit der zwölf winzigen einfachen Raupenaugen ist für den weit dahin flatternden Schmetterling in die Fernsichtigkeit der zwei großen zusammengesetzten Augen umgewandelt.


  1. Gartenlaube Nr. 11. 20. Brief.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Eugéne
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_366.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)