Seite:Die Gartenlaube (1854) 360.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

mit Redensarten, denn dem Land das Gesicht zugedreht, wie wir beim Rudern saßen, sahen wir den scharfen zuckenden Blitz einer Büchse durch die Nacht leuchten, und in demselben Moment auch fast schlug die Kugel in unser Boot, zwischen mir und dem jüngsten Dehart durch, aber glücklicher Weise nicht durch das Boot selber, sondern mitten auf den entführten Ast, der vorn im Bug lag.

„Klapp!“ lachte Bob, „irgendwo saß es; jetzt paßt nun auf, ob der alte Kasten an zu lecken fängt, daß wir das Kugelloch finden.“

„Ich glaube sie hat auf den Ast geschlagen,“ sagte der junge Bursche, der bei Dehart’s in Arbeit stand.

„Dann sind wir geborgen,“ rief Bob lachend, „und nun scharf ausgegriffen, meine Jungen, und mitten in den Strom hinein, bis wir außer Sicht sind.“

Es bedurfte kaum weiterer Aufmunterung; wir thaten unser Bestes, und hörten jetzt wie drüben am Ufer grimme Flüche laut wurden. Jedenfalls hatte der Feind das versenkte Boot gefunden, mit dem eine Verfolgung natürlich ganz unmöglich war, und wir brauchten Nichts mehr zu fürchten. Nichtsdestoweniger schossen wir rasch vom Lande ab, und das Ufer lag bald wie ein dunkler Streifen hinter uns, von wo aus es nicht möglich gewesen wäre das kleine Boot noch zu erkennen, vielweniger darauf zu feuern. Mit der Strömung gingen wir dann ein kurzes Stück hinunter, und hielten dann erst wieder unserer eigenen Wohnung zu, die wir auch noch wohl eine Stunde vor Tag glücklich erreichten.

Mr. Bowley, der nicht den mindesten Zweifel hegte, wer ihm den kecken und wie er es nannte, unverschämten Streich gespielt, drohte mit einer Klage, aber das Recht des Besitzes ist in jenem wilden Landstrich schwer anzutasten, und der Honig war verzehrt, ehe er in Memphis einen Advokaten aufgetrieben, sich nur nach der Sache zu erkundigen.

Nun hatten wir allerdings Müh und Noth genug mit der Kleinigkeit Honig gehabt, und sehr wahrscheinlich viel leichter, jedenfalls mit weit weniger Gefahr, drei andere Bäume in der Nachbarschaft gefunden, aber keinen von uns gereute jene nächtliche Arbeit, und der ausgeschälte Ast lag noch lange, als eine Art Siegestrophäe, auf dem Dach unseres Hauses.

Fr. Gerstäcker.


Eduard Duller.

Die deutsche Literatur hat vor Kurzem zwei ihrer würdigsten Vertreter, das deutsche Volk zwei seiner edelsten und liebenswürdigsten Dichter verloren. Eduard Boas und Eduard Duller. Beide starben im kräftigen Mannesalter zu fast gleicher Zeit an fast gleicher Krankheit und nach gleich langen Kämpfen mit ihr. Eduard Boas starb im deutschen Norden, dem er angehörte in Landsberg an der Warthe und Eduard Duller im deutschen Süden in Wiesbaden wohin er von Mainz aus gegangen war, die oft bewährte Heilkraft der Quellen auch an seiner zerstörten Gesundheit zu versuchen. Aber um Eduard Boas trauert nicht nur der Norden, um Eduard Duller nicht nur der Süden – sie gehörten Beide dem ganzen Deutschland an. Wenn in den vorzugsweise literarische und belletristische Interessen vertretenden Zeitschriften Eduard Boas’ Tod zahlreiche Berichte über ihn, sein Leben und Dichten hervorruft – so gehört hingegen Eduard Duller vielmehr jenen weitern Kreisen an, in denen die „Gartenlaube“ vorzugsweise ihre Leser sucht und findet und darum sei zunächst hier auch seiner gedacht.

Eduard Duller ist am 8. November 1809 in Wien geboren, wo er auch die Rechte studirte, bald aber ganz diesem Berufe entsagte und sich allein der literarischen Laufbahn widmete, die er schon als Jüngling und zwar gleich mit einem großen Schritt betreten hatte: mit einem Drama, „Meister Pilgram,“ das 1828 auf dem Hofburgtheater zu Wien mit Beifall aufgeführt ward. Ein seltenes Glück für einen jungen österreichischen Poeten! Eine zweite Tragödie, „der Rache Schwanenlied“ folgte. Wie die meisten österreichischen Schriftsteller, litt es auch ihn damals nicht in seinem Vaterlande. Er verließ Wien 1830 und ging nach München, wo er besonders durch seinen Landsmann und Freund, den Künstler Moritz von Schwind, den Betrachtungen des Mittelalters sich zuwendete und eine poetische Begeisterung für diese Zeit und ihre Kunstwerke faßte, die allein seinen frühern Schriften ihre Eigenthümlichkeit aufdrückt. Nach ein Paar Jahren ging er an den Rhein. In Trier schloß er einen innigen Freundschaftsbund mit Friedrich von Sallet, der von wesentlichem Einfluß für seine Entwickelung war: die nüchtern philosophisch-protestantische Anschauungsweise des Dichters des „Laienevangeliums“ wirkte reformatorisch auf Duller’s mittelalterliche Sympathieen. In Düsseldorf war er im vertrauten Umgange mit Immermann und Grabbe (später auch mit Ferd. Freiligrath und G. Kinckel), wo er sich als Mitarbeiter an mehreren Zeitschriften eine Zeit lang hauptsächlich den ästhetischen Interessen widmete, immer bemüht „deutsche Art und Kunst“ zur verdienten Geltung zu bringen. In Frankfurt begründete er eine der trefflichsten Zeitschriften: „der Phönix.“ Freiligrath durfte in seinem „Bannerspruch“ dazu mit Recht singen:

Da war kein Schelten und kein Toben,
Und keiner eitlen Rede Brunst;
Ich sah ein Band, das war gewoben
Aus Glaube, Freiheit, Wissen, Kunst.

„Das ist das Reich nach dem wir streben;
Und ist auch unser Häuflein schwach:
Wir haben Kämpfer vor und neben
Und immer neue wachsen nach!
Die ganze Menschheit eine Heerde
O nur gerungen und geglaubt!
Es frommt ihr jede Hand breit Erde,
Die der Gemeinheit wir geraubt.“

Die Tendenz dieser Zeitschrift und Duller’s ganzes Wirken ist vollständig mit diesen Worten charakterisirt. Zu seinen Romanen wählte er meist historische, besonders mittelalterliche und nationale Stoffe und ließ so nach einander erscheinen: „Berthold Schwarz.“ „Freund Hain.“ „Der Antichrist.“ „Die Feuertaufe.“ „Ketten und Kronen.“ „Loyola.“ „Kaiser und Papst.“ Seine kleineren Arbeiten erschienen als: „Erzählungen und Phantasiestücke.“ „Geschichten für Jung und Alt.“ und „historische Novellen.“ Auch noch ein Drama schrieb er: „Franz von Sickingen.“ Seine Dichtungen erschienen in: „Die Wittelsbacher,“ ein Romanzenkranz. „An Fürsten und Völker,“ politische Gedichte, gesammelte Gedichte und: „Der Fürst der Liebe.“ Letzteres ist ein Buch, welches durchaus nicht die Würdigung gefunden hat, welche es verdient. Wer aber Duller ganz kennen und verstehen, wer sich in die ganze Tiefe seines reichen Gemüthes, in die ganze Begeisterung dieser aufstrebenden Seele versenken will, der sollte vor allen dies Buch kennen lernen. Es ist eine Gedichtsammlung wie es ihrer Tendenz nach keine zweite giebt in der deutschen Literatur, wie es denn keinen zweiten Duller giebt! Und dieses Buch ist ganz er selbst. Die erhabenste Begeisterung der Wahrheit und Liebe redet daraus. Nicht gerade daß wir all den darin enthaltenen Gedichten einen poetischen Werth ersten Ranges einräumen möchten, obwohl ihn viele besitzen, allein dem ganzen Buch gebührte der erste Rang unter einer Gattung von Büchern, die freilich von Vielen für ganz überflüssig gehalten, von Tausenden aber dennoch begehrt und in Ermangelung besserer Erzeugnisse unter den schlechteren gesucht wird, so daß den schädlichen Einflüssen derselben durch diesen Mangel Thor und Thür geöffnet ist – ich meine die Gattung der Andachtsbücher. Die Vornehmen und Feingebildeten lächeln bei diesen Worten, aber wäre nicht das Bedürfniß im Volke und bei den Frauen zumal, mindestens bei den jungen Mädchen, da, nach religiöser Begeisterung, Trost und Ermunterung durch religiöse Schriften – wie anders wäre das Anwachsen der Traktätlein und der ganzen Literatur im Dienst des Mysticismus zu erklären, die diesem Bedürfniß um so eifriger entgegenkommt, als es von anderer Seite gänzlich ignorirt wird? Leopold Schäfer’s „Laienbrevier“ ist vielleicht das einzige derartige Buch für die Gebildeten, das der Fluth pietistischer Bücher gegenübersteht. Es hat mehrere Auflagen gehabt und ist in unzähligen Händen – aber Duller’s „Fürst der Liebe“ zeichnet

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_360.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)