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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

angefangen hatte, urbar zu machen, während Dehart nur Holz für die Dampfboote schlug. Dehart hatte sich ebenfalls einen kleinen Garten hergerichtet, und ein paar Kartoffeln, Kürbisse und Wassermelonen darin gezogen, wonach er gerade ein sogenanntes preemption right beanspruchte und die beiden Nachbarn lebten deshalb eben nicht auf besonders freundlichem Fuß miteinander. Das Alles hätte sich aber vielleicht noch reguliren lassen, wenn Bowley nicht auch sonst ein ungemüthlicher und streitsüchtiger Mensch gewesen, mit dem sich eben nicht auskommen ließ, und die Neckereien zwischen den Beiden hörten deshalb nicht auf.

Ursache genug boten hierzu schon die politischen Ansichten der Beiden; Bowley war Whig, und wir dagegen, Dehart besonders, waren eifrige Demokraten, wobei die damalige Präsidentenwahl, in der die Whigs Alles aufboten, General Harrison in das „weiße Haus“ zu bekommen (was ihnen auch zuletzt gelang) Stoff zu den ergötzlichsten Scenen und Reibereien lieferte. Das ist aber nicht, was ich hier erzählen wollte, denn mehr noch als selbst General Harrison’s Wahl hatte ein „Bienenbaum“ gerade damals, als ich dort eintraf, die Gemüther erbittert, um dessen Eigenthumsrecht sie sich stritten, und der in der That die Ursache eines ernsten Zwistes zu werden drohte.

Dehart hatte denselben nämlich im Februar, und kurz vorher, ehe sich Bowley dort niedergelassen, auf die gewöhnliche, oben beschriebene Weise gesucht, und vielleicht achtzig Schritt vom Ufer des Mississippi in dem starken Ast eines mächtigen Baumwollenholzbaumes, die in jenen Sümpfen besonders groß und stark werden, gefunden und bezeichnet, sich aber damals die Mühe des Umhauens nicht machen wollen, da die Bienen in der Jahreszeit doch nicht viel Honig haben konnten, und sich die Ernte auf den Herbst verspart.

Im Sommer nun war Bowley dorthingegangen, und seine Fenz aufrichtend, brachte er den Baum nicht allein in dieselbe, sondern baute sogar sein eigenes Blockhaus in den Schatten des gewaltigen Baumes, um den herum er alle die übrigen wegschlug, freien Raum zu gewinnen, und schien im Anfang gar nicht auf das Zeichen am Stamm, das ihn als einen gefundenen und in Anspruch genommenen Bienenstock bezeichnete, geachtet zu haben. Dehart dachte auch nicht gleich daran; die ganze Ansiedlung so in seiner Nähe war ihm nicht recht, und wie ihm endlich der bezeichnete Bienenbaum einfiel und er zu Bowley ging, seinen Anspruch darauf geltend zu machen, weigerte sich dieser, irgend ein Recht darauf anzuerkennen. Der Platz war durch das Preemptionsrecht sein, eben so alle Bäume, die darauf standen, besonders aber der, unter dessen Schutz er sein Haus gebaut, und wenn er sich auch sonst nichts daraus machen würde, wie er sagte, daß sein Nachbar auf seinem Lande einen früher gefundenen Bienenbaum fälle, so denke er gar nicht daran, sich den Baum, der ihm Schatten gab, eines lumpigen Eimers Honig wegen, über den Kopf abschlagen zu lassen.

Hiergegen wandte nun Dehart ein, daß er auch gar nicht daran denke, den riesigen Baum zu fällen, nur den Ast wolle er abschneiden, in dem die Bienen ihre Zellen hätten, und der gerade nach der seinem Haus entgegengesetzten Seite hinausstand, wo er ihm weder Schutz noch Schatten geben könne.

Bowley wollte sich aber nicht überzeugen lassen; der Baum war sein und stand neben seinem Hause, und Niemand anderes hatte ein Recht, daran herumzuhacken oder zu sägen; dabei blieb er. Uebrigens erklärte er, Jeden, der ihm etwa mit Gewalt den Honig vor der Nase wegholen wolle – und Dehart hatte allerdings eine solche Drohung ausgestoßen – gerade so zu behandeln, als ob er zu ihm auf Einbruch komme, d. h. ihm eine Kugel durch den Pelz zu jagen. Wir Alle wußten dabei recht gut, daß er den Schutz der Gesetze in diesem Fall auf seiner Seite gehabt haben würde, denn das Recht des bezeichneten Bienenbaums war nur eben ein unter den Ansiedlern selber anerkanntes, und keineswegs vom Staat sanktionirt. Desto mehr empörte uns aber auch die gemeine Handlungsweise des Burschen, und halbe Nächte lang deliberirten wir, auf welche Art wir doch noch unsern Willen – der Bienenbaum war eine allgemeine und Prinzipangelegenheit geworden – durchsetzen, und den Alten prellen könnten, ohne eben zu einem Resultat zu kommen.

Nun war es allerdings noch nicht Herbst, und Dehart’s trösteten sich damit, daß bis dorthin noch Manches geschehen und auch vielleicht ein Weg gefunden werden könnte, den Alten einmal auf kurze Zeit zu entfernen, die nicht unbenutzt hätte bleiben sollen; gerade in jener Woche brachte denn auch Einer der jungen Leute heraus, daß Bowley eine kleine Tour nach Memphis – der nächsten Stadt in Tenessee – machen wolle, dort einige Einkäufe zu besorgen. Denselben Abend aber kam der alte Dehart wüthend nach Haus und erzählte, er habe einen von Bowley’s Negern im Holz getroffen und von diesem erfahren, daß Bowley allerdings morgen Nachmittag mit dem ersten stromabkommenden Dampfboot nach Memphis fahren, vorher aber erst noch – er schwur dabei mit einem kräftigen Fluch, daß das nicht geschehen solle, wenn er es verhindern könne – den Ast mit dem Honig abschneiden und bergen wolle.

Das war die Frechheit zu weit getrieben, nach des alten Hinterwäldlers Meinung, und da uns das Feuer also auf den Nägeln brannte, denn bis morgen früh war kein langer Zeitraum mehr, beschlossen wir, das Aeußerste daran zu setzen, und noch in dieser Nacht dem alten Geizhals den Honigast vor der Nase und über dem Hause fortzuholen. Bob, der älteste Sohn Dehart’s, besonders war Feuer und Flamme darauf und schwur, er wolle den Ast haben und wenn er den alten Schuft von einem Whig das Haus über dem Kopf anzünden oder ihm eine Kugel durch das zähe Hirn jagen müsse – und er wäre es auch vielleicht im Stande gewesen.

Gleich nach Sonnenuntergang machten wir uns fertig, denn selbst die Neger auf dem Platze sollten über Tag keine Ahnung davon haben, was wir vorhätten, mögliche Klatschereien und eine Vereitlung unsers Planes zu vermeiden. Eine scharfe Säge war hierzu das nöthigste Instrument, und Taue, den Ast, wenn er abgesägt, von dem Baum herunter zu lassen. Unsere Büchsen luden wir übrigens ebenfalls, fest entschlossen, einen etwaigen Angriff zurückzuweisen, und trugen dann Alles, etwa zehn Uhr Abends, und wie wir darauf rechnen konnten, daß Bowley mit den Seinen schlafen gegangen, in das Boot hinunter, lösten das Tau und ruderten mit umwickelten Riemen stromauf.

Bob Dehart kannte hier jeden Fußbreit Landes, wie auch den Baum selber, in dessen Ast sich die Bienen befanden; ja, war früher sogar schon ein paar Mal hinaufgeklettert, darnach zu sehen, und leitete auch jetzt das ganze Unternehmen, bei dem sich übrigens der alte Dehart nicht betheiligte. Wir waren auch genug Menschen; vier junge Burschen, die sich den Henker um eine Gefahr kümmerten, wenn sie nur einen Spaß dabei hatten, und das Einzige, was uns noch besorgt machte, waren zwei starke Hunde, die Bowley an seinem Hause hielt, und die allerdings nicht laut werden durften, wenn sie uns nicht den ganzen Plan verderben sollten. Bob kannte die aber ebenfalls genau, denn da er fortwährend mit seiner Meute hier durch den Wald jagte, waren die beiden Hunde sehr oft zu ihm gekommen, ihn Tage lang zu begleiten und einmal Fleisch zu fressen, das sie zu Hause wenig genug bekamen. Bowley jagte nie, und war auch zu geizig, oft zu schlachten.

Für die Hunde lag deshalb auch ein Vorrath Fleisch im Boot und Bob sollte damit vorangehen, sie erst einmal vor allen Dingen zu beruhigen. Das glückte und auch besser, wie wir eigentlich hoffen durften. Wir legten unter der steilen Uferbank mit unserem Boote an, landeten Bob und warteten unten, bis uns sein Zeichen, der vorsichtig nachgeahmte Ruf des Whip poor Will, die Versicherung der einen beseitigten Gefahr gab.

Langsam und selbst das geringste Geräusch vermeidend, betraten wir jetzt gerade dort das Ufer, wo Bowley ebenfalls ein Boot befestigt hatte, das leer und leicht auf dem Wasser lag. Eine Verfolgung damit, im ungünstigsten Fall der Entdeckung, wäre möglich gewesen, und wir beschlossen deshalb, nach kurz gehaltenem Kriegsrathe, es, wenn auch nicht zu beschädigen, doch unbrauchbar für den augenblicklichen Bedarf zu machen. Den Rand desselben daher an der einen Seite niederpressend, bis das Wasser hineinlief, ließen wir es füllen und krochen dann, darüber beruhigt, so leise und vorsichtig als möglich die Uferbank hinauf, wo uns Bob ungeduldig erwartet hatte. Die beiden Hunde lagen neben ihm und als sie bei unserer Ankunft knurren wollten, streichelte und beschwichtigte er sie.

Ohne weiteren Zeitverlust schlichen wir uns jetzt dem Baume zu; das Wetter begünstigte uns ebenfalls, denn es fing an zu regnen und der Wind heulte durch den Wald; nur Bob hatte jetzt die schwerste Arbeit, den mächtigen Stamm zu erklettern und den Ast oben, den er allein so genau wußte, durchzusägen und niederzulassen. Hierbei half ihm übrigens vortrefflich eine lange dünne

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