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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

nennt solche stickstoffhaltige Körper, welche, indem sie selbst in Zersetzung begriffen sind, auch in anderen die Zersetzung vermitteln, Fermente (wie die Hefe). Diese Fermente verlieren aber nach und nach diese zersetzungerregende Kraft und gehen endlich durch eigene Zersetzung zu Grunde. Es bilden sich bei der Fäulniß zuletzt hauptsächlich Kohlensäure, Kohlenwasserstoffgas, Wasser, Ammoniak, Schwefel- und Phosphorwasserstoffgas. Anstatt der Asche bleibt eine dammerdige Masse als festes Ueberbleibsel zurück. Die Verwesung ist die Zersetzung unter reichlichem Zutritt von atmosphärischem Sauerstoff und die Produkte dieses Prozesses sind hauptsächlich Kohlensäure und Wasser, neben erdiger Asche. Bei der Verwesung von Pflanzensubstanzen findet bisweilen eine so schnelle und heftige Sauerstoffaufnahme statt, daß es zu einer bedeutenden Wärmeentwickelung, ja bis zur Selbstentzündung kommen kann (z. B. bei feuchtem Heu und Mehl). Vermoderung nennt man den Zersetzungsprozeß, bei welchem der Luft- und Wasserzutritt nur mangelhaft vor sich geht. Einem solchen Prozesse sind z. B. die unter der Erdoberfläche verschütteten organischen Körper nicht selten unterworfen. Auch hier bildet sich schließlich hauptsächlich Kohlensäure und Wasser, sowie Moder. – Die Gährung ist wie die Fäulniß, Verwesung und Vermoderung ein der Verbrennung ähnlicher langsamer Zersetzungsprozeß, dem aber nur einzelne organische Substanzen, wie Stärke, Zucker, Alcohol und Milchsäure, unterworfen sind. Die Bedingung, unter denen die Gährung zu Stande kommt, sind wie bei der Fäulniß: Wärme, Wasser und atmosphärische Luft, sodann aber auch noch ein Ferment (Hefe). Von dem Grade der Zersetzung dieses Fermentes hängt die Art der Gährung ab; die zuletzt übrig bleibenden Stoffe sind bei dieser Art der Zerstörung ebenfalls Kohlensäure und Wasser. Die Stärke kann eine Zuckergährung eingehen (sich in Stärkezucker verwandeln), wie dies beim Keimen des Getreides (beim Malzen) mit Hülfe eines Fermentes (Diastase genannt) und im menschlichen Körper mittels des Speichels der Fall ist. Die weinige oder geistige Gährung, deren Produkt Alcohol ist, kommt bei Wärme und unter Zutritt von atmosphärischer Luft in Flüssigkeiten zu Stande, welche Zucker und ein Ferment enthalten. Bei der Verbrennung des Zuckers durch den Sauerstoff bildet sich hier aus dem Zucker Alcohol und Kohlensäure. Die letztere entweicht und deshalb ist es gefährlich, sich in solche Räume, wo Stoffe die weinige Gährung erleiden, ohne Vorsicht zu begeben. Das die Gährung bedingende Ferment erzeugt sich entweder in der Flüssigkeit selbst durch Fäulniß von Eiweißsubstanzen (wie bei der Weinbildung) oder wird als solche (Hefe) zugesetzt. Auf der geistigen Gährung beruht die Herstellung aller geistigen Getränke. Die saure oder Essiggährung besteht in der Verwandlung des Weingeistes in Essigsäure durch den Sauerstoff der Luft, wobei sich neben der Essigsäure auch noch Wasser bildet. Die Milchsäuregährung kommt vorzugsweise in einer Milchzucker enthaltenden Flüssigkeit zu Stande und das Produkt dieser Gährung, die Milchsäure, kann sich durch weitere Gährung, in Buttersäure verwandeln. – Ehe durch diese Zersetzungsprozesse die vollständige Auflösung organischer Substanzen (in Kohlensäure, Kohlenwasserstoff, Wasser und Ammoniak) vor sich geht, erzeugen sich gewöhnlich im Verlaufe der Zerstörung vorher noch Substanzen, die für uns von größerer oder geringerer Wichtigkeit sind, wie z. B. Dammerde, Torf, Kohle, Alcohol, Essigsäure u. s. w.

Forschen wir nun nach, wo die beim scheinbaren Vergehen der Körper sich bildenden luftförmigen und festen Stoffe hinkommen, so findet sich, daß dieselben stets zur Zusammensetzung anderer, vorzugsweise organischer Körper verwendet werden, so zwar, daß die einen Stoffe in diese, andere in jene Körper aufgenommen werden, nicht aber alle zusammenbleiben und zu einem einzigen neuen Körper wieder zusammentreten. Eine derartige Verwandlung existirt in der Körperwelt nicht. – Der Pflanze sind für ihr Bestehen: Wasser, Kohlensäure und Ammoniak, sowie bestimmte Salze, unentbehrlich, sie erhält diese ihre Nahrungsstoffe theils durch die Verwitterung von Gesteinen, theils in Folge der Verbrennung, Fäulniß oder Verwesung und Gährung organischer Substanzen. Deshalb geben ja eben faulende pflanzliche, thierische und menschliche Stoffe gute Düngungsmittel ab und es würde das Verbrennen menschlicher Leichen, sowie das vereinzelte Begraben derselben ohne Särge insofern von großem Vortheile für die Menschheit sein, weil alsdann die Zersetzungsprodukte unseres Körpers das Gedeihen solcher Pflanzen befördern würden, die dem hungernden Armen eine reichlichere und bessere Nahrung geben könnten, als er jetzt genießt. Ist es nicht erhebend, wenn wir Bestandtheile unseres Körpers nach dem Tode in Pflanzen und Früchte übergehend wissen, die unsere Mitmenschen vor dem Hunger schützen, oder wenn ein Freund Stoffe, die unserm erstorbenen Herzen entstammen, in dem Vergißmeinnicht wiederfindet, das auf unserer Grabstätte blüht?

B. 




Russischer Krieg. – Afrikanisches Friedens-Oel.

Wie der Krieg manche Lichter ausputzt, ist nicht schwer zu begreifen. Der Talg wird theuer und die Sache ist gemacht. Wie aber derselbe Krieg in Afrika das Oel des Friedens unter Sklaven gießt und sie zur Freiheit und Civilisation ruft, bedarf einer weiteren Beleuchtung, um diesen großen Prozeß in seiner ganzen Größe zu übersehen.

Rußland war der Talg-, Lichter- und Seifenlieferant für Europa, besonders für England, welches in den letzten sechs Jahren 7,654,908 Centner Talg aus russischen Häfen erhielt. Der Krieg hat diese Zufuhr abgeschnitten, so daß in England Licht und Seife bereits über das Doppelte gestiegen sind und die russischen Talg-Producenten in Gefahr kommen, in ihrem eigenen Fette zu ersticken. Die ungeheueren Massen Rinder und Ochsen, welche in den großen Steppen Südrußlands weiden, sind für ganze Gegenden, Städte und Häfen fast die einzige Lebensquelle, insofern sie den Talg davon verkaufen können. Aus dem großen Vorrathe in den Steppen werden regelmäßig Heerden eingefangen und in die Salgans oder Talgfactoreien zur Mast getrieben. Sind sie fett genug, werden sie hundertweise geschlachtet und, nachdem die gröbsten Knochen herausgehackt sind, in Stücken zerhauen und in ungeheuern Kesseln ausgekocht. Die Kessel sind so fabelhaft groß, daß 12, 15 – 20 Ochsen auf einmal darin ausgekocht werden können. Die verschiedenen Abrahmungen den Talgs geben verschiedene Qualitäten, die in Fässer gepackt und in den Häfen an große Exporteurs verkauft werden. Man denke sich die Folgen des Krieges, wenn Millionen Zentner Talg und unzählige Wispel Getreide nicht durch Ausfuhr verwerthet werden können! Die Folgen sind auch für Europa nicht erfreulich, aber das weiß sich schon mit Amerika und Afrika zu helfen. England ist so zu sagen über den Berg und hat vor Beginn des Krieges schon Talglichter machen gelernt, ohne einen Tropfen Talg oder sonst thierisches Fett dabei zu verwenden.

Die Stearinlichter und Palmölkerzen sind im Allgemeinen bekannt, doch werden hier einige chemisch-technische Bemerkungen nicht überflüssig sein, weil es dadurch klarer wird, wie der russische Krieg die Sklaven in Afrika befreit.

Bis vor wenigen Jahren wurden in der von den Vorvätern ererbten Weise Talglichter gegossen, für die Reicheren von Wachs und Walrath. M. Chevreul, der ausgezeichnete französische Chemiker, fing aber 1811 an zu fragen und zu untersuchen, ob die Flamme des Talglichtes die ganze Substanz verzehre und nicht vielleicht etwas darin sein könnte, was den Verbrennungsprozeß und die Leuchtkraft eher störe, als fördere. Nach dreijähriger Untersuchung entdeckte er zuerst eine chemische Substanz im Talge, die er „margarische Säure“ nannte, später die „ölichte Säure“ und 1814 die „stearische Säure“ oder Stearin. Alle diese drei Säuren verbrennen, aber eine vierte, mit der sie im Talge chemisch verbunden sind und die er Glycerin nannte, erwies sich als unverbrennlich. Einige Jahre nach diesen Entdeckungen schlug Gay Lussac dem Entdecker vor, eine industrielle Anstalt für Fabrikation von margarischen und stearischen Lichtern (aus Talg, welcher von dem unverbrennlichen Glycerin befreit war) zu gründen. Beide Chemiker gingen nun mit ihrem Patente an’s Werk, aber da Niemand zweien Herren dienen kann, machten die großen Männer der Wissenschaft an sich die Erfahrung, daß sie der Welt auf industriellem

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