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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

verrückt sein wie sie will, in den Kopf gesetzt, so ruht er auch so leicht nicht, bis er seinen Willen erreicht hat, koste das nun auch was es wolle. Dazu war mein Gefährte ein wirklich schöner, frisch aussehender Mann mit blondem vollen Haar, wie es die Türkinnen so sehr lieben sollen, Guineen zur Bestechung aller Hüter und Hüterinnen standen ihm auch hinreichend zur Verfügung, und so erreichte er doch endlich seinen Willen. Eine alte Kupplerin, wie sie bei den Türken zum Abschließen der Heirathen gewöhnlich gebraucht werden, hatte er sich durch Gold gewonnen, daß sie der schönen Geliebten die Gefühle seines Herzens offenbare, was durch einen, von der kundigen Frau gewundenen Blumenstrauß geschah. Mastik in Körnern, war in diesem Strauße angebracht und nach der türkischen Blumen- und Zeichensprache soll dies bedeuten, „ich sehne mich nach Dir,“ dann eine Aloe, was „Arznei für das Herzweh“ und ein Kleeblatt „ich liebe Dich unendlich“ bedeuten soll. Uebrigens soll die Bedeutung dieser Blumen, auch nach der Stelle, die sie im Strauße einnehmen, verschieden sein, und es förmlich eine große Geschicklichkeit erfordern, einen gut gewählten derartigen Strauß, der dann freilich auch die Stelle eines Billet-doux bei uns vertritt, zu binden.

Das erste Mal kam die alte Vermittlerin ziemlich betroffen zurück und brachte als Erwiderung nur eine kleine Staude Salat, was nach ihrer Verdollmetschung so viel heißen sollte, als „weiche von hinnen, Du Störer meiner Ruhe.“ Freilich ein böser Anfang, der leicht einen Andern, der weniger starrköpfig wie der Engländer war, hätte zurückschrecken können. „Ich kenne das schon, die Frauen in der ganzen Welt sind kokett und wollen nur gebeten sein“ meinte er in seiner unerschütterlichen Ruhe und gab dem alten Weibe Befehl, wieder einen andern Strauß, der wo möglich noch inniger wie der erste war, zu binden, und zu der Spröden hinzutragen. Jetzt nahm dieselbe einen kleinen Porcellanbecher, der ausdrücken sollte: „Es giebt keine Houris im Paradiese so schön wie Du,“ goß Weinessig darein, was hieß: „Erbarme Dich meiner,“ dann eine Hyacinthe, „ich weine, Du lachst“ und befestigte schließlich noch eine kleine getödtete Spinne im Kelche derselben, „ich liebe Dich bis zu meinem Tode.“ Das war doch schweres Geschütz auf das Herz der armen Türkin abgeschossen, und wenn dasselbe sich jetzt nicht auf Gnade und Ungnade dem kühnen Engländer ergab, zeigte es sich in der That uneinnehmbar. Wenige Stunden, bevor ich abreiste, erhielt der ungeduldig harrende Liebhaber aber durch die alte Frau, die jetzt sehr vergnüglich schmunzelte, denn er hatte ihr zehn Dukaten als Lohn versprochen, wenn sie ihm wirklich ein Rendezvous vermittelte, von der Türkin einen Strauß Mandelblüthe, „ich weine, weine auch Du,“ eine Bohnenblüthe, „nimm und behalte mein Herz;“ und dazwischen ein Stücklein Spiegelglas, „komm in mein Haus“ zugeschickt, und hatte so wenigstens den ersten Theil seines Wunsches schon erreicht. Das Rendezvous selbst, was eine ziemlich gefährliche Sache war, sollte durch Vermittlung der alten Kupplerin im Garten des Türken, wenn die Nacht erst ihren dunklen Schleier ausgebreitet hatte, stattfinden. Was nun weiter aus der Sache geworden und ob mein kühner und beharrlicher Freund seine Wünsche in jeglicher Hinsicht erfüllt gesehen hat, vermag ich nicht zu berichten, denn ich bin darüber von Varna abgereist. Mit dem Leben ist er übrigens davon gekommen, so viel ist gewiß, und soll jetzt auf einem Schiffe in der Flotte des „Sir Charles Napier“ auf der Ostsee schwimmen. Solches heimliche Eindringen in die Harems soll von Europäern häufig geschehen, aber doch immer eine ziemlich gefährliche Sache sein und mancher Franke dabei schon verschwunden sein, ohne daß man je über sein ferneres Schicksal wieder etwas erfahren. Eine türkische Behörde wird nie dazu zu bewegen sein, eine Untersuchung, oder gar eine Bestrafung zu verhängen, wenn ein Türke einen solchen Eindringling in seinen Harem auf der Stelle tödtet, und selbst der Einfluß des englischen Gesandten, so allmächtig dieser sonst auch jetzt in der Türkei ist, würde schwerlich dies durchsetzen können. Mich amusirte übrigens, wie ich nicht leugnen kann, dies verliebte Abenteuer des englischen Offiziers ungemein, und gab mir vielfachen Stoff zum Lachen. War es doch ein kleines ergötzliches Intermezzo in dem sonst so langweiligen Varnaer Aufenthalt.

Große Unruhe aller Art werden wohl jetzt die französischen Truppen den eifersüchtigen Türken in dieser Beziehung machen, und es wird gewiß an derartigen Abenteuern nicht fehlen. Können es doch in Algerien, obgleich in den Städten daselbst wahrlich mehr Ueberfluß wie Mangel an schönen und überaus gefälligen Frauen ist, die französischen Offiziere nicht unterlassen, Intriguen in den Harems anzuknüpfen, wenn so etwas auch durch besondere, oft wiederholte Befehle noch so strenge von dem Gouvernement untersagt wird. Die Studien, die sie mit gutem Erfolg in dieser Beziehung schon auf algerischem Boden begonnen, werden die lustigen und gewandten Offiziere und Soldaten der Chasseurs d’Afrique, Zouaven und der andern Korps auch in der Türkei ganz gewiß fortzusetzen versuchen. Was wird noch mancher strenggläubige, eifersüchtige Türke alle diese windbeuteligen, leichtfüßigen fremden Gäste, die zwar mit Vergnügen für ihn kämpfen, aber eben so gern auch seine Frauen küssen und mit gleicher Lust ein russisches Quarré wie einen wohlbewachten Harem angreifen, verwünschen! Fest bin ich überzeugt, an verdrießlichen Scenen aller Art wird es in dieser Beziehung nicht fehlen und wenn die französischen Oberoffiziere auch noch so strenge Befehle dagegen erlassen, die nun einmal angeborne Neigung zu galanten Intriguen und Abenteuern wird bei ihren Untergebenen nicht zu unterdrücken sein.

Sechs Tage hatte ich in Varna verweilt, und manches Interessante dort gesehen, dann schlug die Stunde der Abreise und ich kann nicht leugnen, daß ich mich im Allgemeinen darauf freute, die Türkei möglichst bald wieder im Rücken zu haben. Mit Dampf kann man auch von Silistria aus die Donau schnell stromaufwärts fahren, obgleich es etwas langsamer wie stromab geht, und als erst die langweilige Quarantaine, wenn schon dieselbe auch jetzt sehr verkürzt ist, überstanden war, kam ich in wenigen Tagen wieder in völlig andere Gegenden, und bewegte mich in Kreisen, die gar wenig Ähnlichkeit mit denen hatten, welche ich so eben verlassen.[1]

Julius v. Wickede. 

  1. Von unserm Correspondenten erhalten wir aus Varna noch folgende kurze Mittheilungen, die wir dem größern Artikel gleich anhängen: „Als die Franzosen und Engländer vor Kurzem in die Straßen von Varna kamen, fanden sie alle Häuser und Läden fest verschlossen. Man mochte die Russen von 1829 noch nicht vergessen haben und traute offenbar den jetzigen Freunden und Hülfstruppen nicht. Ein gefährliches Spiel den Soldatenmassen gegenüber, die am Ende mit Gewalt nehmen, was sie nicht für ihr Geld freiwillig bekommen können. Wenigstens stahl ein englischer Soldat gleich am ersten Tage etwas in einem Bazar. Er wurde bei der Gurgel genommen und von den beleidigten Türken tüchtig geschüttelt, bis die Wache kam und ihn in Empfang nahm. Schon nach einer Viertelstunde kam ein Korporal mit einem Dollmetscher, ließ sich die Umstände erzählen und versicherte, daß der Dieb exemplarisch bestraft werden solle. Dies flößte wieder Vertrauen ein, so daß sich mehrere Läden öffneten. Freilich kamen dann die englischen Soldatenweiber, welche auf die unverschämteste Weise in den feilgehaltenen Sachen herumwühlten und für ihre knappen Gelder alles Mögliche haben wollten. „Alle diese Weiber müssen gehangen werden,“ rief ein lediger Dragoner, indem er auf eine Heerde dieser Weiber zeigte, welche in dem unanständigsten Aufzuge durch die Straße lärmten. Wie nett und anständig sehen dagegen die französischen Marketenderinnen aus! Sie tragen das malerische, soldatenmäßige Costum ihres Standes offiziell, wie eine Uniform, stehen unter guter Disciplin und haben dafür den Sold eines Sergeanten außer dem Profite von ihrem Handel. Selbst die häßlichen bulgarischen Frauen und Mädchen, die hier und auf den Dächern und in Seitenstraßen sichtbar wurden, schienen Aergerniß an der Frechheit und Liederlichkeit der englischen, freien Soldatenweiber zu nehmen. Das Lager, welches die Engländer am 1. Juni erreichten, ist in einer Ebene unweit des großen See’s hinter der Stadt aufgeschlagen, zwischen Gesträuch und Gehölz. Das Wasser des See’s ist nicht zu gebrauchen, da es voller Leben und besonders voll von großen Blutegeln ist, so daß alles Wasser von den Brunnen und Quellen der Stadt geholt werden muß. Man wollte das Lager etwa drei Stunden weiter landwärts verlegen in die Nähe eines Dorfes Devno. Die Cavallerie, das 8. Husarenregiment und 4 Kanonen Artillerie liegen der Stadt am Nächsten. Dann kamen die Rifle-Brigade, die Füsiliere, das 7., 19., 88. und 77. Regiment. Das Lager, sehr compact und eng gebaut, bedeckte etwa eine englische Meile. Die Soldaten bekamen gute Lieferungen, doch wurden sie sehr rebellisch über Mangel an Salz, Pfeffer, Porter und Ale, woran sie sich während eines vierzigjährigen Friedens stark gewöhnt haben. Die Apotheke war gleich mitgekommen, aber die Tonnen Ale und Porter schlummerten noch in den unterirdischen Räumen der Kasernen von Scutari, so daß sich mehrere Soldaten, zwischen Blutegel und Varnabrunnenwasser erkrankt, Medizin verschreiben ließen, nur um kein Wasser trinken zu müssen. Am 2. Juni kam auch das französische Schraubendampfschiff „Caton“ mit dem General Conrobert und ein großer Kriegsdampfer mit dem 7. Regiment, dessen Musikcorps die Engländer mit „God save the Queen“ freundschaftlich anblies. Abends und die folgenden Tage wurden noch mehr französische Soldaten, Waffen und Mundvorräthe erwartet. Das Lager der Franzosen ist links vom englischen und sieht viel straffer und imposanter aus, als das englische. Omer Pascha hat für die nöthigen Vorräthe von Wagen und Ochsen gesorgt. In Reihen von Hunderten halten sie vor den Magazinen mit kleinen Armeen haariger, wilder Waldmenschen mit Buffalostacheln (einer Art Spieß zum Antreiben der Ochsen) in den Händen, jeden Augenblick der Befehle der Proviantmeister gewärtig. Die Cavallerie,
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