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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

No. 25. 1854.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 11/2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 121/2 Ngr. zu beziehen.

Das Haus am Meeresstrande.
Eine pommersche Geschichte von Oswald Tiedemann.
(Fortsetzung.)

Ein Geräusch hinter ihm, den Weg entlang, den er gekommen war, schreckte ihn auf. Er blickte zurück, eine dunkle Röthe stieg ihm in’s Gesicht, unwillkürlich ging er weiter. Er wurde von dem Manne, der das Geräusch verursacht hatte, beobachtet. Es war der schwarze Kreuzwirth. Er verfolgte den Junker mit seinen Blicken, bis dieser in das Haus des Claus Schilder trat, dann kehrte er um, den Weg nach dem Dorfe zurück.

Sonderbar und beklommen war dem Junker doch zu Muthe, als er die Thüre des Hauses öffnete, aber er wagte nicht umzukehren, denn er fürchtete, dem Kreuzwirth zu begegnen. – Bei seinem Eintritt blickte der alte Soldat verwundert auf. Er saß am Herdofen, blies große Rauchwolken aus seiner irdenen Pfeife von sich, und erhob sich diesmal gegen seine Gewohnheit nicht von seinem Sitze. Neben ihm stand Katharina und schürte im Feuer, an dem ein Topf mit Kartoffeln brodelte. Einige Fische, das gewöhnliche Mittagsmahl, hatte sie soeben in einer hölzernen Schüssel zurecht gemacht. – Sie sah, obwohl etwas bleich und angegriffen, ruhig wie immer aus, und zeigte auch jetzt keine Ueberraschung, als der Junker in’s Zimmer trat und seinen „Guten Morgen“ stammelte.

Mürrisch erwiederte der Alte den Gruß, Katharina dankte gar nicht. Das Blut schoß dem Junker zu Kopfe.

„Nun“, rief er mit dem alten Trotze, „steht es der Jungfer nicht an, zu danken, wenn man grüßt?“

Er erhielt keine Antwort.

Es kochte in ihm; er vergaß Alles, wodurch er noch gedacht hatte, der Hindernisse ungeachtet, ihre Liebe zu erwerben, und zornig fuhr er fort: „Dirne, wenn Du nicht gutwillig antworten willst, so werd’ ich es Dir befehlen!“

„Halt, Herr!“ – Der alte Soldat stand auf, legte die Pfeife auf die Bank und wandte sich gegen den Junker: „Mit Verlaub, das ist mein Zimmer. Ich habe nicht viel Lust mit Ihnen zu reden, ich fürchte die Galle und weiß auch, daß es sich am Ende der Mühe nicht lohnt. Sind Sie nur hergekommen, um uns auf’s Neue zu berücken, mich und meine Tochter, so möcht’ ich Ihnen doch rathen, sich so bald wie möglich hinauszuscheeren, wenn Sie nicht wollen, daß ich von meinem Hausrecht Gebrauch mache!“ –

„Alter Graukopf!“ schäumte der Junker, „ein Mensch, nicht besser, wie ein Bettler, der im Straßenkoth die Lumpen aufsucht, der froh sein muß, daß man ihn irgendwo duldet, Du erfrechst Dich eines solchen Tons gegen den Sohn Deines Herrn? Sieh’, noch ein solches Wort und ich schlage Dir, so wahr Gott lebt, in’s Gesicht!“ –

„Ihr?“ – Dem Alten schwoll die Stirnader, rasch warf er den Rock ab und streifte die Hemdärmel auf. „Ihr, Junkerlein? Ich habe keinen andern Herrn, als Gott und den König. Ich habe diesem treu gedient durch viele Jahre, ich bin in Ehren und in Schlachten grau geworden, während Ihr noch in der Wiege pfiffet; Herr, so etwas, wie Ihr, sagt mir keiner ungestraft.“

Er wollte sich auf den Junker werfen, der seinerseits, blind vor Wuth, das Gewehr erhob und mit dem Kolben ausholte – Katharina sprang rasch zwischen Beide. Geschickt erfaßte sie den Junker am Arm und mit behender Kraft entrang sie ihm das Gewehr.

„Doppelter Mörder!“ rief sie ihm dabei zu. „Hinaus! Augenblicklich! Oder, ich schwöre es, so wahr Gott lebt, wenn Du zauderst, ich schieße Dich über’n Haufen!“ – Sie hielt ihm die Mündung des geladenen Gewehrs entgegen. – Er zitterte am ganzen Körper, seine Lippen wurden blau, sein Gesicht fahl und aschgrau, sein Blick irrte angstvoll umher, rückwärts, mit vorgestreckter Hand, bewegte er sich zur Thür hinaus. – Katharina kam ihm langsam nach und warf ihm dann in einiger Entfernung das Gewehr wieder zu. – Mit eiligster Hast raffte er es auf, gleichsam als fürchte er eine Erneuerung des eben erlebten Auftritts, unterließ aber dabei nicht, seinem Hunde, der während desselben draußen geblieben war und jetzt hinzugesprungen kam, einen derben Fußtritt zu geben, daß dieser heulend und winselnd sich am Boden krümmte. – Ohne zurückzusehen schlug der Junker den Weg nach dem Schlosse ein. Sein einziger Gedanke war fortan nur Rache. An einer Biegung begegnete er Rudolf. Höhnisch rief er ihm im Vorübergehen zu: „Ei, wohin, Herr Maler? Und so nachdenkend, daß Sie Einen fast überlaufen? Vermuthlich zu der schönen Verlobten. Nun, ich wünsche Ihnen Glück, wenn davon die Rede sein kann. Ich meinerseits würde mich bedenken, da anzubeten, wo mir ein Anderer bereits zuvorgekommen ist. Nun, über Geschmackssachen läßt sich nicht streiten. Manche lieben die schon betretenen Wege.“ – –

Rudolf antwortete nicht, kaum daß er ein wenig aufblickte. Er war in einem Zustande der Versunkenheit, sein Herz so schwer belastet, daß er selbst gegen diese grobe Beleidigung gleichgültig blieb; kam sie doch überdies aus einem Munde, den er verachtete. Er ging weiter und trat ohne Zögern über die Schwelle des Hauses am Meeresstrande. – Wenn er Katharina mit größerer Aufmerksamkeit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_285.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)