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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

No. 23. 1854.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 11/2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 121/2 Ngr. zu beziehen.

Das Haus am Meeresstrande.
Eine pommersche Geschichte von Oswald Tiedemann.
(Fortsetzung.)

„Und doch,“ entgegnete Rudolf vollkommen ruhig, „haben Sie Ihre edlen Gesinnungen noch tiefer herablassen wollen. Ich war ein unfreiwilliger Zeuge Ihrer Anträge gegen meine Verlobte, die nur die Tochter eines ehemaligen Unteroffiziers, die Enkelin eines Bauern ist.“

Der Junker wurde sichtlich verwirrt und wagte nur von der Seite nach Katharina zu blicken. Er suchte sich zu verbessern: „Die Schönheit ist überall von Adel; ich sprach von den Männern.“

„Wie gut Sie aber immer zu unterscheiden wissen,“ bemerkte Rudolf, „haben Sie auch an der Tochter des Kreuzwirths gezeigt. Sie war sein einziges Kind und starb in der Blüthe ihrer Jahre.“

Feuerroth überfloß es das Gesicht des Junkers, er erhob die rechte Hand zum Schlage. Ruhig stand ihm der Maler gegenüber; das Auge Katharina’s blitzte, und rasch trat sie zwischen Beide. Sie sprach nicht, aber sie schien größer zu werden, wie gebietend streckte sie den Arm gegen den Edelmann aus.

„Was mengst Du Dich in unsern Streit?“ rief ihr derselbe zu. „Sei nicht vorwitzig, Katharina, es könnte auch Dich gereuen.“

Katharina ließ den erhobenen Arm langsam sinken und sagte: „Kann ich ruhig zusehen, gnädiger Herr, wenn Ihr meinen Bräutigam entehren wollt? Ich habe von meinem Vater immer sagen hören, daß ein Schlag die größte Entwürdigung ist. Ich versteh’s nicht recht, denn ich bin ein Weib und mich wird Niemand schlagen, aber ich glaube, mein Vater hat recht. Schon wie ich es sah, daß Ihr den Arm ausstrecktet, zitterte ich, nicht aus Furcht, daß Rudolf verletzt würde, nein, es war mir, als durchzuckt’ mich etwas Entsetzliches. Ich haßte Euch in dem Augenblicke, nun ist es wieder vorüber. Ihr sagt, Ihr wolltet mich nicht beleidigen, ich will’s Euch gern glauben, aber daß Ihr meinen Verlobten beleidigt habt, das ist doch wahr. Rudolf ist gut, er hat es nicht verdient, was Ihr ihm gesagt. Habt Ihr ihm doch nicht einmal seinen Gruß erwiedert, als er aus dem Hause kam. Euer Vater selbst, der auch ein stolzer Mann ist, hätte das nicht mal gethan; es zeigt von wenig gutem Herzen gegen uns Niedrige.“ – Der Junker neigte sich zu ihrem Ohr und flüsterte ihr zu: „Schilt nicht, Katharina, ich war eifersüchtig auf den Maler.“ – Sie erröthete, antwortete aber nicht. Rudolf sah zweifelhaft bald sie, bald Herrn von Riedd an, und wußte nicht recht, ob er sich über seine Braut freuen sollte oder nicht. In ihren Worten lag allerdings das unverholene Eingeständniß ihres beiderseitigen Verhältnisses, aber im Ganzen dünkten sie ihm ohne Wärme; die Leidenschaft der Liebe hätte seiner Ansicht nach erregter gesprochen. Es war ihm, als fürchte sie, den Junker zu kränken, als drücke es ihr das Herz ab, daß sie schon so viel thun mußte. Auch jetzt, wo sie es ruhig duldete, daß Herr von Riedd in seiner Gegenwart ihr etwas heimlich zuflüsterte, beschlich ihn ein neuer Argwohn, und sein Auge suchte halb verlangend, halb schmerzlich das ihrige. Sie blickte ihn ruhig und klar an; er konnte weder die Bestätigung seiner Befürchtungen, noch diese selbst in ihrem Auge lesen. Er wartete, daß sich Herr von Riedd entfernen würde, und um ihn dazu eher zu veranlassen, nahm er Katharina, die es ohne Weigern geschehen ließ, bei der Hand und sagte: „Wir wollen Deinem Vater entgegengehen; Du weißt, er hat es um diese Stunde verlangt.“ –

Der Junker pfiff seinem Hunde, den er mitgebracht, nickte Katharina vertraulich zu und entfernte sich, ohne den Maler auch nur eines Blickes zu würdigen. – Rudolf ließ Katharina’s Hand sogleich wieder fahren und meinte: „ich habe nur eine Ausrede gebraucht. Du bist doch nicht böse?“

„Nein, Rudolf, mir war es lieb, daß der Junker ging; es hätte noch größeres Aergerniß geben können.“

„Und Du sagst nicht, daß ich im Recht gewesen bin? Katharina, Du sagst das nicht?“

„Weiß ich es denn?“ versetzte sie, indem sie ihn auf die Bank vor dem Hause zog. „Ihr habt so rasch und so vornehm gesprochen, daß ich nicht Alles verstanden habe.“

„Und sagte Dir Dein Gefühl nichts? Sahst Du’s in meinem Gesicht nicht, daß ich um Dich litt, daß Du es warst, um die ich mich in den Streit einließ? Es wäre recht weh für mich, Katharina, wenn Du das nicht wüßtest. Du bist klug genug, um uns verstanden zu haben.“

„Was Du aber gleich ernst bist, Rudolf. Ich weiß, daß Du es gut mit mir meinst und Deine Frau will ich werden und keines Andern. Ich sehr es Dir an, Du denkst, ich halte etwas zu dem Junker. Denke, was Du willst, Rudolf, aber nicht schlimm von mir. Meine Mutter hatt’ ich viel zu lieb, als daß ich je ihre Worte vergessen sollte, die mich immer zu dem Besten ermahnten. Auch mein Vater, so rauh und heftig er mitunter ist, hält viel zu viel auf Ehre, als daß ich aus der Art schlagen und ihm Kummer machen sollte. Laß mich gewähren, Schatz, mit dem Junker; Dir schadet’s nichts und mir auch nicht, keiner Seele im Dorf.“

Er wurde zwar keineswegs durch ihre unverständliche Rede beruhigt, sie verstand es aber, durch Liebkosungen recht bald die letzte ernste Wolke von seiner Stirne zu verscheuchen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_261.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)