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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

in welchem Tabakswolken nie endend wirbelten, erfuhr nie den reinen Luftstrom, dessen die Gesundheit bedarf.

Die Existenz der Frau ist stets der Nachsommer dessen, was die Männer sind. Kein Wunder also, daß unsere Schönen nach und nach aufhörten schön zu sein, so wenig dies auch in ihrem Wollen lag. Es war nur die natürliche Folge. Immer mehr bleiche, sieche Kinder wurden geboren und Niemand bemühte sich der Natur jene bessere Gesundheit abzugewinnen, die das einzige wahrhaft ersprießliche Erbtheil des Menschen ist. – Die Aerzte ließen es an Arzneien nicht fehlen; wie manches arme Kind weiß nichts davon zu sagen, daß es nach und nach alle Büchsen unserer Apotheken durchgekostet; aber sie belehrten die Aeltern nicht, worin die Hauptbedingungen zu einem gesunden Dasein zu suchen seien. – Viel besser steht es auch heute nicht.

Bei den Griechen war schön und gut sein gleichbedeutend. Wir haben an die Stelle von Beiden das Wissen gestellt. Unendlich viel wissen, heißt unser Motto. Aber was damit beginnen, gilt uns gleich. Einem überladenen Kopfe geht es, wie einem überladenen Magen; das Zuviel der Nahrung belästigt ihn und bringt kein Gedeihen.

Schön und gut sein könnten auch wir, wenn jede Mutter am Lebensmorgen ihres Kindes diese Worte zu ihrem Wahlspruch machte. Schön und gut sein könnte die Menschheit, sobald die Frauen wollten, daß sie es wäre.

Um aber schön und gut zu sein, bedarf man zuvörderst der Gesundheit; ohne diese ist man Beides sicher nicht, und um gesund zu sein, muß man drei Dinge im Auge festhalten, das Wasser, die Luft und die Nahrung. Die Natur wies den Menschen auf diese, als Bedingungen zu seiner Existenz an, und die ganze Kunst seines körperlichen Wohlbefindens besteht darin, sich diese Dreie im rechten Maaße dienstbar zu machen. Um schön und gut zu sein, muß der Körper täglich eine Wassertaufe erfahren, muß eine Mutter die Mühe nicht scheuen ihre Kleinen von Jugend auf an jedem neuen Morgen von Kopf zu Fuß mit dem belebenden Elemente zu überstreichen, kalt, lau oder warm, wie sie will, im Winter, wie im Sommer, gleichviel, nur ohne Ausnahme muß es geschehen. Um schön und gut zu sein, muß sie ihr Kind täglich in die Luft führen, damit es den zu seiner Existenz nothwendigen Sauerstoff athme, von dem im Zimmer lange nicht genug übrig bleibt, um das kleine Leben gedeihlich damit zu versehen, muß das Schlafzimmer am Tage nicht bewohnt und die Fenster geöffnet sein, damit für die langen Stunden der Nacht ein hinreichender Bedarf an Lebenslust vorräthig sei, und keine faulen Dünste, kein Ueberfluß an Kohlensäure, keine dicke heiße Atmosphäre das Kind in seinem Wachsthum und Gedeihen störe.

Um schön und gut zu sein, bedarf es Drittens einer angemessenen Nahrung, bedarf es eines kleinen Studiums dessen, was nothwendig ist, um die täglich ausscheidenden Stoffe zu ergänzen. Die Frau hat daher nicht nur die Aufgabe den Tisch mit Speisen zu versehen, die dem Wohlgeschmack fröhnen und durch ihre Zubereitung das Auge befriedigen, sie muß auch überlegen, ob sie eine angemessene Nahrung bieten für Jene, welche dieselben genießen sollen. Dem Kinde gegenüber tritt diese Pflicht mit doppelt ernster Mahnung vor sie hin, denn sie mordet in dem Knaben den Mann, in der Tochter die Frau, indem sie sich hier nachlässig beweist. Ohne Phosphor kein Gedanke, ohne Fleisch kein Blut, ohne Sauerstoff keine Wärme. Schönheit und Kraft sind ein Produkt physischer Pflege, und daß nur in einem gesunden Körper eine gesunde Seele wohnt, ist eine uns sprüchwörtlich bekannte Sache, die wir aber leider, wie auch so manchen andern schönen, kernigen Spruch, als bloße Phrase im Munde führen. – Schön und gut sein könnten wir Alle, und schön und gut sein würden wir Alle, wenn unsere Mütter es verstanden hätten uns an Wasser, Luft und Nahrung so viel zukommen zu lassen, wie unsere physische Natur bedurfte, um eine würdige Trägerin unseres Geistes zu sein.

Amely Boelte. 




Blätter und Blüthen.

Die Stereoskopen aus Paris im Hotel de Prusse in Leipzig. Wir sagten neulich bei Gelegenheit der Schwedler’schen Photographien, wie die Naturwissenschaft der Mechanik gelehrt hat: mit dem Blitze zu schreiben und mit der Sonne zu zeichnen. In den vorstehend genannten Stereoskopen hat sie ihr auch gelehrt, zur todten Fläche eines Bildes das Auferstehungswort für Lazarus zu sprechen: „Stehe auf!“ Dies war der Gedanke, der uns bei erster Betrachtung jener Stereoskopen der Herren Beckmann-Wehnert bewegte. Wirklich es war uns, als wenn die aschgrauen Glas- und Silberplatten sich auf ihnen wie kleine Gräber und aus ihnen hervor, in lebensvoller Erscheinung und Bewegung die Gestalten zu uns heranträten, die das Sonnenlicht in sie versenkt hat. Der erste Blick in eines jener Stereoskope ist mit großer Ueberraschung begleitet. Man glaubt die Statuen, die uns daraus hervortreten, wie einen frei vor uns stehenden Körper umfassen, umschreiten zu können; man glaubt durch die hellen Pforten und Bogengänge der architektonischen Bilder hindurchzuschreiten, die Blätter, Zweige und Aeste der landschaftlichen Bilder abbrechen und ihren Schnee abschütteln zu können. Kurz das vollendetste Bild der Farbe oder des Stichels kann keine so lebensvolle Anschauung geben, wie das Bild jener Stereoskopen. Das mechanisch-optische Gesetz derselben ist bei eigener Anschauung der Sache sehr leicht zu erfassen und man wird dann vielleicht weniger durch diese selbst überrascht, als eben durch die außerordentliche Einfachheit der Einrichtung, die uns in wenigen Minuten eine Anzahl der berühmtesten Kunstwerke der Welt so lebensvoll vor das Auge führt. Man wird an das Ei des Columbus denken, wenn man nicht einen weiten Rückblick thut und bedenkt, welche große Entdeckungen und Erfindungen im Gebiet der Naturwissenschaft erst dazu nothwendig waren, um jetzt diese so einfache Einrichtung machen zu können; wie es also auch wieder die mächtige Naturwissenschaft ist, der wir täglich neue Genüsse mannigfachster Art verdanken. – Die Stereoskope der Herren Beckmann-Wehnert sind ebenso mannigfach und interessant in der Auswahl ihrer Gegenstände, als vortrefflich in der Ausführung derselben; eine hohe Ausbildung dieses Kunstindustriezweiges bekundend. Die erste hier vorgeführte Serie bringt die berühmtesten architektonischen und plastischen Kunstwerke aus Paris und Versailles. Später werden die aus England und Deutschland vorgeführt werden, bei welcher Gelegenheit wir dann noch einmal darauf zurückkommen wollen.




Ein Sohn Schamyl’s. Es ist vielleicht nicht allgemein bekannt, daß zur Zeit des Sturms von Achulgo (1839) ein Sohn Schamyl’s als ganz junges Kind von den Russen gefangen und nach Petersburg gebracht wurde, um dort in russischer Weise erzogen zu werden. Einem Gerüchte zufolge wäre es ihm später gelungen aus der Gefangenschaft zu entkommen und sich zum Vater in seine heimathlichen Berge zu flüchten. Wie jedoch aus folgender Notiz hervorgeht, lebt der Sohn des heldenmüthigen Imam noch immer in Rußland, wo man nicht ohne Erfolg bemüht gewesen, ihn zu denationalisiren und in ein geringfügiges Werkzeug der moskowitischen Politik zu verwandeln. „Im Hause des Generals Olenin in Torjok“, schreibt Herr Bulgarin in der Sjéwernaia Ptschelà, „lernte ich neulich den Lieutenant Schamyl kennen, einen Sohn des berühmten Häuptlings der uns feindlichen Bergbewohner. Der junge Schamyl gerieth als Kind in russische Gefangenschaft, wurde im ersten Kadetten-Corps erzogen und dient jetzt im Uhlanen-Regiment des Großfürsten Michael Nikolajewitsch, trägt aber noch immer seine Nationaltracht. Er ist ein äußerst bescheidener junger Offizier, wird von Jedermann geliebt und ist von der leidenschaftlichsten Ergebenheit für Rußland beseelt! In seinem Herzen ist er ein vollkommener Russe, und sein feurigster Wunsch ist, daß seine wilden Landsleute sich dem russischen Scepter unterwerfen mögen.




Der Schirmvogel. Der englische Reisende Wallace hat auch einen neuen Vogel entdeckt, den Schirmvogel, mit dem die Natur die Schirmfabrikanten persifliren zu wollen scheint, indem sie ihnen damit sagt, daß sie längst, ehe die Menschen daran dachten, sich mit Schirmen zu schützen, ihnen diese Erfindung vorgemacht hat. Der Schirmvogel ist so groß wie ein Rabe und diesem auch an Gestalt und Farbe ähnlich, nur ist sein Gefieder mehr bläulich und äußerst glänzend, und wie Wallace hörte, aber sich leider nicht selbst überzeugen konnte, wird er auch mit weißem Gefieder gefunden. Er trägt einen Kamm von zwei Zoll langen Federn, die sehr dick und haarig sind, diese kann er aufspannen, wie einen Schirm, so daß sie seinen Kopf und einen Theil des Rückens bedecken. Auf der Brust hat er einen großen Fleischklumpen, der mit besonders glänzenden Federn versehen ist. Diesen kann er an die Brust drücken, so daß er nicht zu sehen ist oder anschwellen lassen, so daß er den Kopf darin verbergen kann. Der Vogel findet sich nur auf den Felseninseln des Rio Negro, nie auf dem Festlande, ist äußerst scheu und schwer zu schießen. Er lebt von Früchten und stößt einen heisern Schrei aus. Wallace unterschied 25 Species desselben.




Englische Kriegs-Humanitäts-Maßregeln. Die englischen Offiziere höheren Ranges sollen blos blaue Fracks ohne irgend einen Orden im Kriege tragen, damit sie der Feind nicht so gut sehen kann, wie die fuchsbrandroth gekleideten Gemeinen mit ihren ungeheueren Bärenfellthürmen auf den Köpfen. Jeder Soldat hat ein neues Testament geschenkt bekommen. Für die Soldatenkinder zu Hause wird durch besondere Schulen und Unterhaltung derselben bei respectabeln Leuten gesorgt werden. Außer den neuen Testamenten haben die Soldaten, sowohl die Napier’s, als die Dundas’ Schiffsladungen Porter bekommen und soll damit regelmäßig fortgefahren werden. Der Brauer, welcher die Lieferung bekommen hat, hält die orientalische Kriege jetzt für den Segen Europa’s und wird die Anlagen darauf zu jeder Zeit für „verfrüht“ und voreilig halten.

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