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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)


(Kammern) bestehenden Schwanzschraubencylinders erregt nunmehr unsere Aufmerksamkeit. Derselbe zeigt sich zuerst als ein starkes Stück ungeformten Stahls, bis ihn die Maschinen nach und nach schneiden, bohren, poliren und graviren; die gravirten Gegenstände stellen meist Schlacht- und Jagdscenen vor, und ist das Graviren auf mechanischem Wege ein uns von den Amerikanern abgewonnener Vorsprung. Ungleich wichtiger als diese Operationen ist jedoch das Ausbohren der Cylinderkammern, welches die äußerste Sorgfalt erfordert, da die Oeffnungen der Kammern genau auf das Loch des Hauptlaufes passen müssen, um das richtige Losgehen zu ermöglichen.

Die Operationen zur Verfertigung der Schlösser und Ladestöcke sind nicht weniger zahlreich, und zeichnen sich durch gleich sorgfältige Arbeit aus, wie denn überhaupt alle einzelnen Theile mit außerordentlich gleichförmiger Genauigkeit gearbeitet werden, so daß ein und derselbe Cylinder auf alle Läufe paßt, jeder Ladestock für alle Kammern, dieselbe Schraube in jedes Loch, die gleiche Warze für alle Zündhütchen. Das Vortheilhafte dieser Einrichtung, wornach ein vielleicht im Kampfe beschädigter Theil der Pistole, sogleich durch einen andern gleichen Reservetheil ersetzt werden kann, liegt auf der Hand.

Obwohl der Revolver nun eigentlich fertig ist, so sind doch noch einige Dutzend Maschinen da, die er jetzt passiren muß; theils wird er dadurch vollends justirt, theils geglättet und polirt, bei welchen feinsten Arbeiten zuletzt die Menschenhand an die Stelle der Maschinen tritt.

Wenn man aus den obern Stockwerken wieder herabsteigt, betritt man die Werkstätten, wo die Pistolenetuis angefertigt werden, und daneben die Packstube, wo eine wiederholte Prüfung der verschiedenen Theile des Revolvers stattfindet. Mit dieser Prüfung ist es übrigens nicht abgethan, und jeder Revolver muß auf Anordnung der Regierung die Feuerprobe bestehen. Außerdem ist Oberst Colt bei der Fabrikation seiner Waffen so gewissenhaft, daß er selbst jedes einzelne Stück viel härtern Schießproben unterwirft.

Die Zahl der täglich fabricirten Pistolen beläuft sich auf cc. hundert, jährlich etwa 30,000, womit natürlich der Nachfrage weitaus nicht genügt wird. Unsere Abbildung zeigt dem Leser den vollständigen Revolver, die beiden kleinern Zeichnungen das Gerippe des vordern und hintern Theils. Die runden halbschwarzen Punkte in dem Schwanzschraubencylinder der größern Zeichnung zeigen die Lage der Kugeln in den beweglichen Kammern, auf welch letzterer Einrichtung im Wesentlichen das Prinzip der Colt’schen Drehpistole beruht. Wenn die Kammern des Cylinders einmal geladen sind, kann in jeder Sekunde ein Schuß abgefeuert werden; rechnet man hierzu, daß ein Revolver 6–800 Fuß weit trägt, so kann man sich von dieser mörderischen Waffe, deren Einführung in der englischen Armee eifrigst betrieben wird, einen hinreichenden Begriff machen.

Bei dem Etablissement in Milbank sei noch erwähnt, daß viele der Arbeiten von Frauen und Kindern verrichtet werden, was um so eher geschehen kann, als sämmtliche Maschinen sehr klein sind, jede immer nur eine Verrichtung zu bewerkstelligen hat und die Leitung und Beaufsichtigung sehr leicht ist. Man könnte sogar fast sagen, daß die vielen verschiedenen kleinen Maschinen, die insgesammt von der großen Dampfmaschine in Bewegung gesetzt werden, als eine Art Automaten arbeiten, deren Funktionen nur von Menschenhänden geregelt werden. Sämmtliche Werkstätten sind luftig und hell, die unter den Arbeitern herrschende Stille ist jedoch das Anzeichen einer strengen Disciplin. Die Arbeitslöhne betragen von zwei bis sieben Schilling täglich; der Oberst hält dabei auf Pünktlichkeit und Fleiß, Mäßigkeit und gute Aufführung. Blauen Montag gibt’s in Milbank nicht, jeder Wochentag gehört der Arbeit, doch sind die Tage nicht lang. Um vier Uhr Nachmittags stehen die Maschinen stille, und die für die Nacht bestimmten Aufseher beginnen ihren Dienst. Diese haben die einzelnen Räume zu überwachen, und sind durch eine mechanische Vorrichtung ihrerseits selbst wieder überwacht, so daß, wenn etwa einer auf seinem Posten einschliefe, seine Nachlässigkeit sofort verrathen werden würde.




Der Weinstock und seine Behandlung.

Der Weinstock gehört durch sein rasches Wachsthum, seine lange Lebensdauer und Fruchtbarkeit unleugbar zu den edelsten und am weitesten verbreiteten Obstsorten. Er gedeiht vom 10–55° nördlicher Breite und zwar fast in jedem Boden. Ohne Schaden erträgt er einen Kältegrad von 12–16° R. Er hat weniger Feinde, leidet seltner in seiner Blüthe und trägt darum beständiger und reichlicher wie jede andere Obstsorte. Seine Früchte gehören zu den erquickendsten und welche Rolle der gekelterte Saft der Reben spielt, haben die Dichter in tausend Liedern uns gesungen. – Darum darf man sich nicht wundern, daß man den Weinstock so vielfach, wo es ein geeignetes Plätzchen giebt, angepflanzt findet. Mehr muß man sich wundern, daß er nicht noch viel verbreiteter ist, am meisten Wunder und zugleich Bedauern erregt es aber, wenn man sieht, daß diese edelste Naturgabe so häufig unter der unzweckmäßigsten Behandlung leidet. Darum soll hier ein Versuch gemacht werden, die wichtigsten allgemein anerkannten Regeln: Ueber das Beschneiden und die dahin gehörige Behandlung des Weinstocks am Spalier in unserm Klima, in möglichster Kürze aufzustellen. – Bekanntlich bedarf der Weinstock zu jeder Ernte zwei Jahr. Im ersten müssen die Reben wachsen und reif werden, die uns dann im zweiten Jahre erst die Trauben bringen. Die erste Sorge eines guten Weinzüchters muß also dahin gerichtet sein, sich tragbare d. h. lange, kräftige und reife Reben zu erziehen. Die Hauptarbeit (das Kappen) um diesen Zweck zu erreichen, muß im Frühjahr vor der Blüthe vorgenommen werden und zwar so bald die jungen Triebe die Trauben angesetzt haben und über der letzten Traube 3–4 Blätter sichtbar sind. (Das Kappen bis nach der Blüthe zu verschieben, ist höchst unzweckmäßig, denn das Wachsthum hat sich in alle Triebe und am meisten in die obersten, dann schon so vertheilt, daß die untersten, die doch, soll der Stock in Ordnung bleiben, zu Zuchtreben gezogen werden müssen, im Wachsthum merklich zurückgeblieben und nicht mehr zu Zuchtreben tauglich sind. Auch ist der Stock dann schon so belaubt, daß man keine Uebersicht mehr über denselben hat und folglich in’s Ungewisse, ohne Zweck und Ziel kappen muß und darum auch nur eine sehr unvollständige Arbeit liefern kann.)

Die Arbeit des Kappens selbst besteht nun einfach darin, daß man, nachdem man den Stock sich genau angesehen und nach Bedürfniß und Nothwendigkeit die Triebe ausgewählt hat, die man zu künftigen Zucht- oder Tragreben erziehen will, auf folgende Weise verfährt: Alle Triebe die keine Zuchtreben werden. sondern blos Trauben tragen sollen, kappt man über dem zweiten oder dritten Blatte über der letzten Traube, d. h. man bricht oder schneidet an der bezeichneten Stelle (s. Abbldg.) den Trieb weg, der nun nicht weiter wächst. Dieser gekappten Rebe nimmt man im Laufe des Sommers auch alle Nebenzweige, Ableiter oder Geiz genannt. Anders verfährt man aber mit der

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