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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Diesen blutige Schauspiel fand beim Klange einer Art Cymbeln statt, und dauerte so lange, bis der älteste Häuptling das Zeichen zum Schlusse gab. Die besiegten, und über ihre Niederlage wie beschämten Tieger, wurden in ihre Behälter zurückgebracht, um, wenn sie leben blieben, zu neuen Kämpfen verwendet zu werden.

Ich meines Theils hatte für immer an einem Schauspiele genug, das für europäische Nerven doch etwas zu stark ist, und nahm während meines Aufenthaltes auf Sumatra keine ähnliche Einladung mehr an.




Blätter und Blüthen.

Deutsche Colonie in Mexiko. Die Regierung der Republik Mexiko hat so eben den Beschluß gefaßt, die Niederlassung deutscher Colonisten auf vielfache Weise zu erleichtern und zu begünstigen, und es läßt sich nicht bezweifeln, daß die Auswanderung dahin in diesem und den nächsten Jahren massenhaft sein wird, denn wenn auch die im Innern der Republik noch immer herrschenden Kämpfe gegen die Obergewalt des Präsidenten Santa Anna Manchen abschrecken dürften, so sind doch auf der andern Seite die Anerbietungen und Versprechungen, welche die Regierung den Auswanderern macht, so lockend, daß gewiß Viele sich dadurch bewegen lassen werden, in dem, von der Natur zumal in vielen Theilen so reich, so paradiesisch begabten Lande ein neues Vaterland zu suchen. In der Erwartung, daß die Regierung den ihr eingereichten Plan bewilligen würde, ist für die Ausführung der Colonisation seit dem Ende des vorigen Jahres gewirkt worden, und obgleich dies natürlich nur im Stillen mit gänzlicher Ausschließung der Oeffentlichkeit geschehen konnte, wissen wir mit Gewißheit, daß bereits über 3000 Anmeldungen eingegangen sind. Dies ist auch gar nicht zu verwundern, da selbst vollkommen Unbemittelten durch die bewilligten Begünstigungen gleich für den Augenblick ein eigener Heerd geboten wird, und daneben die Möglichkeit, ja sogar die größte Wahrscheinlichkeit, binnen wenigen Jahren einen behaglichen Wohlstand zu erwerben, denn es ist dazu durchaus weiter nichts erforderlich, als Fleiß und Arbeitsamkeit. Haben sich also schon jetzt eine solche Menge Auswanderungslustiger gemeldet, so ist mit Gewißheit zu erwarten, daß die Zahl sehr bedeutend steigen wird, sobald die gebotenen Vortheile offiziell in die Oeffentlichkeit dringen. Noch ungleich massenhafter aber würde unbedingt die Zuströmung sein, wenn der in dem Plane aufgestellte Punkt der Religionsfreiheit bewilligt worden wäre. Leider ist dies aber nicht der Fall, sondern die Bedingung gestellt, daß die Colonisten der römisch-katholischen Kirche angehören müßten, und ist dies bei einer jungen, nach Freiheit strebenden Republik um so bedauerlicher, als sich gewiß nicht bezweifeln läßt, daß dadurch mancher Protestant zun Uebertritt bewogen werden wird; denn es ist allerdings zu lockend für einen jungen Menschen, der diesseits des Meeres nichts sein eigen nennt, jenseit des Oceans als Lohn für die Veränderung seinen Glaubens, sofort einen eigenen Hausstand zu bekommen, ein nicht unbedeutendes Stück Land, Baumaterialien, Handwerkszeug und sogar Vieh zur ersten Einrichtung, und sicher wird die katholische Geistlichkeit nicht verfehlen, sich dieses willkommenen Mittels zu bedienen, um Hunderte zum Uebertritt zu bewegen.

Die wesentlichsten Bestimmungen den Regierungsdecretes, das bis zu diesem Augenblicke in Deutschland wahrscheinlich nicht veröffentlicht ist, das wir aber in dem offiziellen Original der deutschen Uebersetzung einzusehen Gelegenheit hatten, sind die folgenden: Ertheilung von Land für die sämmtlichen Auswanderer, in größerer Masse für die, welche die Kosten der Ueberfahrt und Einrichtung selbst bestreiten, in geringerer für Andere, welche unbedingte oder theilweise Unterstützung von der Regierung verlangen; – Abzahlung der empfangenen Vorschüsse in mäßigen Terminen während des Zeitraumes von zwei bis fünf Jahren; – Erwerbung aller Unterthanenrechte, ganz den Eingeborenen gleich, sobald sie den Boden der Republik betreten; – für zehn Jahr Befreiung von allen Abgaben, sowie von der Verpflichtung zum Militärdienst, außer gegen einen auswärtigen Feind; freie Wahl des Ortes zu ihrer Niederlassung. – Die Bedingungen, welche die Regierung dagegen stellt, sind: 1) Das römisch-katholische Glaubensbekenntniß; 2) Kräftige Körperconstitution; 3) ein Alter von nicht über vierzig Jahren (dies jedoch nicht unbedingt, sondern nur als besonders wünschenswerth) – daneben möchte man für diese Colonisation, wenigstens für den ersten Anfang, hauptsächlich Ackerbauer und Handwerker gewinnen; indeß wird Jeder, der seine Niederlassung aus eigenen Mitteln bestreitet, der Regierung gewiß sehr willkommen sein. Die meisten Anmeldungen sind bis jetzt aus Böhmen eingegangen; dann folgen Würtemberg und Baiern, und endlich Ostpreußen.

Ohne Zweifel werden die offiziellen Bekanntmachungen nicht lange auf sich warten lassen; so viel können wir indeß schon jetzt sagen, daß die Anmeldungen bei dem Generalconsulat Mexikos in Berlin und bei dem Viceconsulate in Leipzig zu machen und bei denselben nähere Instructionen einzuholen sein werden.




Friedrich Schneider und die Sängerin. Als der unlängst verstorbene Kapellmeister Schneider in Dessau, der rühmlichst bekannte Componist des „Weltgerichts“, auch Musikdirektor des Stadttheaters in Leipzig war, wurde in einer Probe die erste Sängerin von der epidemischen Krankheit der „Künstlerlaune“ befallen, und sagte, als die Stelle an eine ihrer Arien kam, vornehm und befehlend: „Die lasse ich weg; die liegt mir zu hoch!“ – Schneider, dessen derbes Wesen hinlänglich bekannt ist, entgegnete ruhig: „Sie liegt Ihnen nicht zu hoch. und Sie werden sie singen!“ – „Ich werde sie nicht singen und Sie können mich nicht zwingen!“ rief die Dame gereizt. – „Da haben Sie recht,“ sagte Schneider mit „kannibalischer“ Ruhe; „ich kann Sie nicht zwingen, die Arie zu singen, aber Sie können mich und das Orchester eben so wenig zwingen, sie nicht zu spielen, und ich gebe Ihnen das Wort, die Arie wird gespielt, mit dem Singen können Sie es dann nach Belieben halten.“ – Die Dame ließ es darauf ankommen und probirte die Arie nicht, wenigstens nicht in der Probe, wahrscheinlich aber desto fleißiger zu Hause; denn als die Aufführung der Oper erfolgte und das Orchester die Introduktion der Arie spielte, trat die Sängerin, welche der Situation nach die Scene nicht verlassen konnte, unter sichtlichem Zeichen der Aufregung vor, sang die Arie mit mehr Gefühl und Leidenschaft, als es ohne den verbissenen Aerger der Fall gewesen sein würde, und erntete den reichlichsten Applaus. – In dem gleich darauf folgenden Zwischenakt trat Schneider zu der einherstolzirenden Sängerin und sagte mit ironischer Betonung: „Nun, wer hatte Recht? Können Sie die Arie singen oder nicht?“




R. O. Spazier, in der literarischen Welt früher oft und mehrfach nicht unrühmlich genannt, ist, von körperlichen Leiden schwer heimgesucht, der früheren schriftstellerischen Thätigkeit wahrscheinlich für immer entrissen worden, indem er ganz kürzlich in das Land-Versorgungshaus zu Hubertusburg aufgenommen wurde, nachdem er einige Zeit vorher in dem Georgenhause zu Leipzig untergebracht war. Nervenzufälle hatten ihn schon früher des ganz ungehinderten Gebrauches seiner Füße beraubt, und das Uebel war so sehr gewachsen, daß er sich zuletzt nicht mehr ohne einen Führer bewegen konnte.




Liebhabereien großer Männer. En ist nicht ohne Interesse, zu sehen, auf welche verschiedene Weise große Männer in einzelnen Schwächen und persönlichen Liebhabereien mit den übrigen Sterblichen zusammenhingen. Wer sollte es wohl glauben, daß der ernste Philosoph des alten Griechenlands Vergnügen daran fand, so oft als möglich zu tanzen, obgleich ihn dann seine Frau Xanthippe jedesmal mit einem ganz extraordinären Donnerwetter empfing? Ja, Sokrates war ein leidenschaftlicher Tänzer. Die Zahl der Musikliebhaber unter großen Männern ist sehr groß. Der berühmte Epaminondas sang auf Dörfern und zu festlichen Gelegenheiten. Der gräßliche Nero spielte Harfe, während Rom auf sein Geheiß brannte, um zu sagen, die damaligen Demokraten, die Christen, hätten es angesteckt. Luther und Friedrich der Große spielten sehr oft Flöte, um aufgeregte Stimmungen „flöten gehen“ zu lassen. Milton, der Sänger des verlornen Paradieses, war ein leidenschaftlicher Orgelspieler und componirte mehrere Psalmen, die jetzt noch in englischen Kirchen gesungen werden. Bentham hatte das ganze Haus voll Orgeln und Fortepiano’s. Gainsborough der Maler war Virtuose auf der Violine. Die leidenschaftliche Blumenliebhaberei Byron’s ist sprüchwörtlich geworden. Auch liebte er manche Thiere ganz besonders und machte einmal einen Bär zu seinem Busenfreunde. Goethe hielt sich im Ofenwinkel kleine Schlangen, die er in Mußestunden hätschelte wie Goldkinderchen. Der römische Kaiser Tiberius hielt sich ebenfalls lange ein solch ekelhaftes Thier als Busenfreund. (Unschmeichelhafte Collegialität für Goethe.) Der große Kaiser Augustus hatte zu seinem intimsten Vertrauten einen gemeinen Spatz vom Dache, dessen Tod er jämmerlicher beweinte, als die Legionen, die er gegen Deutsche unter Varus verlor. Honorius, unter dessen Regierung Alarich Rom eroberte, klagte so bitterlich über den Verlust seiner Lieblingshenne, daß er den Verlust Roms ganz darüber vergaß. Ludwig XI., der große fromme Tyrann und Heuchler, der einst über Frankreich herrschte, fand auf seinem Krankenlager blos noch Vergnügen an dem Tanze aufgeputzter und für ihn speciell dressirter Schweine. Papst Alexander VI., einer der ekelhaftesten Charaktere, hielt sich vor seinem Fenster stets Heerden von Pferden und Kühen, um deren Begattungsakte als Reizmittel für sich wirken zu lassen.

Als einen der liebenswürdigsten Liebhaber von allerlei zahmen Geflügel wird uns Jean Paul geschildert. In seiner Arbeitsstube amüsirten sich stets eine Menge Tauben, Hühner und Sperlinge, bei deren Unhöflichkeiten er über Unsterblichkeit schrieb. Ein auch nicht unberühmter Deutscher, der immer etwas zu trinken bei sich führte, meinte, es käme ihm gar nicht so sehr auf’s Trinken an, er trinke blos, weil er das „Kluckern“ aus der enghalsigen Flasche so gerne höre.




Kunst und Natur. Wir schreiben jetzt mit dem Blitz und zeichnen mit der Sonne. So hat die Macht der Naturwissenschaft die Elementarkräfte dem Gedanken und der Kunst vermählt. Als eine neue bedeutende Erscheinung dieser Wirkung begrüßen wir die so eben veröffentlichte erste Serie von dreizehn photographischen Blättern nach berühmten Gemälden der Dresdner Gallerie, in der photographischen Anstalt von Friedrich August Schwedler in Dresden erschienen. Sie bilden den ersten glänzenden Anfang des großartigen Unternehmens: durch „den Diebstahl der Natur“ nach und nach alle berühmten Bilder jener berühmten Gallerie allgemein zugänglich zu machen, und ist es nicht allein diese schöne Idee und ihre nach dem Vorliegenden meisterhafte, wahrhaft künstlerische Ausführung, sondern auch die leichte, angenehme Form und der billige Preis der einzelnen Blätter, die diesen reichen Zweck jedenfalls auch erreichen lassen wird.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_214.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)