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leicht in den Gefäßen anhäufen können, welche mit der Pfortader zusammenhängen, vorzugsweise in den Gefäßen des Magens, Darmkanales (Mastdarmes) und der Milz. Solche Anhäufungen führen nun den Namen Pfortaderstockungen oder Anschoppungen und finden sich gewöhnlich zuerst und am Häufigsten im abhängigsten Theile des Pfortadersystems; dies wird aber von den Hämorrhoidalblutadern des Mastdarmes gebildet. Daß so häufig Pfortaderstockungen und zwar ohne wichtigere Hindernisse (wie organische Leber-, Herz- und Lungenleiden) im Pfortaderblutlaufe, zu Stande kommen, hat seinen Grund in der jetzigen Lebensweise der meisten Menschen, weil durch diese die Unterstützungsmittel des Pfortaderblutlaufes, nämlich die Athmungs-, Bauchmuskel- und Magen-Darmbewegungen nicht in der gehörigen Wirksamkeit erhalten werden, weil ferner das Pfortaderblut in Folge des unzureichenden Genusses wässeriger Getränke nicht leichtflüssig genug ist.

Die Blutstockungen im Pfortadersysteme müssen nun, wie leicht ersichtlich, ihre Wirkungen theils in den Organen äußern, von welchen das Blut nach der Pfortader hin abfließt, vorzugsweise im Magen und Darmkanale, theils in der Leber selbst, wo die Blutreinigung und Gallenbereitung eine Störung erleiden muß. Diese Wirkungen beziehen sich sonach blos auf Organe des Unterleibes und sind deshalb örtliche zu nennen. Man bedenke nun aber auch, daß allmälig die Blutmasse des ganzen Körpers schlechter werden muß, wenn die Blutreinigung in der Leber längere Zeit gestört wird und endlich sogar das schlechte Pfortaderblut, welches sich nach dem Mastdarm herabgesenkt hat, hier durch die Verbindungszweige der Hämorrhoidalblutadern in den Blutstrom der untern Hohlader gelangt. So geht dann aus den örtlichen Blutstockungen in den Unterleibsorganen eine Entartung des Blutes, ein sogen. Allgemeinleiden, hervor und dieses muß, da ja vom Blute die Ernährung und Thätigkeit aller Organe abhängig ist, die mannigfaltigsten Beschwerden hervorrufen, vorzugsweise aber in den Organen, welche reines gutes Blut am Nöthigsten haben, nämlich das Nerven- und Muskelsystem. Hiernach trennen wir denn auch die Krankheitserscheinungen, in Folge der Störungen im Pfortaderblutlaufe in örtliche und allgemeine. Was die ersteren betrifft, so eröffnen sie die Reihe der Krankheitserscheinungen, nehmen ihren Sitz im Unterleibe und bestehen in Empfindungen und Verdauungsstörungen der mannigfaltigsten Art und sind bei verschiedenen Menschen von so großer Verschiedenheit, daß eine ausführliche Aufzählung derselben fast unmöglich und auch ganz nutzlos wäre. Am Auffälligsten zeigt sich die Anhäufung des Blutes in den Blutadern des Mastdarmes und diese ist unter dem Namen Hämorrhoiden ganz allgemein bekannt, wie überhaupt die meisten aus der Störung des Pfortaderblutlaufes hervorgehenden Unterleibs- und Verdauungsleiden als Hämorrhoidalbeschwerden bezeichnet werden, mit welchem Worte sich aber leider auch die große Mehrzahl der Aerzte beruhigt und dann nicht weiter nach der Ursache dieses krankhaften Zustandes forscht. Und doch sind die Hämorrhoiden aus einer Menge sehr verschiedener Ursachen herzuleiten und verlangen deshalb oft auch eine ganz verschiedene Behandlung. Die sogenannten allgemeinen Krankheitserscheinungen, wenn nämlich die Pfortaderstockungen später eine Verderbniß des ganzen Blutes erzeugt haben, concentriren sich selten auf einen bestimmten Punkt, sondern bestehen in den mannigfaltigsten Störungen des Allgemeinbefindens und Allgemeingefühls, so wie der geistigen und Muskelthätigkeit, Unlust zum Arbeiten, Kraftlosigkeit, Willensschwäche, Mißmuth, Zanksucht und Herrschsucht, Aergerlichkeit, Traurigkeit, Hypochondrie, Melancholie, kurz Alles, was Jemanden für sich selbst und für Andere unangenehm machen kann, das findet seinen Grund in dieser pfortaderblutähnlichen Beschaffenheit der Gesammtblutmasse und in der falschen Ernährung des Gehirns und Nervensystems durch dasselbe. Es ist recht leicht, Einem, der sich unwohl fühlt und dem es bald hier bald dort fehlt, ohne daß er von einer bestimmten nachweisbaren Krankheit befallen ist, zu sagen: Du bist ein Hypochonder und mußt nur gesund sein wollen; allein ausführen läßt sich dies von Seiten eines solchen Patienten nicht so leicht, da sein Willensorgan, das Gehirn nämlich, nicht in der ganz richtigen Verfassung ist. Deshalb habe man Geduld mit dem sogen. Hypochondristen und suche dieselbe durch Beförderung des Pfortaderblutflusses von der Hypochondrie zu befreien. Am Besten ist es freilich, man läßt es gar nicht zu einem solchen krankhaften Zustande im Körper kommen, der uns die Lebensheiterkeit rauben und uns eklig machen kann. Dies ist aber gar nicht mit so großer Schwierigkeit verbunden. Also frisch an’s Werk, wenn Du ein ekliger Hypochondrist, lieber Leser, etwa bist. Nur laß Dir vorher noch etwas Weniges über die Entstehung der Pfortaderstockungen sagen.

Die Ursachen der Unterleibs- oder Pfortaderstockungen sind entweder solche, die nimmer mehr (trotz Carlsbad) zu entfernen sind, oder solche, die sich heben lassen. Die ersteren bestehen in organischen Unterleibs-, Leber-, Herz- oder Lungenleiden, welche auf ganz mechanische Weise eine Störung des Blutlaufes veranlassen; sie ziehen in der Regel Bauchwassersucht nach sich. Die letzteren, auf welche es in diesem Aufsatze abgesehen ist, begreifen alles Das in sich, was die Quelle des Pfortaderblutlaufes zu trüben und zu verstopfen vermag. Hierher gehört aber, wie schon angedeutet wurde: geschwächte Herzthätigkeit, kraftlose Gefäßwand, oberflächliches Athmen, schlaffe und unthätige Bauchmusculatur, Trägheit der Magen- oder Darmbewegung, Beengung des Unterleibes und abnorme Dickflüssigkeit des Pfortaderblutes. Das allzuwenige Trinken ist besoders bei den Frauen der Grund der Schwerflüssigkeit des Pfortaderblutes; auch tragen bei ihnen das Schnürleibchen und die Unterrocksbänder (s. Gartenl. Jahrg. I. S. 277 die verkrüppelte Frauenleber) viel zur Störung des Pfortaderblutlaufes bei. Am Gewöhnlichsten kommt aber die Beenung des Unterleibes durch anhaltendes Krummsitzen, überhaupt bei sitzender Lebensweise zu Stande, während die Schwäche in der Musculatur des Herzens, des Athmungsapparates, der Bauchwand und des Darmkanales ihr Entstehen verdanken: mangelhafter Körperbewegung, anstrengenden geistigen Arbeiten, niederdrückenden Gemüthseinflüssen, zu häufigem Genusse erhitzender und erregender Speisen und Getränke, geschlechtlichen Ausschweifungen, allzu reichlicher und zu stark nährender, schwerverdaulicher oder zu fettreicher Kost, dem Mißbrauche der Abführmittel und Klystiere. Gewöhnlich tragen mehrere dieser Ursachen zusammen die Schuld an den Unterleibsbeschwerden; vorzüglich ist es die sitzende Lebensweise bei geistiger Arbeit, bei mangelhafter Bewegung im Freien, bei nahrhaften Speisen und spirituösen Getränken, welchen der Hypochonder und Staatshämorrhoidarius ihre Existenz, die meisten Bäder ihre Gäste verdanken.

Vermieden und gehoben können aber die Unterleibsbeschwerden gar leicht dadurch werden, daß man den Pfortaderblutlauf in Ordnung hält oder bringt. Dies läßt sich aber dadurch ermöglichen, daß man die Kräfte, von denen der Blutlauf im Unterleibe und durch die Leber abhängig ist, gehörig unterstützt und bethätigt. Es waren diese aber, wie oben gesagt wurde: die Herzthätigkeit, die Athmungs-, Bauchwand- und Darmbewegungen, der passende Flüssigkeitsgrad des Pfortaderblutes und die unbehinderte Ausdehnung des Bauches. Und sonach würde gegen Unterleibsbeschwerden folgendes naturgemäße Recept zu verschreiben sein: zweckmäßige Bewegung und kräftiges Athmen, besonders im Freien, Mäßigkeit und Einfachheit im Essen und Trinken, reichlicher Genuß von Wasser, den Bauch nicht einengende Kleidung oder Sitzweise, und Vermeidung geistiger und geschlechtlicher Anstrengungen. In welcher Apotheke läßt sich dieses Recept aber am Besten machen? In Gottes schöner Naturapotheke! und darum nützen auch die Bäder so viel, nicht aber der paar Salze ihres Quellwassers wegen. Es ist deshalb Jedem, der nicht für gewöhnlich die angedeutete Lebensweise führen kann oder will, anzurathen, so oft als möglich auf einige Zeit seine Berufsgeschäfte zu verlassen und sich in einer schönen, gemüthlichen Gegend in irgend einem ihm zusagenden Bade, bei einfacher, nahrhafter Kost ordentlich mit Bewegungen, Athmen und Wassertrinken zu beschäftigen. Wem dies seine Mittel nicht erlauben, der erreicht zu Hause dasselbe Ziel, am Besten bei leicht verdaulicher reizloser Nahrung und erheiternder Umgebung, durch zweckmäßige Bewegungen (Turnen, Kegeln, Holzsägen, Gartenarbeiten u. dgl.), durch kräftiges Ein- und Ausathmen im Freien, reichliches Wasseertrinken (meinetwegen von kohlensaurem oder warmem Wasser), zeitweiliges Kneten, Drücken und Pochen des Bauches und durch Eröffnung des Leibes mittels einfacher Wasserklystiere bei Verstopfung. Der Arzt verordnet bei Unterleibsstockungen in der regel Abführmittel (besonders in Pillen) und Schwefel, auch empfielt er Carlsbad, Kissingen und Reiten, und schafft dadurch allerdings eine vorübergehende Erleichterung, nicht aber radicale Heilung. Am meisten ist vor der Kurirerei mit stark purgirenden (drastischen) Mitteln, wie sie besonders vom Herrn Sanitätsrathe Dr. Strahl in Berlin

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