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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

wachsen und oft zu Kuchen verwandt werden. Andere Früchte sind selten, oft weit hergebracht und ziemlich theuer; die ganze amerikanische Landwirthschaft, die theils noch zu sehr mit dem Fällen der Waldbäume beschäftigt, theils, wie das übrige Leben, zu sehr auf schnellen Gewinn berechnet ist und sich daher lieber mit Mais, Taback, Baumwolle u. a. einjährigen Gewächsen abgiebt, ist dem Anbaue und der Pflege von Obstbäumen um so weniger günstig, als der, welcher sie pflanzt, selten wissen würde, wem seine Mühe zu Gute käme und ob dieselbe ihm überhaupt vergütet würde. Bei der allgemeinen Wanderlust und dem fortwährenden großartigen Zuge gegen Westen sieht kein Grundbesitzer voraus, wie viele hundert Meilen weiter dorthin einst seine Kinder ihr Brot essen werden, ist vielleicht mancher selbst noch nicht fest entschlossen, auch nur im Alter in der Jahrzehnte lang bewohnten Gegend zu bleiben. Doch wir kehren in die Markthallen zurück, wo wir Kartoffeln in Tonnen verpackt, an deren Seite man kleine Luftlöcher gehackt hat. Kohlköpfe, die die englische Küche meist nur in zwei Stücke schneidet, die rothen Blasen des spanischen Pfeffers, hier mit Essig versetzt als häufiges Gewürz gebraucht, süße Rüben, große dunkelviolette Eierfrüchte, unsern in Scherben gezogenen weißen verwandt, und eine den Knollen des Kohlrabi ähnliche Frucht, Squash genannt, erblicken. Salatköpfe und Radieschen gedeihen auf Louisiana’s fruchtwarmem Boden, der selten von einem leichten Froste heimgesucht wird, den ganzen Winter hindurch; neben ihnen sind in den Hallen der mittleren und südlichen Staaten die süßen Bataten, die länglichen Wurzelknollen einer windenartigen, aber Seitenranken treibenden Pflanze, ein stehender Handelsartikel, der dort, gekocht, oder leicht geröstet, fast täglich zu unserm Frühstück gehörte und den wir bei seinem kastanienartigen Geschmacke später sehr vermißt haben.

In der Nähe dieser Markthäuser halten sich Obst- und Kuchenhändlerinnen, Schleifer u. a. Leute auf, die sich, ohne ein Standgeld zahlen zu können, dem Publikum anbieten; eine noch bescheidenere Rolle nehmen in New-Orleans und mitunter in Mobile u. a. Städten des Westens die hereingekommenen Indianer ein, die, freilich nur die Äermsten ihres fast ziemlich cultivirten Stammes, mit erlegten Eichhörnchen oder wilden Kaninchen und mit mancherlei ihnen durch langen Umgang mit der Natur bekannt gewordenen Theekräutern Handel treiben. Auch wagt es wohl manche arme deutsche Frau, die jenseit des Oceans den Wohlstand nicht sogleich gefunden hat, den sie suchte, ihre im Walde rasch gesammelten Brombeeren oder Lorbeerblätter auszubieten.

Sehen wir uns nun aber auch nach den Einkäufern in diesen Hallen um. Wo sind die Köchinnen und Dienstmädchen, wo die ehrsamen Bürgersfrauen, die wir auf unsern Märkten feilschen und ihre Körbe vollpacken sehen? Eine deutsche Landsmännin, die die gewohnte Sitte auch im neuen Vaterlande nicht aufgeben kann, begegnet uns hie und da in dem Gewühle unter weißen und farbigen Gesichtern; die Amerikanerin aber, durch die bis zur Uebertreibung gestiegene Achtung vor dem weiblichen Geschlechte stolz und durch den Stolz, zumal in den Sklavenstaaten, träg gemacht, hat mit Putz und Besuchen mehr zu thun. Namentlich scheut sich die weiße Frau vor allen solchen Arbeiten, die im Geringsten zu erniedrigen scheinen, und wie im Norden, wo es keine Sklaverei giebt, die Mägde auf dem Lande das Melken, diese bei uns so entschieden weibliche Arbeit, verschmähen und meist den Knechten, wo nicht gar dem Herrn, überlassen, wie ferner nicht leicht eine Mutter ihr Kind trägt, sondern der Gatte, will er nicht für höchst ungalant gelten, diese Bürde als sein Vorrecht betrachten muß; so würden die meisten Frauen, selbst wenn sie keine Sklaven auszuschicken haben, auch Einkäufe auf dem Markte unter ihrer Würde halten. Und so erblickt man denn die Handkörbe mit dem eingekauften Fleische und Gemüse am Arme flinker Kellner oder ihrer Gastwirthe selbst oder wohlhabender, oft zierlich gekleideter Hausväter aller Stände, selbst Lehrer und Prediger nicht ganz ausgenommen. Zugleich aber werden die Markthäuser größerer Städte am frühen Morgen bei günstigem Wetter die Sammelplätze der vornehmen Welt. Für diese aber oder sonstige hungrige und durstige Seelen, die während des Tages vorübergehen und sich für ein Geringes erquicken wollen, sind an einigen der äußersten Randpfeiler große blecherne, fortwährend warmgehaltene Kessel mit einer Abtheilung für Kaffee und einer andern für Milch, bisweilen auch einer dritten für Chocolade aufgestellt, welche Getränke denn der Verkäufer dem Begehrenden aus eben so viel Hähnen strömen läßt, während er ihm auf einem kleinen Teller dazu ein Stück, Blättergebackenes reicht. Die Unternehmer dieses Geschäftes sind meist Deutsche, nicht selten Frauen, wie denn überhaupt gewisse Erwerbszweige vorzugsweise in die Hände gewisser Nationen gekommen sind. Denn blicken wir von dem Marktgebäude ein wenig hinweg – wir sprechen hier nur von New-Orleans – den Mississippidamm auf- oder abwärts, so fallen uns verschiedene Breterbuden mit ganzen Hügeln großer Muschelschalen daneben in’s Auge. Hier haben die Austerhändler ihren Sitz, die für fünf Cents dem Besucher vier Stück ihrer bereits den Schalen entnommenen Seethiere mit Essig, Oel, Pfeffer, Salz und Schiffszwieback oder anderem harten Gebäck anbieten. Diese Händler aber sind fast ohne Ausnahme Spanier.

Ein ganz anderes Schauspiel bieten uns diese Hallen des Sonntags. Der Lärm und das geschäftige Treiben der Wochentage schweigt; höchstens in dem weniger religiösen äußersten Süden halten ganz früh die Fleischer feil, wie wir dies in Mobile gesehen haben. Nachmittags aber kann man hier nicht selten die Bußreden wandernder Methodistenprediger vernehmen. Wir sahen in Baltimore einen englischen und in einem daneben stehenden Markthause zwei deutsche Prediger nacheinander auftreten, die die Gemüther der Zuhörer durch Schilderung der Sünde erschütterten und durch Verweisung auf die Gnade, der das Dasein der Sünde angenehm sei, weil sie sich an ihr zeigen könne, wieder erquickten, um nachher den deutschen Anwesenden – ihre Wohnung anzudeuten und ihren Unterricht im Englischen anzuempfehlen.

Nichtsdestoweniger wollen wir gern zugeben, daß manche wochenlang nur von Gewinnsucht erfüllte Seele sich bei diesen nach apostolischer Weise recht eigentlich „auf dem Markte“ gehaltenen Reden Erbauung geholt hat. Dem gedrückten Neger besondern sind sie oft die einzige Quelle, aus der Gottvertrauen, Trost und edleres Gefühl in sein unter harter Arbeit und vielfachen Mißhandlungen verkümmerndes Dasein flieht. Leider erinnert uns dies noch an eine traurige Bestimmung mancher Hallen. Auf einem Markthause in Charleston erblickten wir ein dem Anscheine nach geräumiges und sogar mit einem Thurme geziertes oberes Stockwerk und fragten einen deutschen Landsmann nach dem Zwecke dieses Saales, der uns an unsere Tuchböden erinnerte. „Nun, hier werden manchmal die Schwarzen ausgestellt und verkauft.“ „Also ein Sklavenmarkt?“ „Nun ja, man darf es aber nicht so nennen; sie hören es nicht gern.“




Von den Ufern der Ostsee.
Nr. 3. Kronstadt und Petersburg.

Die englische Flotte in der Ostsee ist mit ihren beinahe 3000 Kanonen, darunter manche Vier- und Sechsundachtzig-Pfünder, die furchtbarste, welche die Welt je beisammen sah. Sie ist dreimal stärker, als die Nelson’ s, der 1801 in der Ostsee über dreimal stärkere, vereinte Feinde siegte, indem er Dänemark zwang, von der nordischen Aliance zurückzutreten. Wohl Mancher traut ihr deshalb, besonders unter Napier, zu, daß sie sich als einen guten Hafen Aland nehmen und dann den finnischen Meerbusen hinaufsegeln und dampfen könne, um sich Petersburg zu kaufen. Das Geschäft würde indessen nicht so leicht sein. Viele halten’s auf dem offenen Wege des Kampfes für unmöglich. Die Flotte müßte nämlich Kronstadt passiren, das etwa vier deutsche Meilen vor Petersburg den Seeweg mit 600 großen und unzähligen kleineren Kanonen-Augen bewacht, die im Falle der Noth ein solches Kreuzfeuer und einen solchen dichten, schweren eisernen Kugelregen auf die allein gangbar gelassenen Wasserstraßen unterhalten könnten, daß kaum eine Katze lebendig hindurchkommen würde. Unsere Zeichnung giebt ein sehr genaues natur- und kriegswissenschaftlich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_199.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)