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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

dehnt sich etwa 5 Meilen lang in einer Breite vor uns aus und besteht aus 60 bewohnten grünen und 200 unbewohnten, steinigen, kahlen Inseln und Inselchen. Die etwa 15,000 Bewohner treiben Fischerei und Viehzucht. Der Boden ist fast überall Granit, von der befruchtenden Zeit hier und da nur dünn mit Erde bedeckt, welche oft viel Mühe hat, die in ihr wachsenden Bäume zu halten. Die größte unter diesem Inselmeer Aland mit guten Häfen, etwa 56 Geviertmeilen groß, hat nur 8–9000 Bewohner. Der Hafen Ytternas an der Westseite soll die große russische Flotte und die Citadelle Bomarsund – blos 5 Meilen von Schweden – 60,000 Mann beherbergen können. Der bedeutendste Ort auf Aland ist Castelholm auf einem isolirten, großen, rothen Granitfelsen einer Landzunge. Aland war bis zu seiner Abhängigkeit von Finnland ein eigenes Königreich.

Einschiffung der Artillerie und Reiterei.

Im Jahre 1634 kam es mit Finnland zu Schweden und 1809 mit allen seinen kleinern 260 Collegen an Rußland. Diese Inseln gewähren der russischen Flotte sichere Häfen, welche von hier aus den Mälarsee und den schwedischen Küstenhandel an der Westseite des bothnischen Meerbusens beherrschen können. Nahe bei Aland gewann Peter der Große 1714 den ersten großen Seesieg gegen Schweden, dessen König nach der Schlacht bei Pultowa (1709) in der Türkei gefangen gehalten ward. Der Sieg war wegen dieser Abwesenheit des furchtbaren Soldaten- und Schlachtenkönigs Karl XII. freilich um so weniger ein Wunder, als es Schweden zugleich mit Preußen und Dänemark zu thun hatte.

Von den kleineren Städten Finnlands ist Tornea, am Flusse gleiches Namens, im äußersten Norden den bothnischen Meerbusens gelegen, von wo sich die russisch-schwedische Grenze hinunter zieht, voll eigenthümlicher Verkehrsbilder, da die 800 Einwohner der Stadt den Handelsmittelpunkt lappländischer Producte bilden. Die kleinen, gelben, schmierigen Lappen kommen hier weit aus ihrem öden, großen Lande zusammen, um gegen ihre Rennthierfelle, Salzfische u. s. w. Branntwein, Butter, Brot und sonstigen Luxus einzutauschen. Sie sehen in ihren spitzigen Pelzmützen und thierischen Kleidern (Fellen, oft blos um den Körper festgebunden) gar malerisch aus in einiger Entfernung. Zu nahe Berührung bringt freilich leicht die Geruchsnerven in Aufruhr, wenn es zufällig nicht sehr kalt sein sollte. Die durch den größten Theil des Jahres herrschende Eisluft verhindert dieses Menschenblüthen des Nordens wohlthätig am Duften.

Die Finnen sind ein eigener, schöner, gemüthlicher, tapferer Menschenstamm mit eigener Sprache, Literatur und Geschichte. Letztere weis’t sie patriotisch auf Schweden hin. Mit den Russen haben sie nichts gemein. Die „stahlbepanzerten“ Finnen bildeten unter Gustav Adolph die siegreiche Hauptmacht gegen „die Kaiserlichen“ des dreißigjährigen Krieges. Unter Karl XII. verdienten sie die meisten Lorbeeren bei Narva, und ihre unbeugsame Tapferkeit bewährte sich am Schönsten in der vergeblichen Anstrengung, den Todesstreich, der Schweden bei Pultowa von den Russen beigebracht ward, zu rächen. Sie sind ein gutmüthiges, offenherziges, zuthunliches Völkchen von unermüdlicher Höflichkeit und unbestechlicher Ehrlichkeit. Selten wird ein Reisender in der Welt mit Menschen zusammentreffen, die so treuherzig und zugänglich sind. Nirgends wird er sich so leicht mit fremden Menschen befreunden, als in Finnland und in Schweden.

Admiral Napier scheint die Insel Aland zum Mittelpunkt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_189.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)