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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Wassers dem Orte ihrer Entstehung entrückt und in Umgebungen versetzt, die keinen Schlüssel zu dem Räthsel der Thonbildung lieferten. Als man aber einige wenige Fundorte entdeckt hatte, wo die Reinheit der Produkte, die man in den verschiedenen Stadien ihrer Entstehung verfolgen konnte, und die umgebenden Gesteine wahrscheinlich machten, daß auch hier die Bildung vor sich gegangen, da gelang es dem angestrengten Studium auch hier, trotz der verwirrenden Mannigfaltigkeit, in der diese Zersetzung auftritt, Licht zu verbreiten und das Räthsel der Natur chemisch zu entziffern. Eben aus dem verschiedenen Verhalten dieser großen Klasse von Mineralien gegen die Verwitterung hat man nun weiter zurückschließen können auf ihre ursprüngliche Entstehung.

Besonders dem Landwirth ist zu empfehlen, sich bei der Natur Rath zu holen und sich eine genaue Kenntniß der Vorgänge bei der Verwitterung zu verschaffen, wenn er vorhat, die Ertragfähigkeit seiner Aecker zu verbessern. Einen Beleg von der Wichtigkeit einer solchen Einsicht liefert ihm der Mergel, der je nach seiner Zusammensetzung und seinem Verhalten gegen die Einwirkung der Atmosphäre auch eine ganz verschiedene Wirkung auf den Ackerboden ausübt. Während ein jeder Mergel besonders Wasser und Luft anzieht, einen schweren Ackerboden auflockert – der Luft und dem Wasser leichter Eingang verschafft – und einen lockeren verdichtet – den zu schnellen Durchgang des Wassers verhindert, – wirkt der Gypsmergel besonders chemisch auf den thierischen Dünger ein, zersetzt diesen und hält dann vorzüglich daraus den Stickstoff fest. – Durch die Beobachtung von Verwitterungsprodukten – Gyps – ist man in Böhmen auf eine sinnreiche Verbesserung der Vegetation gekommen. Um sich die angedeuteten Vortheile des Gypses zu verschaffen, begünstigt man seine Bildung auf den Aeckern dadurch, daß man sogenannte fressende Wasser – Lauge von Schwefelkies – darauf bringt.

Auch der Baumeister und Bildhauer müssen die Fingerzeige der Natur bei der Auswahl des Materials zu Bauwerken und Skulpturen beachten. Daß dies nicht immer geschieht, davon geben die häufig vorkommenden salzartigen Ausschläge der Mauern, die jedoch in den seltensten Fällen ihrem Namen – Salpeter – entsprechen, Zeugniß. Auch hier ist wieder der Schwefelkies meistens der böse Feind; um ihn und die durch seine Zersetzung veranlaßten leicht löslichen Gebilde zu entfernen, muß man den verdächtigen Thon, der zu Ziegeln und Geschirr verarbeitet werden soll, lange Zeit der Luft aussetzen. Ebenso sind Kochsalz, Kalk und Gyps enthaltende Materialien zu vermeiden, weil sich hier durch gegenseitige Zersetzung kohlensaures und schwefelsaures Natron erzeugen, die gleichfalls auswittern, d. h. sich an der Oberfläche bemerkbar machen. Auch bei den verschiedenen Thonschiefern, die zur Bedeckung der Dächer dienen, ist auf ihr Verhalten in der Natur zu achten.

Die Unfruchtbarkeit der Gehänge, da wo eisenfreier Dolomit auftritt, lehren dem Baumeister und Bildhauer, daß dieses Gestein den atmosphärischen Einflüssen einen unüberwindlichen Trotz entgegensetzt. Den großen Werth desselben kannten die Alten sehr wohl. Viele daraus gefertigte Statuen haben Jahrtausenden getrotzt und noch heute ist „der harte, griechische Marmor“ bei den Bildhauern Italiens in großem Ansehen. Während das von Talk- und Kalkbeimengungen freie Hornblendegestein öde Felswände bildet, auf denen nur auf den weniger abhängigen Flächen einige wenige verkümmerte Binsen und dürres Haidekraut angetroffen werden, gilt der Syenit – ein Gemenge von Feldspath und Hornblende – als Sitz einer üppig wuchernden Vegetation und hierin ist ihr Verhalten gegen die Verwitterung ausgesprochen. Ersteres ist unempfindlich gegen die Einflüsse der Atmosphäre, letzterer aber fällt ihrer Macht anheim. So sehen wir auf alten ägyptischen Bauwerken aus diesem Material die Schriftbilder auf der Wetterseite ausgelöscht, während sie sonst daran noch gut erhalten sind. Bei den Graniten deutet ein größerer Natrongehalt die Dauer des Gesteines an; dieser verleiht ihnen eine Unveränderlichkeit für die Ewigkeit. Dafür bürgen die Trümmer von Theben, zahlreiche Pyramiden und Bauwerke in alten Städten, der auf dem Lateransplatze zu Rom aufgerichtete Obelisk, auf Antrieb eines Königs von Theben 1300 Jahre vor unserer Zeitrechnung zu Syena ausgehauen, sowie auch der auf dem Petersplatze zu Rom – von einem Sohne des Sesostris vor mehr als 3000 Jahren der Sonne geheiligt.

Sehr empfindlich macht sich der Eisenspath – das kohlensaure Eisenoxydul – der oft in fast unsichtbaren Körnern in sonst schneeweißen Marmorarten eingesprengt ist, bemerkbar. Durch den Regen verliert er die Kohlensäure, nimmt dafür aber Sauerstoff und Wasser auf und tritt nun in gelblichen Flecken auf, die nach und nach eine bräunliche und schwärzliche Färbung erhalten und so oft die zierlichsten Bildwerke verunstalten. Auffallend zeigt sich diese Veränderung bei manchen alten Bauwerken, die zum Theil verschüttet waren; so geht diese Färbung z. B. bei dem Triumphbogen des Kaisers Septimius Severus zu Rom bis zu der Höhe, wohin der Schutt reichte.

Weiter ist die Verwitterung noch eine Quelle vieler anderer Erscheinungen; ich will hier nur erinnern an die wunderbaren Tropfsteingebilde in den Höhlen, die unser Staunen erregen, an den Schwefelgeruch, den manche Stein- und Braunkohlen verbreiten, durch den sie für die Feueranlagen und Geräthe nachtheilig wirken und endlich auch an den fast unerträglichen Gestank der Rinnsteine, der wohl jedem im Gedächtniß sein wird, der einmal zur Sommerzeit die Straßen von Berlin durchwandelt hat. Die Bedingungen zu letzterem sind reichlich gegeben in dem Eisen, welches sich von den Beschlägen der Räder und Pferde abnutzt, schwefelsaure Salze und organische Substanzen liefert der Rinnstein in hinreichender Menge. Es bildet sich Schwefeleisen und dieses giebt Veranlassung zu einer Schwefelwasserstoffgasentwickelung, einem jeden durch die faulen Eier bekannt. Wie energisch organische Substanzen schwefelsaure Salze in Schwefelverbindungen umwandeln, dafür zum Schluß noch ein Curiosum als Beleg. Eine Maus, die in eine Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxydul gefallen, war in kurzer Zeit durchweg in Schwefelkies verwandelt.




Lebens- und Verkehrsbilder aus London.
Der höhere Bettlerorden.

Die Mission des Ordens. – Rührende Scene im Honigmonat. – Miß Caroline Johnson. – Ein Kirchenlicht. – Die Engel des Mitleids. – Die Deutschen als Ordensbrüder.

Man kann zwei Menschenalter hindurch alle Tage London gesehen, beschrieben, studirt und dreimal in- und auswendig, unten und oben besehen haben und dabei ein Solon, ein Humboldt sein, ohne die Existenz des Ordens, den wir eben schildern wollen, nur zu ahnen. Die Ausdehnung und Wichtigkeit jener respectabeln Corporationen ist uns erst nach einer langen Reihe von Beobachtungen, durch Privatmittheilungen und aus dem reichen Erfahrungsschatze deutscher und englischer Stadtmissionäre allmälig klar geworden. Daß wir selbst der mesmerischen oder sympathetischen Praxis dieser edeln Körperschaft mehr als einmal ausgesetzt waren, kommt uns in der Bestimmtheit und Genauigkeit unserer Schilderung gewiß zu Statten.

Jeder Mensch erblickt das Licht der Welt, wie man als guter Christ auch in Bezug auf Heiden und sogar Türken annehmen muß, mit einer bestimmten Mission. Die Aufgabe unseres Ordens ist es, so recht im Gegensatz zu dem Jesuiten-Orden, Humanität zu verbreiten, Wohlwollen und Wohlthun als das Wesen der Religion immer lebendig zu erhalten, das harte Herz des Geizigen zu erweichen und den Reichen, die bekanntlich mit besondern Schwierigkeiten kämpfen, wenn sie in den Himmel wollen, Mittel zu bieten, durch Wohlthätigkeit gegen ihre armen „Mitbrüder“ sich den Pfad der Tugend und in den Himmel zu erleichtern. Für diese wichtigen Lectionen, welche die Mitglieder des Ordens geben, nehmen sie nur freiwillige Belohnungen an, ohne je einen Preis zu bestimmen, ganz unähnlich dem Staate, der für seine Dienste, gleichviel ob sie der Unterthan braucht oder will, immer sehr hohe

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_186.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)