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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Fabrikbetrieb der Natur kennen lernen werden; Fingerzeige, die der Mensch sich nutzbar zu machen gewußt hat.

Unter allen Schwefelmetallen ist besonders das in verschiedenen Arten unter den Namen Speerkies, Strahlkies, Kammkies, Leberkies und Haarkies in großer Menge in der Natur vorkommende Schwefeleisen geneigt durch den Einfluß des Sauerstoffs und der Feuchtigkeit eine Veränderung zu erleiden und in Eisenvitriol – schwefelsaures Eisenoxydul überzugehen. Auf dieses Verhalten hat man eine hüttenmännische Gewinnung des Eisenvitriols, der besonders in der Färberei und dann auch zur Darstellung der rauchenden Schwefelsäure viel gebraucht wird, begründet. Man überläßt ihn, in großen Haufen aufgeschichtet, sechs Monate hindurch der Einwirkung der Luft, in welcher Zeit die Umwandlung vollendet ist. Man zieht das neue Product einfach mit Wasser aus und dampft es ein, damit der Eisenvitriol in Krystallen anschieße. Oft hat man auch nicht einmal die Laugen zu bereiten, da diese sich in den Grubenwässern schon darbieten, die den Eisenvitriol aus dem Gesteine selbst ausgezogen haben. Die ganze Arbeit beschränkt sich hier auf das Verdampfen der Grubenwässer. Aehnlich ist der Vorgang beim Kupferkies – Schwefelkupfer. Hier bereitet man aus dem Grubenwasser entweder Kupfervitriol oder man schlägt aus ihnen dadurch, daß man altes Eisen hineinlegt, das Kupfer als Metall nieder, wobei das Eisen sich mit der Schwefelsäure verbindet und als Vitriol wieder gewonnen werden kann.

Die Umwandlung der Zinkblende – des Schwefelzinks – in Zinkoxyd, wobei der Schwefel durch den Sauerstoff der Luft abgeschieden und ersetzt wird, würde für die Bereitung des Zinks, das in neuerer Zeit vielfache Anwendung erfahren hat, von besonderer Wichtigkeit sein, wenn sie in einem ausgedehnteren Maßstabe stattfände, oder wenn die Bedingungen dieser Veränderung so genau erforscht wären, daß sie künstlich hervorgerufen werden könnten. Die Zinkblende gehört mit zu den am häufigsten vorkommenden Zinkerzen, das Metall selbst ist daraus aber so schwierig herzustellen, daß das Erz bis jetzt dazu nicht benutzt wird, während gerade andere Metalle z. B. Blei hauptsächlich aus den Schwefelverbindungen gewonnen werden.

Von besonderem Interesse ist die einfache Weise, auf welche die Natur Bittersalz – schwefelsaure Magnesia – fabricirt; sie wird uns klar durch einen Blick auf das geognostische Vorkommen zweier Mineralien: des Gypses – schwefelsauren Kalkes – und des Dolomits, Bitterspaths – einer Verbindung von kohlensaurer Magnesia und Kalk – und ihr Verhalten gegen Wasser. Besonders der fasrige Gyps tritt in der Natur auf entweder wechselweise geschichtet mit buntem Sandstein oder zwischen diesem und Muschelkalk, in allen diesen Gesteinen kommt nun Dolomit vor, der im Sandstein oft als Bindemittel dient, um die kleinen Quarztheilchen zusammen zu halten. Oft ist der Gyps hier auch unmittelbar von dolomithaltigem Mergel umgeben. Freilich ist das Auflösungsvermögen des Wassers für Gyps ein äußerst geringes, so daß erst 460 Theile Wasser im Stande sind, einen Theil Gyps aufzulösen, – aber doch immer beträchtlich genug, um diesen interessanten Zersetzungsprozeß durchzuführen.

Große Wassermassen, von der Oberfläche der Gewässer und der feuchten Erde als Dunst in die Luft aufgestiegen, fallen aus dieser als Regen auf die Erde nieder und durchdringen sie nach allen Richtungen; auch durch die Gypslager sickert es hindurch und beladet sich auf diesem Wege, so viel es vermag, mit Gyps. Gelangt es nun weiter in die dolomithaltigen Schichten, so macht die Schwefelsäure ihre größere Verwandtschaft zur Bittererde geltend. Sie verläßt den Gyps und bildet mit der Bittererde das bekannte und viel gebrauchte Bittersalz, während auf der andern Seite aus dem Gyps Kalkspath – kohlensaurer Kalk entsteht, der unlöslich ist und daher zurückbleibt. Auf gleiche Weise kann der Chemiker diese Umwandlung in kurzer Zeit ausführen, wenn er in Gypslösung kohlensaure Bittererde schüttet. Diese Thatsache erklärt uns die Entstehung des in der Natur vorkommenden Bittersalzes.

Die rastlose Bewegung des Wassers im Schooße der Erde läßt es nun wieder in feinen Spalten und Rissen zur Oberfläche aufsteigen und hier verfällt es der Macht der Sonnenwärme; das Wasser verdampft und das Salz bleibt zurück, namentlich im Sommer manche Gegenden wie mit einer Schneedecke bekleidend. Dem Menschen bleibt nur übrig zu sammeln, was die Natur für ihn fabricirt hat; er erntet, wo er nicht säete.

Auf keinem andern Grunde, als diesem schönen Beispiel des Kreislaufes gegenseitiger Bildung und Zerstörung in der Natur, der Grundlage des gesammten Lebens auf der Erde, beruht die Entstehung der geschätzten und weit bekannten Bitterquellen von Seidschütz, Sedlitz und Püllna in Böhmen und von Epsom in England. In Böhmen hat man der Natur das Geheimniß abgelauscht, man fabricirt das Mineralwasser auf die Weise, daß man Gruben in den Mergel gräbt, in denen sich nach und nach Wasser ansammelt und die Zersetzung einleitet. Je länger es darin steht, um so reichhaltiger wird es, weil das Wasser mit der Zeit verdampft. Dieser Umstand hat hauptsächlich mit zur Gründung der Fabrikation der künstlichen Mineralwasser, die jetzt in einem ausgedehnten Umfange zum Heile der leidenden Menschheit betrieben wird und auf die wir bei Gelegenheit einmal ausführlicher zurückkommen werden, mit beigetragen. Es bedurfte der Jahrtausende, um die Richtigkeit eines bereits von Aristoteles aufgestellten Satzes: „die Natur des Wassers hängt ab von den Erdschichten, durch die es gegangen“, darzuthun. Dies ist eines der unzähligen Beispiele, die dem Menschen Bescheidenheit predigen; es zeigt uns, wie wenig Ursache man hat, dem menschlichen Geiste maßlose Hymnen zu singen.

Es sollte mir leicht werden, von der natürlichen Industrie, die auf der Verwitterung beruht, eine noch viel reichhaltigere Musterkarte zu liefern; doch ich muß mich bescheiden, um den mir zugemessenen Raum nicht zu sehr zu überschreiten. Nur auf die Alaunerde und die Thone will ich hier noch eingehen, da sie für unsere Industrie von so großer Wichtigkeit sind. Die erstere bildet die natürliche Grundlage bei der Fabrikation des Alauns, der hauptsächlich in sehr großen Mengen in der Färberei und bei dem Farbendruck, in der Weißgerberei, bei der Fabrikation der Kerzen und des Kobaltblau gebraucht wird, und die letztere bei unserer sammten Thonwaaren- und Porzellanfabrikation.

In dem Alaunschiefer – Kieselsäure und Thonerde, gemengt mit reichlichen Mengen von Kohle – findet sich fein eingesprengt Schwefeleisen, aus dem sich durch die Einwirkung des Sauerstoffs und des Wassers, unter anderem auch freie Schwefelsäure bildet, die nun ihrerseits wieder auf den feinzertheilten Thon wirkt, und sich mit der Thonerde daraus verbindet. Bei diesen Vorgängen erzeugt sich so bedeutende Wärme, daß da, wo die Lager zu Tage ausgehen, oder wo sie bloßgelegt sind, – also dem Sauerstoff der Luft freier Zutritt gewährt ist, - Feuer ausbricht, welches in dem reichen Kohlenstoff hinlänglich Nahrung findet. Erdbrände dieser Art sind nicht selten. Hierauf gründet sich die künstliche Darstellung des Alauns, indem man die Alaunerze thonige Gesteine, als Alaunstein, Alaunschiefer, auch Thonschiefer, Stein- und Braunkohlen, welche die Bedingungen zur Bildung der schwefelsauren Thonerde in sich vereinigen, an der Luft verwittern läßt, dann das neue Gebilde mit Wasser auszieht und durch Zusatz von Aschenlauge, Pottasche oder Ammoniak enthaltendem Harn in Alaun umwandelt. Auch hier ist die Natur Lehrmeisterin des Menschen.

Im ausgedehntesten Umfange und als das wichtigste Produkt der Verwitterung tritt die Thonerde auf. Trotz der anscheinenden Festigkeit und der Krystallgestalt der zahlreichen Feldspatharten und verwandten Gesteine – Verbindungen von Kieselsäure, Thonerde und Alkalien, welche letztere oft ganz oder theilweise durch Kalk, Bittererde etc. ersetzt sind – unterliegen sie dennoch den unausgesetzten Angriffen der Kohlensäure und des Wassers; die Alkalien und deren Stellvertreter werden entführt, die regelmäßige Krystallgestalt zerstört und Kieselsäure und Thonerde bleiben in einem sehr fein zertheilten Zustande zurück, dem die Thone – denn dies sind im Allgemeinen die Zersetzungsprodukte, – ihre Bildsamkeit, die Eigenschaft mit Wasser einen Teig zu bilden, der einerseits weich genug ist, um sich selbst in die feinsten Vertiefungen einer Form eindrücken zu lassen, andererseits aber durchaus keine Elasticität besitzt, so daß er jeden einmal empfangenen Eindruck treu bewahrt, verdanken. Ebenso mannigfaltig, wie die Produkte, ist auch die Entstehung dieser Gebilde; es hat von Seiten der Wissenschaft eine eiserne Ausdauer erfordert, hier das geheime Walten der Natur zu enthüllen. Die meisten Thone sind verunreinigt durch eine Menge von Stoffen, die ihrem Ursprunge fremd sind und meistens, wie ihre ursprünglichen Gesellschafter, die Alkalien, gleichfalls durch die Gewalt des

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_185.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)