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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

„Und wer erzählte Ihnen diesen letzten Theil der Geschichte?“ fragte ich den Creolen.

„Ein flüchtiger Neger, der Quinola einige Dienste erwiesen hatte; als er abreiste, vermachte er Ihm seine Grotte. Seit vielen Jahren besucht dieser Ausreißer das Gebirge und die Verstecke; sein Herr lebt nicht mehr und man läßt ihn friedlich herumschweifen. Ohnedem sieht man ihn nur, wenn er will; wenn wir da oben jagen, redet er uns manchmal an und bietet seine Dienste als Führer an. Er war es ohne Zweifel, den wir heute Abend von hier verscheuchten, weshalb ich in die Luft schoß, aber es war klug, Feuer zu geben, denn es giebt noch Andere in der Nähe.“ –

„Die Vorsehung,“ bemerkte der Doctor, „setzte auf Euere Insel weder Schlangen noch wilde Thier; den Europäern war es vorbehalten, eine Menschenklasse hier hervorzubringen, die ich gerne Waldmenschen nennen würde.“




Aus der Menschenheimath.
Briefe des Schulmeisters emerit. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Einundzwanzigster Brief.
Die Insekten-Verwandlung.
(Schluß.)

Würdest Du nicht, lieber Freund, für die meisten meiner heutigen Figuren die Vorbilder vielmehr im Pflanzenreiche als in der Thierwelt suchen? Bei dem Worte Ei denken wir an die schlichte gerundete Gestalt, welche die Eier der Vögel, Fische und Amphibien so allgemein haben, daß die Eiform zum allgemein verständlichen Erklärungsmittel geworden ist. „Dies oder jenes Ding hat die Form eines Eies.“ Mit diesen Worten sind wir vollkommen aufgeklärt. Aber nun sieh unsere Figuren an! Sollte Fig. 8 nicht vielmehr einen zierlichen Blattpilz darstellen? Sind Fig. 3 nicht vielmehr Pflanzenknöllchen, Fig. 6 und 7 nicht etwa Pflanzensaamen?

Ich will dasjenige, was ich in einem kurzen Briefe über diesen reichen Stoff zusammendrängen kann, an meine Figuren anknüpfen.

Fig. 1 ist ein Schmetterlingsei und zwar von der bekannten Kupferglucke, Gastropacha quercifolia. Die Schmetterlinge haben in der Gestalt des Eies nichts eben sehr Abweichendes; nur in der Anordnung derselben nach dem Ablegen und wie sie dieselben vor den Witterungseinflüssen und vor den Nachstellungen ihrer Feinde zu sichern suchen, zeigen sie oft auffallende Erscheinungen. Die aschgrauen runden Eier der Kupferglucke zeigen zierliche stahlgrüne Ringe. Sie finden sich frei an Baumstämmen abgelegt.

Unsere gemeinen Heuschrecken bergen ihre Eier (Fig. 2) in förmliche Packete vereinigt (siehe die Figur rechts) unter der Erde. Dazu haben sie eine aus zwei Klappen gebildete säbelförmige Legscheide. Als Kind unterschiedest Du daran die stummen Weibchen von den singenden Männchen, wenn Du Dir diese Feldmusikanten für die Graspferdhäuschen einfingst.

Aber großartige Anstrengungen muß der Käfer machen, dessen Eier uns Fig. 3 (rechts ein einzelnes davon) in Vergrößerung zeigen, ehe er sie ablegen kann. Mit vollstem Recht hat dieser Käfer (Necrophorus) davon den Namen des Todtengräbers erhalten. Während er selbst auf Pflanzen lebt, wohnte er als Larve in stinkendem Aas, was auch deren Nahrung ausmacht. Lege einmal wenn es Sommer wird, einen kleinen todten Vogel oder eine Maus auf ein Gartenbeet. Nach einigen Tagen wirst Du ihn an derselben Stelle begraben und mit Erde bedeckt finden. Ein für uns Menschen unbegreiflich feines Spurvermögen wehete mit der Luft diesen Käfern die Kunde zu, daß hier ein noch unbestatteter Leichnam liege. Sie flogen herbei und legten ihre Eier aus und in denselben und erledigten dann eine Arbeit, größer als es uns sein würde, ohne Werkzeuge, blos mit unsern Händen, einen Elephanten zu begraben. Sie unterwühlten den Leichnam bis er in die Erde sank, worauf sie ihn mit Erde bedeckten.

Fig. 4 zeigt Dir das Blatt eines Grases, am Rande eines Baches gewachsen. Der schwarze gegitterte Fleck darauf ist ein Eierhaufen einer Köcherjungfer (Phryganea), die wir bei dem Larvenzustande als geschickte Arbeiterin kennen lernen werden. Die Eier sind durch eine Gallerte in sehr regelmäßiger Anordnung verbunden, wie Dir ein vergrößerter Theil des Eierhaufens links zeigt. Das Insekt, ein Ordnungsverwandter der bekannten Libellen, schwärmt in Menge in der Nähe der Gewässer und seine in düstere Farben gekleideten vier Flügel, die es sitzend aufwärts zusammengeschlagen trägt, gleichen in der Form etwas denen der Schmetterlinge. Da das Insekt seiner Lebensweise zufolge seine Eier auf solche Pflanzentheile legt, welche unmittelbar am Wasser stehen, so gelangen die auskriechenden Lärvchen leicht in dieses ihr Element, wo wir ihnen später begegnen werden.

An dem Zweigstückchen Fig. 5 sehen wir, durch unauflöslichen Kitt zu einem festen Ringe verbunden, die Eier eines Schmetterlings (Gastropacha neustria), dessen Raupe unter dem Namen Ringel- oder Bandraupe allgemein bekannt und als ein Feind unserer Aepfelbäume gefürchtet ist. Man kann den festen Eierring oft leicht von dem Zweige abziehen. Wenn die Meisen und andere Singvögel im Winter und Spätherbst in unseren Obstgärten von Baum zu Baum schlüpfen, so sind sie beschäftigt, uns von diesen und den Eiern anderer schädlicher Schmetterlinge zu befreien.

Wenn wir das verborgene Leben auf dem Grunde eines Sumpfes oder Teiches der Aufmerksamkeit werth halten, die es, wie die ganze uns umgebende Natur verdient, so finden wir dort auch ein häßliches, aschgraues, abenteuerlich gestaltetes Insekt mit ganz plattgedrücktem Leibe und sonderbaren Fangarmen. Es ist der Wasserskorpion (Nepa cinera), der seine Eier zu langen Schnüren verbunden legt, von denen jedes am obern Ende sieben Borsten hat, womit es in der Schnur das vordere umfaßt. Ein einzelnes Ei und ein Stück Eierschnur siehst Du in Fig. 6 dargestellt.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_175.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)