Seite:Die Gartenlaube (1854) 159.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

immer ein und denselben Krystallpalast zu erblicken glauben. Der Gesammtflächenraum des Gebäudes mißt 134,400 Quadratfuß, wozu noch 34,800 Quadratfuß Gallerien und 80,000 Quadratfuß Tischraum kommen. Die Baukosten werden etwa die Summe von 11/2 Mill. Gulden erreichen. Besser als alle diese Zahlen und Größenverhältnisse wird unsere Abbildung den Lesern das Ausstellungsgebäude veranschaulichen.

Das Industrie-Ausstellungs-Gebäude in München.

Die Betheiligung der deutschen Industriellen, die österreichischen inbegriffen, ist außerordentlich, und die bisher zur Aufstellung angemeldeten Gegenstände nehmen schon einen größern Raum in Anspruch, als vorhanden ist. In allen deutschen Staaten sind von den Regierungen aus Comitéen ernannt worden zur Regelung der Zusendungen; an der Spitze der Ausstellungscommission in München steht Staatsrath v. Fischer. Entgegen dem in der Londoner Ausstellung befolgten Grundsatze werden die ausgestellten Gegenstände nicht nach Ländern, sondern nach Gattungen unterschieden werden. Es giebt dies zwar einen weniger umfassenden Ueberblick über die Gesammtindustrie eines jeden einzelnen Landes, gewährt aber dafür den Vortheil, die gleichen Industriezweige der verschiedenen Staaten besser vergleichen zu lassen. Die Eintheilung selbst findet in zwölf Gruppen statt, als 1) Mineralien und Brennstoffe, 2) landwirthschaftliche Erzeugnisse, 3) Chemikalien und Farben, 4) Nahrungsmittel und häusliche Consumtionsgegenstände, worunter auch Seifen und Beleuchtungsgegenstände zählen, 5) Maschinen, 6) Instrumente, 7) Gespinnste und Gewebe, 8) Metallwaaren und Waffen, 8) Glas und irdene Waaren, 10) Holzwaaren und Kurzwaaren, 11) Papier, Schreib-und Druckwaaren, 12) alle Leistungen der bildenden Künste, sofern sie Gegenstände der Ausstellung werden können.

Noch niemals wurde der deutschen Industrie die Gelegenheit in so großartigem Maßstabe geboten, den von ihr errungenen Standpunkt vor den Augen des Publikums darzuthun, und wohl jedes deutsche Ländchen nennt hierbei irgend einen Industriezweig sein eigen, in welchem es keinen Vergleich zu scheuen braucht. Das vielseitig Gute, was durch diese große Schaustellungen der Industrie erzielt wird, ist schon oftmals hervorgehoben worden; ihr Werth besteht nicht darin, daß sie die Neugier der gewöhnlichen Besucher befriedigen, sondern daß sie den Wetteifer der Industriellen unter einander wecken, die höhern Fortschritte der Industrie verallgemeinern, den Consumenten für Entdeckung besserer Bezugsquellen die Mittel an die Hand geben, und neue Ideen anregen und wecken. Wir Deutsche können Anlässe, wie der vorliegende, außerdem als ein kleines äußeres Band der Nationaleinheit betrachten, so lange uns noch die stärkern Bande fehlen, und so begrüßen wir auch um deßwillen freudig die deutsche Industrieausstellung in München. Würde sich denn noch bis zum Juni der politische Horizont wieder aufklären, so blieb uns für das völlige Gelingen des Unternehmens an der Isar kein Wunsch zu thun übrig.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_159.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)