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u. s. w. entstanden sind. Uebrigens werden die Schichtgesteine an vielen Punkten der Erde in Folge vulkanischer Processe von Massen- und Schiefergesteinen in der verschiedenartigsten Weise gehoben und durchbrochen. Bei genauer Untersuchung der Schichtgebilde zeigt sich, daß die Meeresbildungen bedeutend vor den Süßwasserbildungen vorherrschen und daß nur zur Zeit der Stein- und Braunkohlen eine üppige Landvegetation existirt habe. – Zu Anfange der Sedimentbildungen scheint auf der Erde nur Wasser, Luft und eine Anzahl das Wasser überragender Felsengruppen, kein Flachland vorhanden gewesen zu sein. Im Wasser begann sodann das Leben mit der Entstehung von Pflanzen und Thieren, denen die Riffe ihre Entstehung verdanken. Durch Verwitterung der Felsen an ihren Gipfeln und Füßen, und durch Lösung von Felsstücken mit Bildung von schuttartigem Gerölle, sowie in Folge des Hinwegführens des Verwitterten durch Wasser und Winde bildete sich allmälig Strand um die Felsen und mit dem Fortschreiten der Strandbildung entstand Flachland zwischen den Felsen. Jetzt entwickelte sich auf dem Lande eine tropische Pflanzenwelt, welche die Luft durch Reinigung von der Kohlensäure zuerst zum Athmen für Amphibien, dann für Vogel und Säugethiere, und endlich für den Menschen tauglich machte.

I. Die Fisch-Steinkohlenperiode, die erste sedimentäre Epoche, welche die Grauwacken-, Steinkohlen-, Rothliegende-, Zechstein- und Kupferschiefergruppe (das Cambrische, Silurische, Devonische und Permsche System) in sich schließt, zeichnet sich in ihrem Beginne (in der Grauwackengruppe) nur durch die zahlreichen Seethiere und die üppigen Meerpflanzen aus. Ihnen folgten später die riesenhaften Landpflanzen (der erste Urwald), welche zum großen Theil in Steinkohlen verwandelt wurden, in denen aber die Spuren von Insekten, Schaben und scorpionartigen Thieren gefunden werden. Am Ende dieser Periode scheinen gewisse Meerthiere der früheren Zeit schon untergegangen und dafür andere vorhanden gewesen zu sein; auch tritt hier zuerst ein eidechsenartiges Reptil (der Proterosaurus) auf. – Die wurmartigen Graptolithen, die jetzt versteinert, als fast körperlose Zeichnungen im dunklen Grauwackenschiefer noch zu finden sind, scheinen die ersten Meerbewohner gewesen zu sein, ihnen folgten dann Polypen (Haarsterne), später Mollusken (Muscheln und Schnecken), krebsartige, den Kellerasseln ähnliche Thiere (Trilobiten) und Fische. Mit oder vielleicht schon vor den Graptolithen existirten im Urweltmeere krautartige Gewächse (Tangen) von knorpliger oder lederartiger Beschaffenheit, wahrscheinlich braun oder roth gefärbt, ohne Blätter und Blüthen, frei im Wasser schwimmend. – Die Fische, waren Knorpelfische, den Rochen und Haifischen ähnlich und mit festen, breiten und höckerigen Zähnen bewaffnet, besaßen alle (wahrscheinlich wegen der großen Hitze des Meerwassers und der starken Brandung an den Felsen) einen dicken Panzer, welcher entweder aus großen oder kleinen Hornplatten, die mit verschiedenen Höckern oder langen Stacheln besetzt waren, bestand, oder aus rautenförmigen Hornschuppen, die an ihren Kanten meist durch vorspringende Zapfen und Fugen der nächstliegenden Schuppe eingefügt waren. Die Cephalaspiden sahen den Schildkröten ähnlicher als Fischen, denn ein solider aus großen starken Schildern zusammengesetzter Panzer bedeckte den Kopf und Rumpf auf der Rücken- und Bauchseite. Der Körper hatte eine flache Drachen- oder Rochenform mit kurzem kegelförmigen Schwanze. Die Cölacanthinen waren große, starke, plumpe Fische mit einem dicken Kopfe und weiten, mit zahlreichen kräftigen Zähnen besetzten Maule; der Körper war mit großen, starken, emaillirten Schuppen gleichmäßig bedeckt. – Die ersten Landpflanzen waren, weil die wasserreiche Atmosphäre für die Sonnenstrahlen noch nicht gehörig durchdringbar war, höchst wahrscheinlich große holzige Pilze, wie aus Versteinerungen in der Grauwacke hervorgeht. Nach ihnen fanden sich die Pflanzen der Kohlenperiode (Farrenkräuter und Bärlappe, Schachtelhalme und Schuppenbäume), welche zum größten Theil gänzlich von den jetzt existirenden Pflanzenformen abweichen. – Von den Wirbelthieren fand man in der obersten Schicht dieser Periode, also im Zechstein und Kupferschiefer, ein eidechsenartiges Reptil, den Proterosaurus, welcher am Ufer von Fischen gelebt zu haben scheint. Neuerlich ist aber schon in der Steinkohlengruppe der Schädel einer froschähnlichen Eidechse (Archegosaurus) entdeckt worden, die ebenfalls ein räuberischer Meeruferbewohner gewesen sein dürfte.

II. Die Amphibien-Kalksteinperiode, die zweite sedimentäre Epoche, welche aus der Trias-, Jura- und Kreidegruppe besteht, eine Dicke von 4 – 5000 Fuß besitzt und sich in etwa 11/2 bis 4 Millionen Jahren gebildet hat, besaß außer den Farren und Schachtelhalmen, auch noch Palmen, Nadelholz- und Laubholzbäume, und ist besonders wegen der zahlreichen und wundersam gestalteten Amphibien interessant. Vorzüglich spielen die eidechsenartigen Amphibien (die Saurier) ebenso im Meere, wie auf dem Lande und in der Luft eine große Rolle. Auch Schildkröten und Krokodile gab es, nicht aber Schlangen und Froscharten. Aus dem versteinerten buntgefleckten Kothe (Koprolithen) der Meersaurier werden jetzt Schmucksachen gemacht. – Die Labyrinthodonten (Trematosaurus, Zygosaurus, Mastodonsaurus, Capitosaurus, Archegosaurus), mit Haifischzähnen aus merkwürdig gewundener Zahnsubstanz, scheinen die merkwürdigsten und ältesten aller untergegangenen Amphibien des Landes gewesen zu sein. Ihr schlanker Kopf, der allein näher bekannte Theil, gleicht im Allgemeinen dem der gemeinen Eidechse; der bei einigen plumpe, kurze und breite, bei anderen wahrscheinlich schlanke und lange Rumpf mit langem Schwanze und kurzen, plumpen Gliedmaßen, von denen die vordern kürzer, als die hintern waren, war von feinen hornigen Ziegelschuppen bedeckt und an der Kehle saßen drei große Knochenplatten (Kehlpanzerplatten). Die Labyrinthodonten bildeten ein Gemisch von Eidechse, Frosch, Krokodil und Schildkröte und hatten etwa die Größe eines großen Schweines. Ihre Fußstapfen (im bunten Sandsteine) hatten eine große Aehnlichkeit mit dem Eindruck, der durch die Hand eines Menschen hervorgebracht werden kann. – Die Enaliosaurier, Meersaurier, Meereidechsen, im Meere lebend, waren fischähnliche, etwa 15 bis 20 Fuß lange Eidechsen mit großen flossenförmigen Gliedmaßen und nackter Wallfisch-Haut; die eine Gattung derselben mit großem delphinähnlichen Kopfe, kurzem Halse, kurzen und breiten Flossen, dickem gedrungenen Körper und langem Schwanze, erhielt den Namen Ichthyosaurier (Fischeidechsen), die andere mit kleinem, schmalen, krokodilähnlichen Kopfe, langem Halse und längern, schmälern Flossen, nennt man Plesiosaurier (Nachbareidechsen); zu den Plesiosauren scheinen auch die Seedrachen oder Halidrakonen mit kleinem Kopfe, großen Fangzähnen, langem Halse und langen Flossen, kurzem Rumpfe und langem Schwanze, gehört zu haben (als Nothosanrns, Dracosaurus, Pistosaurus, Simosaurus, Conchiosaurus). – Dinosaurier (Megalosaurus, Mosasaurus, Hyläosaurus, das Iguanodon) waren riesenhafte, bis 100 Fuß lange, plumpe Landeidechsen oder Krokodile mit Klumpfüßen. – Die Flugsaurier, Pterodoctylen, waren fledermausartige Thiere, nackte, fliegende Eidechsen, nicht größer, als unsere jetzigen Fledermäuse.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_150.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)