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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Last; seine Länge beträgt 280 Fuß, seine Breite 60 Fuß, die vordere Tiefe 57 und die Hintere 65 Fuß, so daß er mithin über 1 Million Kubikfuß Inhalt hat. Die Buchstaben A–B auf unserer Abbildung bezeichnen das Oberdeck. Von dem Grenzgeländer a bis zu der Treppe b reicht das erhöht liegende Spiegeldeck, der Ort, von welchem aus der Admiral seine Signale und Befehle ertheilt; im Kampfe unterhalten auch die Seesoldaten von hier aus das Kleingewehrfeuer. Die Admirals- und Capitänszimmer nebst andern Offizierzimmern liegen unter dem Spiegeldeck. Der Raum von der Treppe b bis zum Hauptmast c heißt das Halbdeck und kann in gewisser Weise als der Paradeplatz des Schiffes bezeichnet werden; von hieraus erfolgen die auf Führung des Schiffs bezüglichen Befehle. Zwischen dem Hauptmaste c und dem Fockmaste d lagern Nothmaste, Lärmwaffen und dergleichen. Der Theil vom Fockmast bis zur Spitze des Schiffs wird Vorderdeck genannt, und ist mit den tüchtigsten Seeleuten bemannt. Von dem Oberdeck führen mehrere Leitern auf das Hauptdeck C–D herunter; f ist die Cajüte des Befehlshabers, g das Speisezimmer des Admirals, an welches der Salon u. s. w. stößt; hieran reiht sich in derselben Ausdehnung wie auf dem Oberdeck das Halbdeck, während der ganze übrige Theil des Hauptdecks Gallerie genannt wird; h ist das große Wasserfaß für den täglichen Gebrauch, i die Küche. Das Mitteldeck E enthält im hintern Theile unter I das Speisezimmer der Offiziere und deren Cajüten zwischen den Kanonen: m ist die Schiffswinde, womit der 101 Centner schwere Anker aus dem Grunde gezogen wird; n das Krankenzimmer und o die Apotheke. Auf diesem Decke hält sich vorzugsweise die Militärmannschaft auf. Die Buchstaben G–H deuten das gewölbte oder Kanonendeck an, auf welchem sich das schwerste Geschütz befindet. Hier wohnt der größte Theil der Schiffsmannschaft, zwischen den Kanonen stehen die Eßtische, an den Balken oben sind die Hängematten befestigt; p ist die Constablercajüte. Das Unterdeck I–K endlich liegt 2 Fuß unter dem Wasserspiegel und ist daher finster: der Vorrath und die Bagage des Schiffes ist daselbst zusammengedrängt; q ist das Zimmer des Proviantmeisters, r ein größerer Raum zum Aufenthalt für die Seecadetten, an welchen sich t und u allerlei Vorratskammern reihen; v ist die Pulverkammer, in welcher die größten Vorsichtsmaßregeln getroffen sind, so daß sie im Fall der Gefahr augenblicklich unter Wasser gesetzt werden kann, ohne daß deshalb das Pulver verdorben würde, da sich Alles in streng hermetisch verschlossenen Zinkbüchsen befindet; y ist das Wassermagazin, das aus Ständern von je 100 Tonnen Inhalt besteht, für den Wein ist hier ebenfalls ein Plätzchen; in den Kammern z liegt Salz und anderer trockener Proviant aufgespeichert; und sind die zur Heizung der Maschine bestimmten Räumlichkeiten, und an sie stößt zuletzt das Brotmagazin.

So ausgerüstet, durchschneidet der Wellington mit seinen 131 Kanonen die Wogen des Meeres mit Dampf und mit Segeln, in seinen Eingeweiden voller Unheil und Verderben. Gegenwärtig ist er das Admiralsschiff des Admirals Napier, der bekanntlich zum Befehlshaber der nach der Ostsee bestimmten Flotte ernannt worden ist. Die englische Admiralität beabsichtigt dem Wellington eine Reihe ebenbürtiger Genossen an die Seite zu stellen, und man geht sogar damit um, noch weit größere Verhältnisse zu erzielen. Allein schon ein halbes Dutzend Schiffe wie der Wellington würden genügen, um den festesten Hafenplatz der Welt mit allen Wällen, Dämmen und Mauern von granitnen Quadern binnen wenigen Stunden in einen rauchenden Aschenhaufen zu verwandeln. Bringen wir außerdem mit in Anschlag, daß die riesenhaften Handelsschraubendampfer, wie sie bisher nur englische Gesellschaften besitzen, daß z. B. der Himmalaya in eilf Tagen 3000 Mann Soldaten nach Constantinopel führen könnte, so sehen wir für künftige Zeit das ganze herkömmliche Kriegssystem über den Haufen geworfen und die seitherige Leichtigkeit in Vertheidigung der Küsten hat aufgehört zu existiren. Wie feuerschwangere Gewitterwolken kreuzen die colossalen Schraubendampfer umher, um jeden Augenblick sich über die bedrohte Stätte zu entladen und zur wahrhaftigen ultima ratio zu werden.




Ein Stündchen auf dem Monde.

Von Ferd. Stolle.

Eine duftende Juninacht. Ringsum träumen die Blumen – schlaftrunken tönen die eilf Glockenschläge der Dorfkirche durch die Kirchhoflinden – tiefe Ruhe –

„Da im östlichen Bereiche
Ahn’ ich Mondenglanz und Glut –
Schlanker Weiden Haargezweige
Scherzen auf der nächsten Fluth.
Durch bewegte Schattenspiele
Zittert Luna’s Zauberschein
Und durch’s Auge schleicht die Kühl
Sänftigend in’s Herz hinein.“

Der Vollmond ist aufgegangen und steht in Sabbathstille über den Waldbergen. Heilige Blume der Nacht, soll ich dich astronomisch zergliedern, deine Phasen, deine Finsternisse, deine siderische, tropische, synodische, anomalistische und draconitische Bahn, deine Perturbationen, die den Astronomen so viel Kopfzerbrechen verursachen? – nein, das gehört in wissenschaftliche Lehrbücher – erfreuen wir uns deines milden Glanzes und versetzen wir uns lieber selbst in diesen Glanz, um zu sehen, ob es bei dir wirklich so lieblich und sanft aussieht, wie es dein freundlicher Anblick erwarten läßt – scheuen wir die funfzigtausend Meilen nicht, folgen wir dem Lichtstrahl, der uns in wenigen Secunden zu dir bringt.

Da sind wir! – aber als Geister, denn mit unserm an Beefsteak und bairisch Bier gewöhnten Erdenmantel oder Körper, würden wir, wie wir später sehen werden, keine fünf Minuten auf dem Monde auszuhalten vermögen. Wir streifen darum als Geister, aber mit menschlichen Augen, wissensdurstig über die wunderbaren Formen und Bildungen der Mondoberfläche, die da ganz verschieden sind von denen der Erde. Da fallen uns vor allen Dingen weite, meilengroße, kreisförmige Wälle in die Augen, deren Boden fast immer unter dem Niveau der sie umgebenden Ebene gelegen und in deren Innern sich zuweilen Berge erheben. Die Wissenschaft theilt diese wunderbaren, seltsamen Gebilde in Wallebenen, Ringgebirge, Krater und Gruben. Die Wallebenen sind die größten Gebilde dieser Art und haben einen Durchmesser von zehn bis dreißig Meilen. Diese Wallebenen sind unstreitig die ältesten Gebilde der Mondoberfläche; sie zeigen nicht mehr ihre ursprüngliche Form, sondern nur Reste derselben, versteckt und verdrückt durch spätere Bildungsformen. Die Ringgebirge haben einen Durchmesser von zwei bis zehn Meilen. Sie sind kreisförmiger als die Wallebenen und ihre Zahl ist sehr groß. Noch weit zahlreicher als die Ringgebirge sind die sogenannten Krater und Gruben. Es sind dies runde Einsenkungen, die von keinem sichtbaren Walle umgeben sind. Der Durchmesser dieser Gebilde ist weniger als zwei Meilen und geht herab bis auf hundert Fuß und darunter. Ihre Anzahl ist fürwahr unermeßlich. Mit einem Fernrohre von fünf Fuß Brennweite zählt man ihrer von Erden aus bereits 15 bis 20,000. Hier ist aber besonders zu bemerken, daß diese sogenannten Mondkrater wegen dieses Namens ja nicht mit den Kratern unsrer feuerspeienden Berge zu vergleichen sind, aus welchen Flammen brechen, Lava, Rauch und Asche hervorquellen. Feuerspeiende Berge kann es auf dem Monde überhaupt schon deshalb nicht geben, weil es daselbst kein Feuer giebt. Das warum werden wir sogleich erfahren. Jetzt zu den seltsamen Gebilden der Mondoberfläche zurück. Eine andere Art solcher Mondformen sind die sogenannten Rillen, sehr schmale lange, gradlaufende oder auch gebogene Vertiefungen, ähnlich den Erddurchschnitten unserer Eisenbahnen. Diese Rillen gehen oft durch kleine Krater oder hart an ihnen vorüber und endigen gewöhnlich auf einer erhabenen Ebene. Oft sind sie von Bergen dicht begrenzt und ziehen an deren steilen Wänden entlang. Nie aber laufen sie quer über dieselben hin. Solcher Rillen zählt man an die Neunzig. Manche sind nur zwei bis drei Meilen, die meisten zehn bis fünfzehn, einige fünfundzwanzig

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_120.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2020)