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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

für die Zeit vor, da er von einer siegreichen Schlacht nach Paris zurückkehren würde. Dieser Moment trat nicht ein, und Foucher führte sein Werk im Interesse der legitimen Königsfamilie zu Ende. Foucher war für Napoleon I. ein zweites Waterloo. Seine Verrätherei wurde, wie dies gewöhnlich der Fall, von denjenigen bestraft, zu deren Gunsten er verrathen. Die Bourbons gelangten auf den Thron von Frankreich und Foucher starb in der Verbannung.

Die pariser Polizei hat auch, wunderbar zu sagen, ihre Märtyrer! Es sind dies die geheimen Diener niedern Soldes, welche unter dem Namen „Mouchards“ bekannt sind, sich so zu sagen mit all ihrer Zeit und all ihren Kräften verdungen haben, sich zu Allem dem Gefährlichsten und Mühseligsten gebrauchen lassen, jede Verkleidung annehmen, jede Rolle spielen müssen. Das sind diejenigen, durch die Herr Carlier die Läden hätte erbrechen lassen, ob sie gleich gewiß als Opfer dieses Unternehmens gefallen wären. In dem Hofe der Präfektur werden oft von diesen Leuten tragikomische Scenen abgespielt, von denen ich eine treu und wahrhaft schildern will. Sie spielte zu jener Zeit, da Louis Napoleon sich zum Kaiser hatte ernennen lassen und seinen Einzug in Paris hielt.

Der Polizei fiel die Ausgabe zu, nicht nur die Beleuchtung der Häuser des Abends, Triumphbogen und andere Huldigungszeichen, sondern auch lebhaften Zuruf der Massen zu bewirken. Bei erstern Anordnungen hatte mann mit solchen Individuen zu thun, die kaum anders als der Aufforderung zu willfahren vermochten; was Anderes war es mit den Massen, die keine Gewalt zum Schreien zwingen konnte. Die Polizei griff zu dem hergebrachten Mittel, sie schickte zahllose Mouchards in den verschiedensten Verkleidungen mit der gemessenen Weisung aus, daß sie durch ihr Beispiel wirkten und den lauten Zuruf der Menge gewissermaßen erzeugten. Dieser Kunstgriff ward aus dem Theater auf die Straßen verpflanzt. Man könnte diese Herren sehr gut „politische Claqeurs[WS 1]“ nennen.

Der Erfolg dieses Manövers entsprach nicht den Erwartungen des neuen Hofes und die Bestürzung der Würdenträger fiel zunächst vorwurfsvoll auf den Chef der Polizei, von dem aus der Ausdruck der Unzufriedenheit auf der eingerichteten Stufenleiter bis zu dem dienstthuenden Kommissar hinabstieg, der unmittelbar über die ausgesandten Mouchards gesetzt war.

Verdrießlich und mürrisch wartete der Vorgesetzte in dem weiten Hofe auf die zurückkehrenden Untergebenen, um gegen sie den erhaltenen Tadel los zu lassen. Diese kamen nun, nachdem der Durchzug des Kaisers beendet war, theils einzeln, theils in kleinen Gruppen, theils als Arbeiter in Blousen, theils als Bürger, theils sogar als vornehme Herren mit Orden der Ehrenlegion gekleidet, ermüdet und abgeschlagen, um Rechenschaft von ihrem Wirken abzulegen und zu ihrer natürlichen Gestalt zurückzukehren. Nun ergab sich folgendes Gespräch zwischen dem Commissär und den Mouchards.

Commissär (mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenen Augenbrauen). „Ihr habt Eure Sachen schlecht gemacht. Man ist sehr unzufrieden mit Euch.“

Ein Alter (im schwarzen Frack und mit dem Orden der Ehrenlegion, mit heiserer Stimme). „Herr Commissär, hören Sie mich sprechen und urtheilen Sie, ob ich meine Pflicht gethan. Ich habe mich buchstäblich heiser geschrieen. Ist es meine Schuld, daß mich die verfluchten Kerls von Zuschauern allein schreien ließen und daß kein Ton aus ihnen herauszubekommen war, wie ich es auch anstellte? Die Leute guckten mich spöttisch an und lächelten, indem sie meinen Orden betrachteten. Hätte ich mich nicht vor Schlägen gefürchtet, die mir gewiß nicht entgangen wären, ich hätte den Schlingeln die ärgsten Grobheiten gesagt. Ein junger Mann, der neben mir stand, frug mich sogar in einen scheinbar ehrlichen ernsthaften Tone, welchen Verdienste ich die Auszeichnung an meiner Brust verdankte, worauf die Umstehenden mit einem schallenden Gelächter antworteten. Ich diene dem Staate schon dreißig Jahre; ich habe schon manche schlechten Tage erlebt. Aber so wie heute ist mir’s noch niemals ergangen.“

Commissär. „Sie haben es gerade schlecht getroffen.“

„Ja. schlecht getroffen!“ rief ein baumstarker Kerl mit breiten Schultern in einer Blouse, indem er sich den Schweiß von der Stirn wischte. „Glauben Sie, Herr Commissär, daß ich minder gut meinen Dienst verstehe, als der alte Barel, dem ich gewiß nicht nahe treten will? Ich habe für Zehne geschrieen, und hatte meinen Platz so gewählt, daß ich unter lauter Arbeiter zu stehen kam. was half’s, kein Einziger folgte meinem Beispiel. Vor mir stand ein Gassenjunge, und da ich gar nicht wußte, was anzufangen, forderte ich den Balg barsch auf zu schreien; doch, was geschieht? Der Junge sieht mich an und lacht. Sie schreien ja selbst genug, giebt er mir frech zur Antwort. – Was wollen Sie thun? Ich konnte ihn nicht bei den Ohren nehmen, sonst wäre es mir schlecht ergangen. Wenn Sie das unsere Sache schlecht machen heißen, so ist es besser ich lege mein Amt nieder.“

Commissär. „Wir wissen recht gut, Breloche, daß wir auf Sie zählen können.“ Noch andere wollten sprechen, allein der Commissär winkte ihnen zu schweigen; notirte etwas auf ein Blatt Papier und entfernte sich.

Bisweilen geschieht es, daß sich so ein Mouchard mit einem ansehnlichen Gefangenen einsperren lassen und die Strafe der Haft theilen muß, um sich auf diese Weise in das Vertrauen des Genossen einzuschleichen und über dessen Gesinnung der Regierung Bericht abstatten zu können.

In ihrer wirklich nützlichen, der Gesellschaft heilsamen Anwendung, leistet die pariser Polizei Außerordentliches. Und nur ein pariser Dieb oder Betrüger kann es unternehmen die pariser Polizei hintergehen, ihren ausgespannten Netzen entgehen zu wollen. Die Beamten sind unermüdlich, sie arbeiten, forschen, durchstöbern alle Herbergen des Elends und Verbrechens mit Aufopferung und setzen sich unerschrocken oft den größten Gefahren aus. Ohne ihre außerordentliche Thätigkeit würden tausend von Verbrechen mehr begangen werden. Es ist wunderbar, mit welchem Scharfblick ein Commissar oder selbst der untergeordnete Polizist den Spitzbuben unter jeder Maske erkennt.

Der Kaiser hat nach dem Beispiel der unmittelbar vorhergehenden Könige, seine Privatpolizei. Dieses wichtige Ant ist einem vornehmen Manne von einschmeichelndem Aeußern anvertraut, der nur persönlich unter vier Augen mit dem Staatsoberhaupte verkehrt und dem die Aufgabe gestellt ist, die höchsten Behörden und Würdenträger, Minister, Staatsräthe und Diplomaten und den Polizeipräfekten selbst zu überwachen. Er lebt auf dem größten Fuß, verschwendet unendlich viel Geld und hat in allen Kreisen, ohne Unterschied der politischen Farbe, Zutritt. – Scheinbar ohne jeden andern Einfluß, als den, den Reichthum verleiht, ist er die wichtigste Person nach dem Kaiser.




Aus dem Kaukasus.

Unter den Gegnern, denen sich Rußland in dem gegenwärtigen Kriege gegenüber befindet, sind die Bewohner des Kaukasus nicht zu den wenigstgefährlichen zu zählen. Seit länger als hundert Jahren[1] im Kampfe mit den Moskowiten, ist dieser mit bald größerer, bald geringern Heftigkeit geführt worden, jenachdem einflußreiche Häuptlinge sich an die Spitze der verschiedenen Völkerschaften stellten, welche im Allgemeinen unter dem Namen Tscherkessen begriffen werden. Ein solcher Häuptling ist Schamyl, dessen Namen wir seit 1834 zu hören gewohnt sind, und der in diesem langen Zeitraum wechselnd mit Glück und Unglück, stets aber mit Erbitterung gegen die Rußen gekämpft hat. Auch jetzt wird Schamyl’s Name wieder unter neuen Gefechten und Schlachten genannt, und seine unversöhnliche Feindschaft wirkt unter den obschwebenden Verhältnissen jedenfalls mächtig auf manche Kriegsoperationen der russischen Heere ein.

Mehr noch als der kriegerische Geist, die Tapferkeit und der Freiheitssinn der Tscherkessen, ist die Beschaffenheit ihres Landes den schnellern Fortschritten der Russen hinderlich. Der Kaukasus mit den riesigen Gipfeln des Elbrus (15,400 Fuß hoch) und des Kasbek 14,000 Fuß hoch) zieht sich, bei einer Breite von 16 bis 40 Meilen, in einer Länge von 65 Meilen vom schwarzen


  1. Die ersten Angriffe der Russen fallen in das Jahr 1749.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Claquers
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_111.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2021)