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das Ende ihrer Schmeicheleien bestand aber regelmäßig darin, daß sie Geschenke dafür erwarteten. Um sich Freunde zu verschaffen, mußte der Gesandte unablässig Uhren, Juwelen, Waffen, Seidenzeuge und Tuche verschenken. Das war in Persien hergebrachte Sitte.

In Teheran blieb die Gesandtschaft nur drei Wochen. Als der Schach nach Ispahan ging, folgte ihm de Sercey dahin. Obwohl Teheran die gewöhnliche Residenz des Schachs ist und als Hauptstadt angesehn wird, ist sie doch von geringerer Wichtigkeit als Ispahan und Tabriz. Der einzig interessante Theil der Stadt ist die Burg, die von befestigten Wällen umgeben und mit Zugbrücken versehen, den Palast des Schachs, die Wohnungen einiger Prinzen von Geblüt und Großwürdenträger des Hofes und die Quartiere der königlichen Garde enthält. Darin befindet sich ein großer Platz, der Schach-Platz genannt, der umwallt und mit Kanonen besetzt ist. In dessen Mitte sieht man eine Plattform von einer Elle Höhe und auf dieser eine ungeheuer große Kanone. „Zwischen den zerbrochenen Lafetten derselben sah ich eines Tages einen Mann, der Ali anrief und bettelte,“ erzählt Flandin. „Ich hörte, er sei ein Mörder, der sich hierher geflüchtet. Wer die Kanone erreicht, ist straflos, auch wenn er das größte Verbrechen begangen hat. Dort wartet er des Vorbeigehens des Schachs, der ihm die Begnadigung nicht versagen darf. Aehnliche Zufluchtsorte giebt es auch in den Moscheen. Die Straflosigkeit der Verbrecher hängt also nur von ihrer Schnelligkeit ab. Berücksichtigt man indessen die Grausamkeit, welche das persische Strafgesetz vorschreibt, so muß man gegen diese Asyl-Sitte Nachsicht üben. Das Strafgesetz ist ein Verzeichniß der barbarischsten Martern und alle Tage werden diese vollzogen.“ Flandin sah dies mehre Male. Ein Bäcker, der an dem Brot betrogen hatte, wurde in seinen Ofen geworfen, ein Schlächter mit den Ohren an seine Thür genagelt.

Ohren- und Nasenabschneiden gilt nur für geringe Strafe und Flandin hatte Mühe, diese Bestrafung abzuwehren, wenn er sich über einige Leute bei den Behörden zu beschweren hatte. Diese Gräuel erreichten aber erst in Ispahan ihren Gipfel. Der Schach brach dahin an der Spitze einer großen Truppenmasse auf, um einen Aufruhr zu unterdrücken, den der Führer der Mollahs, der persischen Aristokratie erregt hatte. Er war sehr reich und der Ehrgeiz trieb ihn dazu, sich die königliche Macht anzumaßen. Er hatte alle mögliche Räuber, Mörder und Bummler, die in Persien Lontis heißen, angeworben, diese hatten die nur schwache Garnison Ispahan’s vertrieben und seitdem dort lustig gelebt und alle möglichen Grausamkeiten begangen. Bei dem Nahen der königlichen Armee flohen die Meisten, Einige, die verwegener waren, blieben jedoch in der Stadt verborgen. Sie wurden jedoch entdeckt und Tausende, die ihre Opfer gewesen, kamen herbei, gegen sie zu zeugen. Die Weiber baten inständigst um die Erlaubniß, ihren Beleidigern Hände und Köpfe abschneiden zu dürfen. Dies wäre jedoch noch eine milde Strafe gegen die gewesen, welche über die Aermsten verhängt wurde. Einige wurden auf Bajonnette gespießt, andere bis an die Brust den Kopf nach unten in einer Reihe begraben. Die in der Luft schwebenden Beine waren zusammengebunden. Das nannte man einen Weingarten. Noch schrecklicher war einige Jahre vorher Manacteher Khan, ein Eunuch aus Georgien, als Gouverneur von Ispahan gegen Räuber verfahren. die im Gebirge gehaust hatten. Als er eine Anzahl von diesen gefangen genommen, ließ er in der Ebene von Schiraz nahe an den Thoren der Stadt einen Thurm mit so viel Nischen bauen, als Gefangene waren. Darin ließ er sie einmauern mit einer Oeffnung für ihre Gesichter, damit jeder Vorübergehende sie verschmachten sehen könne. Flandin sah noch die Reste ihrer Schädel. Man darf über diese Erscheinungen freilich nicht nach europäischem Maßstab urtheilen, bemerkt Flandin hierzu. Die barbarische Natur dieser asiatischen Racen macht auch strenge Strafweisen nöthig. Der Schrecken ist nöthig, um sie im Zaum zu halten. Die Strenge müßte nur nicht selbst in Barbarei ausarten und willkürlich ausgeübt werden. Wenn der Gerechtigkeit ein Opfer entgangen ist, wenn ein Paar Lontis in die Asyle entkommen sind, wird oft der erste beste andere Lonti genommen und hingerichtet.

(Schluß folgt.)




Populäre Chemie für das praktische Leben.

In Briefen von Johann Fausten dem Jüngeren.
Erster Brief.
Wissenschaft und Leben. – Reaction, Reagens. – Grenzen, bis zu denen hin der Chemiker Stoffe mit Sicherheit erkennt. – Einfluß dieser Operationen auf Leben und Industrie.

Die chemischen Vorgänge oder Prozesse sind so alt wie unsere Erde selbst. Bei der Bildung derselben spielten sie eine hervorragende Rolle, und selbst heute noch nimmt das kundige Auge überall an dem Erdkörper die Einwirkung der chemischen Thätigkeit wahr, wenngleich in einem um Vieles verringerten Grade. Wir wollen hier nur erinnern an das Verwittern, das Zerbröckeln der Gesteine durch die Einwirkung der in der atmosphärischen Luft enthaltenen Kohlensäure und des Wassers – ein ununterbrochen stattfindender Vorgang, der für das Gedeihen der gesammten Pflanzenwelt von der allergrößten Wichtigkeit ist – und an die Mineralquellen, in denen keine geheimnißvollen Kräfte walten, wie dies selbst heute noch vereinzelt von Badeärzten der alten Schule ausgesprochen wird. Nicht minder waltet der chemische Prozeß in der lebenden Natur. Hier tritt er uns überall entgegen, wohin wir auch die Blicke wenden mögen. Mit dem Keimen des Saamenkorns, mit dem ersten Athemzuge des Neugebornen beginnt die chemische Thätigkeit in der Pflanze, dem Thiere und in dem Menschen selbst. Während des Lebens steht sie hier zwar unter bis jetzt noch nicht erforschten Einflüssen, aber diese hemmen nicht, sondern regeln und ordnen nur. Mit dem Tode des Individuums aber hört die eingreifende Macht des geheimnißvollen Wirkens auf und der chemische Prozeß übt unumschränkt seine zerstörende, dabei zugleich aber stets wieder schaffende Kraft aus. Denn was einmal vorhanden ist, kann durch nichts vernichtet, sondern nur in seiner Form verändert werden; verschwindet es auch scheinbar, so ist es nichtsdestoweniger doch da, und der Chemiker vermag es sehr leicht unserem blöden Auge wieder vorzuführen. Der chemische Prozeß ist die Grundlage des ewigen Wechsels, der sich uns fortwährend in der Natur offenbart, er ist es, der unausgesetzt aus dem Zerstörten wieder neues Leben gedeihen läßt.

Chemische Operationen sind ferner ausgeführt worden seit der Zeit, wo der Mensch die Erde betrat, denn durch sie wird ein großer Theil unserer Bedürfnisse befriedigt. Sie waren es, welche dem ersten Jäger die Waffen, dem ersten Maler die Farben darreichten; das erste Kochgeschirr aus Thon war das Produkt einer chemischen Operation. Schon die heilige Schrift erzählt uns, daß der vorsündfluthliche Tubal-Kain geschickt war in der Anfertigung von Geräthschaften aus Eisen und Kupfer. Bei den alten Aegyptern herrschte eine für die damalige Zeit ungewöhnliche industrielle Thätigkeit, deren Grundlage chemische Kenntnisse ausmachten. Sie verstanden die Bereitung von Soda, Salmiak, Alaun und Kochsalz; sie fabricirten Farben mancherlei Art, und hatten nicht unbedeutende Kenntnisse in der Färberei der verschiedenen Stoffe. Essig und Seife waren ihnen bekannte Dinge, und vom Osiris heißt es sogar, daß er das Bier statt des Weines seinen Unterthanen anempfohlen habe. Das Glas ist nicht eine zufällige Erfindung der Phönizier, wie es gemeinhin die Mythe berichtet, sondern lange, bevor dieses Volk auf den Schauplatz der Geschichte trat, wurde Glas und zwar in seltener Schönheit in Aegypten hergestellt. Erst vor wenig Jahren hat uns die Wissenschaft das Geheimniß entdeckt – das der Erhaltung der Leichname vor der Fäulniß – in dessen Besitz sich die Aegypter bereits vor zwanzigtausend Jahren befanden, – ein solches Alter schreiben gründliche Forscher einzelnen Mumien zu.

Bei alledem aber ist das, was man heute unter Chemie versteht, doch erst eine Schöpfung der Neuzeit. Mit der Entdeckung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_073.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)