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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

so erhielten alle die Erdschichten, welche sich über dem Schiefergestein allmälig auf unserer Erdrinde in Folge von großen Ueberschwemmungen und theils durch Zertrümmerung und Verwitterung des Ur- und Schiefergesteins theils aus Pflanzen- und Thierstoffen bildeten, die Namen „sedimentäre“ oder Schichtgebilde; auch nannte man sie neptunische Bildungen, weil vorzugsweise das Wasser zu ihrem Entstehen beitrug, oder Flötzgebirge (d. i. geschichtete Niederschlags-Gebirge). Erst in diesen Erdschichten findet man die Spuren und Ueberreste von Pflanzen und Thieren, niemals aber die von Menschen, denn diese bewohnten bis jetzt nur die Oberfläche der letzten oder obersten Erdschicht. Die wesentlichen Bestandtheile dieser Flötzgebirge sind Thonerde, Kieselerde und Kalkerde, sie bilden vorzugsweise Thonschiefer, Sandsteine und Kalksteine. Uebrigens lassen sich wegen der auffallenden Verschiedenheit der Pflanzen- und Thierarten in den obern, mittlern und untern sedimentären Schichten diese in 3 Abtheilungen trennen, in die untere oder erste (primäre), mittlere oder zweite (secundäre) und oberste oder dritte (tertiäre) sedimentäre Schicht, von denen aber eine jede wieder aus verschiedenartigen, über einander lagernder Schichten zusammengesetzt ist, so daß die Rinde unserer Erde, wie eine Zwiebel, aus um einander herum liegenden Schalen besteht, die aber an den verschiedenen Stellen unserer Erde von verschiedener Dicke und Form, auch hier und da verschoben und durchbrochen sind.

I. Die unterste oder erste sedimentäre Schicht, (primäre Formation oder primäre Flötzbildung) heißt deshalb, weil in ihr die Steinkohlen und Fische die bemerkenswerthesten Bildungen sind, auch die Steinkohlenperiode oder die Epoche der Fischorganisation. Die Gesteingruppen, welche man in dieser Schicht von unten nach oben über einander lagernd findet, sind:

1. Grauwackengruppe, das älteste Schichtgestein, besteht hauptsächlich aus thonigen und sandsteinartigen Gesteinen, welche mit Lagen von dichtem Kalkstein verbunden sind, nämlich aus Urkalk, Thonschiefer, Grauwacke und altem rothen Sandsteine. Man theilt diese Gruppe auch in eine untere (cambrische), mittlere (filurische) und obere (devonische) Grauwackenschicht.
2. Steinkohlengruppe, aus Steinkohlen zwischen Kalk-, Thon- und Sandsteinlagern. Es lassen sich zwei wesentlich verschiedene Abtheilungen in dieser Gruppe unterscheiden, die untere aus dichtem Berg- oder Kohlenkalk mit viel Meerorganismen und die obere aus Kohlensandstein, Kohlenschiefer und Steinkohlen, mit wenig Resten von Organismen des süßen Wassers.
3. Rothliegendes oder Rothtodtliegendes (jüngerer rother Sandstein), darüber thoniges Grau- und Weißliegendes; ohne Metallgehalt (deshalb todt); die Unterlage des Kupferschiefers.
4. Zechsteingruppe mit dem Kupferschiefer, aus welchem viel Kupfer gewonnen wird und die viel Fischreste enthält. Der Zechstein ist ein thoniger Kalkstein, auf welchem gewöhnlich Gyps, Dolomit (Rauhkalk, Rauhstein, Rauhwacke) und Stinkstein (ein erdiger, theerartigriechender Kalk) lagert.

Von Pflanzen wuchsen in dieser primären Periode, in welcher die Wärme des Wasser, des Erdbodens und der Luft über die ganze Erde noch eine sehr bedeutende war und die Luft sehr großen Reichthum an Kohlensäure besaß, theils üppige Meerpflanzen (Tangen), theils riesenhafte Landpflanzen, wie baumartige Farrenkräuter und Bärlappe, Schachtelhalme, palmähnliche Schuppenbäume, und zwar größtentheils ohne Blüthen und Früchte. Alle diese Pflanzen konnten aber deshalb sehr gut gedeihen, weil ihre Hauptnahrung, die Kohlensäure, in so großer Menge in der Luft vorhanden war. Indem sie nun dieses, für Thier und Mensch so schädliche Gas aufzehrten und anstatt dessen Sauerstoff (d. i. die Lebensluft für Thiere und Menschen) von sich gaben, veränderten sie die atmosphärische Luft allmälig so, daß endlich Thiere in derselben leben konnten. Die Meerpflanzen machten das Meer früher für seine Bewohner bewohnbar, als die Landpflanzen das Land, denn Meerthiere gab es weit früher als Landthiere. Aus den Pflanzen dieser primären Epoche sind übrigens durch Verkohlung (wahrscheinlich auf ähnliche Weise wie dies in Kohlenmeilern geschieht) oder durch Vermoderung und durch gewaltigen Druck der Gesteine die Steinkohlen entstanden, in denen man auch jetzt noch die damaligen Pflanzen deutlich wiederfindet. – Unter den Thieren der primären Periode nehmen die Fische den obersten Rang ein, denn Landthiere existirten so gut wie noch gar nicht. Diese Fische hatten meistenn eine eigenthümliche (haifischartige) Form und ein knorpliches Skelet, waren groß, plump und mit eckigen oder ohne alle Schuppen, aber mit Panzern. Es gab ferner noch eine große Menge von Muscheln, Polypen, Schnecken, gestielte Haarsterne, und krebsartige schwimmende Thiere (Trilobiten). Die ersten Ueberreste eines Reptils (Proterosaurus) finden sich im Kupferschiefer. – Die organischen Reste des Grauwackengebirges gehören ausschließlich Meeresbewohnern von sehr unvollkommener Organisation an, es sind Korallen, gestielte Haarsterne, die krebsartigen Trilobiten und gepanzerte Fische. In den Steinkohlen zeigen sich schon einzelne Insecten, ein scorpionartiges Geschöpf und die Flügel von Schaben. Im Kupferschiefergebirge finden sich der eidechsenartige Proterosaurus und schmelzschuppige Fische, während die gepanzerten Fische und die Trilobiten verschwunden sind.

NB. Die primäre Periode wird von den Gelehrten auch noch so eingetheilt: 1. Paläozoische Gruppe, die unterste Schicht aus stark thonigen, feinkörnigen und sehr harten Gesteinen, welche mit ähnlichen Kalken oder thonigen Sandsteinen wechselt. Sie entspricht der Grauwackengruppe und wird zertheilt: in das kambrische System (oder azoische Gruppe), ohne Versteinerungen, aus Thonschiefer: in das Silurische System aus Thonschiefer und grauem Sandstein (Grauwacke), welches sehr reich an Versteinerungen ist, und in das Devonische System aus altem rothen Sandstein, mit vielen Versteinerungen. – 2. Steinkohlengruppe, aus verkohlten Pflanzensubstanzen zwischen Kalk-, Thon- und Sandsteinen (Bergkalk, Kohlenschiefer, Schieferthon, Kohlensandstein). – 3. Perm’sches System aus dem Rothliegenden, Kupferschiefer und Zechstein, mit Dolomit, Gyps und Stinkstein.


II. Die mittlere oder zweite sedimentäre Schicht, secundäre Flötzformation, wird auch ihres Reichthums an Kalkgesteinen halber, sowie wegen des ersten Auftreten der Amphibien die Periode der Kalkgebirge oder der Amphibienorganisation genannt. Die Gesteinsgruppen folgen hier von unten nach oben so aufeinander:

1) Trias- oder Steinsalzgruppe aus einer Sandstein-, Kalk- und Mergelformation, nämlich aus buntem Sandsteine, Muschelkalk mit Steinsalz und Keuper (mit der kohlenarmen Lettenkohle). Jede dieser drei Gesteinsarten besteht wieder aus mehreren Gliedern; die ersten und letzten sind hauptsächlich aus Sandsteinen und Mergel zusammengesetzt, während in der zweiten Kalkstein mit vielen Muschelresten vorherrscht.
2) Juragruppe (weil das Juragebirge viel davon enthält) oder Oolith-Formation (wegen der kuglig-schaligen Form des Kalkes) besteht im Allgemeinen aus Thon, Mergel, Sand- und Kalksteinen und zerfällt: in den untern oder schwarzen Jura (Lias-Schiefer), in den mittlern oder braunen Jura (mit Eisengehalt) und in den obern oder weißen Jura (mit lithographischem und Korallenkalk).
3) Kreidegruppe enthält in ihrer obersten Schicht die weiße Kreide und Quadersandsteine mit Plänerkalk und Mergel, sonst besteht sie aus Mergel- und Sandstein-Ablagerungen, Hilsthon, mit vielen Meer- und Süßwasserbildungen. Die unterste Schicht der Kreidegruppe heißt auch die Wälderformation oder das Wäldergebirge und besteht aus vielen Muschel- und Schneckengehäusen, Mergel- und Sandsteinen.

Die Pflanzen der secundären Epoche sind außer Pilzen und Flechten vorzugsweise Farren, Schachtelhalme, Palmen, Nadelholz- und Laubholzbäume, während die Schuppenbäume und die baumartigen Bärlappe der früheren Periode untergegangen sind und die Kryptogamen sich bedeutend verringert haben; weiden- und ahornähnliche Pflanzen finden sich in geringer Anzahl vor. Durch die Flora dieser Epoche wird ein Uebergang von den Pflanzen der primären Periode zu denen der tertiären vermittelt. – Von den Thieren der Secundärschicht nehmen die merkwürdig gestalteten, meist krokodil- und eidechsenartigen und selbst fliegenden (fledermausartigen) oder schwimmenden (wallfischartigen) Amphibien die erste Stufe der Organisation ein, denn Säugethiere giebt es noch nicht. Diese Amphibien sind riesenhafte Eidechsen, Krokodile, Schildkröten, sowie Gemische von allen diesen (Saurier: Ichthyo-, Enalio-, Plesio-, Mosa-, Mystrio-, Mastodon-, Notho-,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_056.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)