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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

griff endlich die junge Madagassin mit hocherhobenen Beile unerschrocken den Stier an. Allein, mochte ihr nun in diesem verhängnißvollen Augenblicke der Muth wanken, oder gebrach es ihr an Erfahrung, oder versah sie sich sonst wie, genug – ihr flüchtig blitzendes Beil verletzte nur leicht den nervigen Hals des riesigen Thieres.

Eine grauenvolle Scene folgte nun.

Bevor noch das Mädchen dem neuen Angriff ihres Feindes ausweichen konnte, hatte es derselbe schon mit seinen spitzen Hörnern gepackt und schleuderte es über dreißig Fuß hoch in die Luft. Zweimal fing der wüthende Stier das arme Kind mit seinen Hörnern auf, und immer wieder warf er es zornknirschend in die Luft zurück. Voller Entsetzen wandte ich mich von dem gräßlichen Anblick ab, während die Eingebornen in rasende Beifallsbezeugungen ausbrachen.

Der Madagasse, welcher während des ganzen Kampfes das junge Mädchen begleitet und angefeuert hatte, zögerte nicht, sie zu rächen, indem er den Stier tödtete.

Er machte jedoch, was übrigens leider auch ganz überflüssig gewesen wäre, nach seinem Siege keinen Versuch, um dem armen Kinde Hülfe zu leisten, sondern zuckte, als er an der Leiche desselben vorüberging, halb mitleidig, halb verächtlich die Achseln, wie wenn er ihr noch Ungeschicklichkeit vorwerfen wollte. Dann setzte er ruhig seinen Weg fort, ohne ein einziges Mal den Kopf zu wenden, ohne einen letzten Blick, ein letztes Wort Derjenigen zu schenken, die er vielleicht im Leben geliebt hatte und an deren Tod er sicherlich die Schuld trug.




Die Börse in Paris.

Die Pariser Börse.

Die Börse! verhängnißvolles Wort, verhängnißvoll zumal in Paris, dessen Bevölkerung mehr oder weniger in das Börsenspiel mit allen seinen Schwindeln hineingerissen worden ist; geheimnißvolles Wort auch, da Börse und Politik immer enger verwachsen. Wird doch von vielen Seiten behauptet, daß die Regierung Ludwig Napoleon’s sich nur so lange halten kann, als an der Börse gespielt wird.

Dies bleibe dahin gestellt. Gewiß ist aber, daß dem Börsenspiel nur dann vorgebeugt werden könnte, wenn die Politik von den materiellen Interessen streng gesondert würde, wenn die Staatspapiere zum sichern und ungefährdeten Eigenthum würden, wie jedes andere Eigenthum, und die Nation nicht bei jedem Gerüchte ob ihres künftigen Verhängnisses erbebte. Das Land müßte außerdem hinlänglich Vertrauen in seine eigene Rechtlichkeit und Zahlungsfähigkeit besitzen, um nicht gleich bei dem geringsten Anstoß den Ruin zahlreicher Staatsgläubiger und Staatsbankrott selbst zu befürchten. Und dies könnte der Fall sein und würde der Fall sein von dem Tage an, wo die Regierungen das Soll und Haben des Staates genau feststellen, und ohne die Schuld zu vermehren, ihre Rückzahlung auf solider Grundlage anbahnen würden.

Bis dahin ist aber die Börse nur der Tummelplatz aller die Politik ausbeutender Leidenschaften. – –

Das getreueste Abbild dieses Treibens liefert die Börse in Paris. Schon unter der Regierung Ludwig Philipp’s wurde die Speculationswuth maßlos genährt, unter der Regierung Ludwig Napoleon’s aber hat sie alle Schranken überstiegen. –




Es schlägt 1 Uhr, die Börse wird geöffnet! Hunderte warten schon auf diesen Moment an den Eingängen; Wagen um Wagen rasseln heran, Alles drängt und eilt die breiten Freitreppen hinan dem großen Börsensaale zu, der über 2000 Menschen fassen kann. Schnell füllt er sich an. In den Mienen der Börsenmänner liest man häufig schon das Schicksal des Tages.

Das anfangs verworrene Geräusch der Stimmen wächst bald zu einem furchtbaren Lärme an, gegen welchen das Gewühl eines

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_050.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2020)