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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

einige hundert, jeder andere nicht unter 100 Franken erhält, so daß, einige Nebenkosten für Lebensmittel, Wein u. A. hinzugerechnet, die Kosten einer Montblancbesteigung für die Person 400 bis 500 Fr. kommen. Die Führer von Chamouny sind eine merkwürdig intelligente, scharfsinnige und unternehmende Menschenklasse. Einer, Namens Coutet, auch der Begleiter des Fräulein d’Angeville, wird von verschiedenen Reisenden als eine sehr geistvolle und in jeder Hinsicht achtungswerthe Persönlichkeit erwähnt. Die meisten der Chamounyführer sind stolz auf die Auszeichnung, den Montblanc erstiegen zu haben; aber bei der noch immer großen Gefahr des Unternehmens wenden ihre weiblichen Angehörigen allen ihren Einfluß an, um sie von der Uebernahme dieses Geschäftes abzuhalten. Die Rückkehr von dem Berge ist daher ein wahres Fest, mit Böllerschüssen und Gesang gefeiert, dem gewöhnlich andern Tages ein Mahl folgt, das den Führern gegeben wird. Bei demjenigen, das Fräulein von Angeville gab, nahm Marie du Montblanc die obere Stelle am Tische ein.

Besteigung des Montblanc.

Um den Lesern eine möglichst anschauliche Schilderung von den Mühsalen und Gefahren einer Besteigung des höchsten europäischen Berges zu geben, folgen wir Mister John Auldjo vom Trinity-College in Cambridge, welcher die Reise im August 1827 unternahm und sie mit Karten und Zeichnungen publicirte. Sie giebt das klarste Bild, das wir kennen.

Als Mister Auldjo seine Wanderung begann, brachte er den ganzen Morgen mit dem Marsche durch den untern bewachsenen Theil des Berges hin. Bei der Annäherung an den Gletscher beim Beginne der obern und Schneeregion hielt er es für unmöglich, ihn zu betreten oder auf alle Fälle eine große Strecke längs ihm vorzugehen, wegen der auf einander gethürmten Massen von Eis und der tiefen und weiten Risse, die jeden Augenblick den eingeschlagenen Weg unterbrechen. „Hier,“ bemerkt der Reisende, „zeigt sich die Gewandtheit und Erfahrenheit des Führers; die Schnelligkeit und Leichtigkeit, mit der er eine gangbare Stelle entdeckt, ist außerordentlich; er schlägt den Weg über Stellen ein, wo man es für unmöglich halten sollte, daß ein menschlicher Fuß sie betrete. Wir gingen längs der Trümmer unzähliger, seit langem aufgehäufter Lawinen, die einen meist unebenen und ermüdenden Fußpfad bildeten. Ein weites Schneefeld, hie und da mit Massen gebrochenen Eises bedeckt, trat uns entgegen; bald erhob ein schöner Thurm von dieser Masse seine bläuliche Form und schien der stolzen Felsenspitzen über ihm zu spotten; bald zeigte sich ein ungeheurer Block mit Zinnen, die nun eine Masse Schnees trugen, jetzt lange und klare Eiszacken, gleich einem Schlosse, auf dessen zerbrochenen Wällen der Epheu überhängend in seiner büschlichen Schönheit oder liegend in reicher und dunkler Fülle, von dem Stabe einer Fee in die prächtigschimmernde Materie verwandelt worden war, die ihn jetzt zusammensetzte.“

An diesen niedrigeren Theilen des Berges kommt die Hauptgefahr von der Lawine, die jedoch meist Nachmittags zu fallen pflegen, wenn die Sonne die ungeheuern Massen darüberliegenden Eises abgelöst hat. Eine gleiche Gefahr drohen die zahlreichen Risse und Spalten in dem weiten Eismantel des Montblanc. Gegen das Hinabstürzen in diese abschüssigen Oeffnungen sucht man sich dadurch zu schützen, daß je drei sich mittels eines Seiles verbinden. „Wir waren,“ erzählt Auldjo, „von zu Bergen aufgepfeilertem Eise, bei jedem Schritte von Spalten, und zur Hälfte in irgend einen tiefen Abgrund versunkenen Massen umringt; der Ueberrest, über uns sich erhebend, schien unserm Vorschreiten unübersteigliche Barrieren entgegenzuwerfen; doch fand sich eine Stelle, wo Stufen mit dem Beile eingehauen werden konnten; und wir gingen über diese Brücken, oft das Eis mit einer Hand ergreifend, während die andere mit dem Alpenstocke den Leib balancirte, der über einem Abgrunde hing, in den das Auge drang, ohne sein Ende zu finden. Manchmal mußten wir von einer Eisklippe zur andern klettern, ein andermal längs eines Felsengrates auf Händen und Knien rutschen, oft in einen tiefen Spalt auf der einen Seite hinabsteigen, um den schlüpfrigen Abhang auf der andern hinaufzuklettern. Man konnte nicht aufgeräumter als meine

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_022.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)