Seite:Die Gartenlaube (1854) 019.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

„Was soll ich machen,“ erwiederte der alte Herr, „ich kann ihn doch nicht köpfen lassen! Geh und beruhige ihn, ich kann mir denken, daß er einige Angst hat. Sapperment! Hand an seinen Landesherrn zu legen. Sag ihm, ich verzeihe, er soll aber die Sache für sich behalten, wie Du auch. Es ist doch eine kitzliche Sache.“

Die Freude des unglücklichen Spaßvogel, als ihm der Lakei die Verzeihung des alten Herrn brachte, kann man sich denken.

Im Sommer 1828 fuhr Karl August nach Berlin, um eine neu angekommene Enkelin von sich zu sehen. Der Körper war alt und abgenutzt, sein Geist aber jung und regsam geblieben. Viele Jahre hatte er schon Alexander von Humboldt zu seinen besten Freunden gezählt, auch in Berlin wollte er ihn beständig um sich haben und „als sei eine solche Helligkeit, wie bei den erhabenen schneebedeckten Alpen, der Vorbote des scheidenden Lichtes“ – schreibt Humboldt darüber „nie habe ich den großen menschlichen Fürsten lebendiger, geistreicher, milder und an aller fernern Entwickelung des Volkslebens theilnehmender gesehen, als in den letzten Tagen, die wir ihn hier besaßen.“ Diese geheimnißvolle Klarheit des Geistes bei so viel körperlicher Schwäche war für Humboldt ein schreckhaftes Phänomen, wenn man es als den Vorläufer der Endschaft des irdischen Daseins nimmt. Es ist aber auch, mit dem Blick nach oben das tröstlichste Phänomen, als freudige Aufregung des Geistes, wie man sie empfindet bei den nahen Vorbereitungen zu einer großen Reise, die wir aus einem beengten Zustand in ein freies Land empfinden.

Dieser Geist, der dem Laufe der irdischen Natur nach im besten Falle nur noch wenige Schritte von seinem Grabe entfernt war, benahm sich bei einem Frühstück in Potsdam, wo er mehrere Stunden mit Humboldt ganz allein saß, wie er sich in seiner wißbegierigsten Jugend benommen hatte. Er saß mit Humboldt auf dem Kanapee, trank und schlief abwechselnd, war heiter, aber sehr erschöpft. Und von was unterhielt er sich in den Intervallen zwischen Schlaf und Wachen? Mit den schwierigsten Fragen wendete er sich wissensdurstig, der einundsiebzigjährige, körperlich ganz hinfällige Greis, an Humboldt. Ueber Physik, Astronomie, Meteorologie und Geographie, über Durchsichtigkeit eines Kometensternes, über Mondatmosphäre, über die farbigen Doppelsterne, über Einfluß der Sonnenflecken auf Temperatur, Erscheinen der organischen Formen in der Urwelt innerer Erdwärme!

„Er schlief,“ schreibt Humboldt, „mitten in seiner und meiner Rede ein, wurde oft unruhig und fragte dann, über seine scheinbare Unaufmerksamkeit milde und freundlich um Verzeihung bittend: „Sie sehen, Humboldt, es ist aus mit mir!“

Hört, liebe Leser, fast die letzten Worte, die er auf dieser Erde gesprochen, wie sie Humboldt in jenem Briefe aufbewahrt hat.

„Karl August klagte über den einreißenden Pietismus und den Zusammenhang dieser Schwärmerei mit politischen Tendenzen nach Absolutismus und Niederschlagen aller freien Geistesregungen. „Dazu sind es unwahre Bursche,“ rief er aus, „die sich dadurch den Fürsten angenehm machen wollen, um Stellen und Bänder zu erhalten! Mit der poetischen Vorliebe zum Mittelalter haben sie sich eingeschlichen.“ „Das ist eine menschenfreundliche Lehre“ (die christliche) sagte er; „aber von Anfang an hat man sie verunstaltet. Die ersten Christen waren die Freigesinnten unter den Ultra’s.“

Auf der Rückreise von Berlin, in Gräditz bei Torgau, fiel Karl August, am Fenster stehend, seinem Kammerherrn sterbend in die Arme.

Das war ein Fürst, liebe Leser! Sein Land nimmt auf der Karte einen sehr kleinen Raum ein. Er konnte nicht, wie Philipp der Zweite, der Verdummer seiner Völker und Menschenlieferant für die Scheiterhaufen, sagen, daß in seinem Reiche die Sonne nie untergeht. Aber er ließ über seinem Ländchen eine geistige Sonne aufsteigen, die in majestätischer Pracht weithin über die Erde ihre leuchtenden Strahlen sandte und noch sendet. – Er hatte keine Armeen, mit denen er die Länder hätte überziehen und verheeren können, und doch wurde er einer der größten Eroberer, denn er gewann sich die ganze intelligente Welt. Seine Krieger waren jene großen Denker und Dichter, und ihre Waffen waren – Gedanken. Mit Gedanken wurde ein ununterbrochener Kampf auf Tod und Leben gegen alles geführt, was die Menschheit schändet, was die Völker in dummen Vorurtheilen fesseln und den Gang zur Humanität aufhalten will. Hat Karl August es nicht dahin bringen können, daß jeder Bauer des Sonntags ein Huhn im Topfe habe, seine Schuld ist’s nicht gewesen. Gethan hat er dafür, was ihm möglich. Ein Höherer als die Allerhöchsten auf dieser Erde scheint es nicht haben zu wollen. Warum, weiß er allein!




Das Wasser

in seiner Beziehung zum menschlichen Körper.

Das Wasser ist ein ebenso unentbehrlicher Stoff für alles Lebendige, wie die atmosphärische Luft (s. Gartenlaube Nr. 51 v. J.), aber eben so wenig wie diese ein Element, sondern ebenfalls ein zusammengesetzter Körper, und zwar aus zwei gasförmigen Grundstoffen, aus Wasserstoff und Sauerstoff (s. Gartenlaube Nr. 28 v. J.) zusammengesetzt. Es besteht nämlich das Wasser aus 8 Gewichtstheilen Sauerstoff und 1 Gewichtstheil Wasserstoff, oder aus 2 Raumtheilen Wasserstoff und 1 Raumtheil Sauerstoff. Die größte Menge des Wassers auf unserer Erde kommt als tropfbare Flüssigkeit in Seen, Flüssen, Quellen, Bächen u. s. w. vor, sodann findet es sich aber auch noch in fester Gestalt (als Schnee, Eis, Hagel) und in Luftform; denn als unsichtbares Wassergas und sichtbarer Wasserdunst (Nebel, Wolken) ist es überall in der Atmosphäre verbreitet. Aus dieser wird es, nachdem das Wassergas oder der Wasserdunst in Folge seiner Abkühlung in tropfbarflüssigen oder festeren Zustand versetzt worden, in der Form von Regen, Schnee, Thau u. s. w. auf die Erdoberfläche herabgeführt, um Quellen, Bäche und Ströme zu speisen, sowie Pflanzen, Thiere und Menschen zu tränken und sodann wiederum mittelst beständiger Verdunstungsprozesse von der Erde und ihren Bewohnern in den Luftkreis zurückzukehren, so daß auf diese Weise das Wasser in einem ewigen Kreislaufe zwischen Erde und Luftkreis begriffen ist. Es bildet übrigens das Wasser fast 3 Viertheile nicht nur jedes organischen Körpers, also von Pflanze, Thier und Mensch, sondern überhaupt der ganzen Erde.

Das Wasser übt ebensowohl vermöge seiner chemischen, sowie auch durch seine physikalischen Eigenschaften enormen Einfluß auf das Entstehen und Bestehen der Erde und ihrer Bewohner aus, denn es vermag nicht blos die meisten festen und luftförmigen Körper aufzulösen und dann das Aufgelöste unter gewissen Bedingungen wieder in seiner frühern Form auszuscheiden, sondern es ist auch im Stande, Stoffe von dem einen Orte wegzuwaschen und an einem andern aufzuschwemmen, sowie aufgelöste oder abgeriebene Stoffe aus der Tiefe der Erde an der Oberfläche derselben zu Tage zu bringen. Als Auflösungsmittel trägt es zur Beförderung aller chemischen Prozesse und ebenso zum richtigen Vonstattengehen des Stoffwechsels in den organischen Körpern bei, als Hauptbestandtheil organischer Substanzen dient es zur Erhaltung der nöthigen Eigenschaften und Kräfte derselben. – Eben wegen seiner Fähigkeit, die meisten Stoffe auflösen zu können, findet sich das Wasser nie rein in der Natur vor, sondern stets mit löslichen Substanzen vermischt. Am häufigsten ist das Wasser versetzt: mit atmosphärischer Luft und Kohlensäure, mit kohlensaurem, phosphorsaurem und schwefelsaurem Kalke und Talk, mit Kochsalz, Kieselerde und kohlensaurem Eisen. Es ändert sich natürlich die Zusammensetzung des Wassers nach der Verschiedenheit des Bodens, den es berührt, auch finden sich sehr oft organische, pflanzliche und thierische Stoffe darin vor. Von der Art und Menge dieser Bestandtheile des Wassers hängt nun wesentlich sein Geschmack, seine Farbe und seine Fähigkeit ab, ein passendes Getränk für uns abzugeben. Größerer Reichthum an dem einen oder dem andern mineralischen Bestandtheile oder Gase ertheilt dem Quellwasser den Namen eines Mineralwassers, und diese

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_019.jpg&oldid=- (Version vom 19.4.2020)