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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Intelligenz aufkommen zu lassen, war St. Louis eigentlich nicht mehr, als ein indianischer Handelsposten, dessen Einwohnerschaft meist aus Abenteurern bestand.

Erst vom Jahre 1820, als der Staat Missouri in die Union aufgenommen ward, datirt sich der Aufschwung dieser Stadt. Bis dahin hatte St. Louis noch kein Dampfschiff gesehen. Eine Schiffsreise von New-Orleans nach St. Louis, die jetzt ein gutes Dampfschiff in 4 Tagen zurücklegt, kostete damals 31/2 Monat Zeit und selbst das erste Dampfschiff im Jahre 1820 kam erst nach 18 Tagen in St. Louis an. Mit dem Eintreffen der ersten Dampfschiffe hob sich die Bedeutung der Stadt mit jedem Tage und derselbe Ort, der im Jahre 1825 kaum 10.000 Einwohner zählte, hat jetzt deren 112.000, und wie lange noch und die 200.000 sind voll. Vierhundert Dampfschiffe befahren jetzt schon den Mississippi, dessen Thalgründe sich mit jedem Jahre in wahrhaft fabelhafter Schnelligkeit mehr und mehr cultiviren.

Für uns hat St. Louis noch das besondere Interesse, daß dort vorzugsweise das deutsche Element am meisten vertreten ist. Unter den 112.000 Einwohnern sind 36.000 Deutsche, 8000 Franzosen, 10.000 verschiedene Nationalitäten, die Uebrigen eingeborne Amerikaner. Zwei deutsche Zeitungen erscheinen dort und so groß ist bereits der Einfluß unserer Landsleute, daß selbst deutsche Sitten und Gebräuche von den übrigen Bewohnern angenommen werden, während sich in andern Städten die Deutschen fast ihres Mutterlandes und ihrer Sprache schämen.

Seit dem furchtbaren Brande im Jahre 1819, der 640 Häuser, 20 Dampfschiffe und Güter im Werthe von 6 Millionen Dollars zerstörte, ist St. Louis und zwar in 18 Monaten prächtiger als je wieder aufgebaut und jetzt eine der blühendsten Städte Amerika’s. Man nennt sie mit Recht die „Königin des Westens.“ Zahlreiche Kirchen und öffentliche Gebäude im großartigsten Styl zieren die schönbepflanzten Plätze der Stadt, die mit jeder Woche an Ausdehnung zunimmt. Ihr Handel mit Bauholz, Tabak, Hanf, Mehl, Blei etc. ist sehr bedeutend, ein Hauptumstand aber, dem St. Louis seinen blühenden Zustand verdankt, ist der, daß die großen von New-Orleans kommenden Dampfschiffe nicht weiter hinauf, noch die den obern Mississippi befahrenden nicht weiter hinunter gehen, als bis nach St. Louis, so daß diese Stadt das Hauptdepot für alle Erzeugnisse des ungeheuren Mississippithales wird. Ihre Bedeutung wird eine noch größere werden, wenn die große Bahn nach Kalifornien fertig sein wird, die St. Louis ebenfalls berühren soll.




Blätter und Blüthen.

Jagd in Amerika. Keines der wilden Thiere in Amerika springt rascher und keine wilde Bestie greift so kühn und verwegen den Menschen an wie der Panther, wenn er gedrängt wird, und er ist nicht minder kühn und entschlossen gegen andere Thiere, wenn er auf Beute ausgeht; aber es geht ihm eine Eigenthümlichkeit oder Untugend ab, wodurch sowohl der Puma-Löwe als auch der Löwe von Afrika sich auszeichnet – das heißt, er schleicht nie den Fußstapfen des Menschen nach. Wenn er plötzlich einem Menschen begegnet, so wird er sich gewöhnlich, wenn die Begegnung nicht eine ganz nahe ist, in den Wald zurückziehen; sobald er aber sieht, daß ihm der Rückzug abgeschnitten ist oder daß er von einem Hunde verfolgt wird, dann macht er durch mehre furchtbare Sprünge einen entschlossenen wüthenden Angriff. Der „Rastro“ oder die Spur, welche der Panther zurückläßt, ist fast ganz wie die des Puma-Löwen; aber es giebt einen kleinen Unterschied, an welchem das Auge des geübten Jägers – aber auch nur eines solchen – erkennt, welches Thier diesen Pfad gegangen ist. Der Panther – und hier muß ich einfügen, daß ich mir erlaube, die Wörter Panther und Tiger als gleichbedeutend zu brauchen – setzt seinen Fuß flach auf den Boden und hebt ihn so gleichmäßig wieder empor, daß auf nassem Boden oder im Sande ein vollständiger Abdruck zurückbleibt; aber der Puma, der im Verhältniß zu seiner Größe eine größere Pfote hat, wirft mit dem Ballen des Fußes, indem er ihn erhebt, hinten etwas Sand oder Erde aus, und so unbedeutend der Unterschied dem Anscheine nach auch sein mag, so ist er doch für den verfolgenden Jäger von großer Wichtigkeit, da sich die beiden Thiere auch in ihren Gewohnheiten sehr von einander unterscheiden.

Der Panther richtet unter Rindern und Pferden, welche im Walde herum streifen, unberechenbaren Schaden an, vorzüglich aber unter den jungen Thieren; alte Stiere und selbst Kühe gewinnen ihm jedoch zuweilen den Sieg ab.

Ein Stier, der einem meiner Bekannten gehörte, hatte so viele Kühe durchbohrt, daß man ihn endlich mit dem Lasso einfing und seine Hörner abstumpfte, damit er fernerhin kein Unheil anstiften könnte. Einige Wochen später wurde auf der Savanna eine Kuh von einem Panther getödtet und der zertretene Boden sowie der entsetzlich zerrissene Kopf und Hals desselben Stieres bewiesen deutlich, daß er für jene Kuh den Kampf gewagt hatte. Man fing ihn ein, versah seine Wunden mit den nöthigen Pflastern und gab seinen Hörnern eine sehr scharfe Spitze; hierauf entließ man ihn wieder in die Savanna, wo noch immer die todte Kuh lag, von welcher man während des Tages die wilden Hunde und Geier verscheucht hatte. „Wohlan, Don Jorge,“ sprach mein Bekannter und zog eine altmodische Uhr heraus, die ungefähr fünfzehn Schillinge werth war – „ich wette diese kostbare Uhr gegen tausend Dollars“ – offenbar schätzte er seine Uhr auf tausend Dollars – „daß es heute Nacht einen Kampf giebt.“ Natürlich ging ich auf die Wette nicht ein, aber der Panther kehrte allerdings, wie man erwartet hatte, bei Anbruch der Nacht zu seinem Schmause zurück und es mußte ein wüthender Kampf zwischen ihm und dem Stiere stattgefunden haben, denn man fand am nächsten Morgen neben der todten Kuh einen sehr großen todten Tiger, der vielfach durchbohrt war. Ein großer Theil dieser Wunden mußte ihm nach seiner Tödtung beigebracht worden sein, denn die Wuth des Stieres hatte sich bei Tagesanbruch noch keineswegs vermindert. Der Sieger kehrte von Zeit zu Zeit immer wieder zu dem gefallenen Feinde zurück und durchbohrte und stieß ihn in verzweifelter Wuth aufs Neue mit seinen Hörnern. Aber auch der Stier war mit neuen Wunden bedeckt; man durfte es jedoch nicht wagen, sich ihm zu nähern, und erst als er nach dem Flusse ging, um sich zu erfrischen, was ihm sehr nöthig war, konnte man ihm den Lasso überwerfen und seine Wunden schließen, was größtentheils durch Zunähen geschehen mußte. Der Stier behielt jedoch eine so große Vorliebe für den Gebrauch seiner Hörner, daß sie ihm leider bald wieder abgestumpft werden mußten.

Die Pantherjäger jagen gewöhnlich paarweise und einer von ihnen ist mit zwei aus hartem Holze gefertigten Speeren bewaffnet, die scharf gespitzt, zuweilen auch mit eisernen Spitzen versehen sind. Einer dieser Speere ist ungefähr zehn Fuß lang, der andere ungefähr drei Fuß kürzer; doch werden beide dicht zusammengehalten, damit der kürzere den längeren ersetze, im Fall dieser abgebrochen wird. Der andere Jäger führt entweder Bogen und Pfeil oder irgend eine Feuerwaffe, da aber Schießgewehre überhaupt selten sind, so bedient man sich auf dieser Jagd meistentheils nur der Bogen und der Pfeile. Wenn der Panther sich auf einen Baum geflüchtet, oder in die Enge getrieben, Halt gemacht hat, nähert sich der Mann mit den Speeren und läßt sich auf ein Knie nieder, indem er die beiden Speere fest anlegt, und ihre Spitzen gerade auf die Brust des zum Sprunge bereiten Thieres richtet. Der Mann mit dem Bogen oder der Flinte steht unmittelbar hinter ihm und schießt auf den Panther, sobald dieser den letzten Sprung thut. Zuweilen genügt der Schuß, das Thier zu Boden zu strecken, besonders wenn es in der Mitte des Kopfes oder am Halse getroffen wird; ist dies nicht der Fall, so stößt der Panther ein furchtbares Gebrüll aus und macht, einen wüthenden Sprung gegen seine Feinde. Hiermit beginnt der gefährlichere Theil des Kampfes. Springt der Panther, wie es gewöhnlich geschieht, mit weit ausgebreiteten Vorderbeinen, dann ist die Gefahr nicht sehr bedeutend, weil er sich dann an den großen und zuweilen auch zugleich an den kürzeren Speer spießt, so daß der Jäger ohne Furcht in seiner Nähe bleiben kann; springt er aber, was zuweilen selten vorkommt, mit enggeschlossenen oder gekreuzten Beinen, so zerbricht oder beseitigt er durch einen einzigen Schlag seiner Pfote die stärkste Lanze und in einem solchen Falle ist der Jäger allerdings einer bedeutenden Gefahr ausgesetzt. Das einzige Hülfsmittel bleibt nun der Kampf mit dem Messer oder irgend einer andern Waffe. Ein kurzer Bericht von einer dieser Jagden, die sich von den ostindischen Tigerjagden wesentlich unterscheiden, giebt vielleicht ein besseres Bild als jede allgemeine Bemerkung.

Man hatte ein Joch zahmer Ochsen mit einem aus Thierhaut gedrehten Stricke an den Hörnern zusammen gebunden und ihnen Raum genug zum Weiden gegeben. Früh am nächsten Morgen kam ein Indianer herein, um zu melden, daß die Ochsen verschwunden seien, daß an der Stelle, wo er die Spur gefunden, viel Blut liege und daß der „Rastro“ oder die Fährte so breit sei, wie der nahe Fluß.

Mein alter Freund, der Tigrero war zufällig in der Nähe. Er wurde herbeigerufen und um acht Uhr Morgens begann er, mit seinen Speeren bewaffnet und von zwei anderen Männern begleitet, von welchen der eine eine Doppelflinte, der andere ein einfaches Gewehr trug, die Verfolgung der Fährte, auf welcher einige kleine Hunde vorangingen. Die großen Hunde waren sämmtlich eingesperrt worden, da sie von keinem Nutzen sein konnten und jedenfalls getödtet worden wären.

Die Fährte war vier oder fünf Ellen breit und zeigte, einen steilen Abhang hinanführend, die Spuren eines heftigen Kampfes und auf dem Gipfel des Hügels, über welchem viele Geier sich drehten, fand man die beiden Ochsen, von welchen der eine todt, zerfleischt und zum Theil schon aufgezehrt, der andere aber noch unverletzt war, und das lebendige Thier war es wahrscheinlich gewesen, welches die Geier bis jetzt verhindert hatte, seinen todten Gefährten vollends zu verzehren. Von der Stelle, wo der Ochse getödtet worden war, bis zu dem Gipfel des Hügels mußte wenigstens eine Entfernung von einer Viertelstunde sein und dennoch war nur die Spur eines einzigen Panthers zu entdecken – große schwerfällige Fußstapfen; auf dem Gipfel des Berges zeigten sich noch zwei andere Spuren, die jedenfalls von dem Weibchen und dem Jungen oder „Cachorro“ wie man es nennt, herrührten. Welche erstaunliche Kraft mußte das Männchen angewendet haben, um den Ochsen, welchen es getödtet, und mit diesem zugleich dessen lebendigen Gefährten, welcher sich, wie die Spur zeigte, dem wilden Führer widersetzt hatte, einen so steilen Abhang hinanzuziehen.

Die kleinen Hunde wurden dann auf die Fährte gewiesen, die sie flink

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