Seite:Die Gartenlaube (1853) 559.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Der Bärenmüller aber hatte seinen besten Festtagsstaat angelegt, und stand mit dem Rücken an den großen Kachelofen gelehnt, die fünfzig Gülden in der Brusttasche sorgfältig in einen linnenen Beutel gepackt, welchen er früher oft gefüllt in die Schenke getragen, aber leer wieder nach Hause gebracht hatte. Das räthselhafte Schreiben aber, welches der Fremde ihm an den Superintendenten Dr. Schwerdtner zu Pirna hinterlassen, hielt er im geheimsten Fache seines Wandschreins verschlossen.

Im Gärtchen aber auf ihrem Lieblingsplätzchen saß Agathe plaudernd mit der alten Magd, heiter und fröhlicher Laune, wie sie seit langen Jahren nicht gewesen, und als der Oelsengrundmüller Haus und Hof durchspähete, im Geheim abschätzend, wie viel die ganze Wirthschaft noch werth sei, und auch dem Gärtchen sich näherte, wo die liebliche, heute gar festlich geschmückte Müllerstochter lachte und scherzte, die er so gern in seiner Gewalt gehabt, da erschrak Agathe nicht wie sonst vor dem unheimlichen häßlichen Gast, sondern plauderte fort und blickte nicht ohne spöttischen Muthwillen auf den gräulichen Freier, der ihr jetzt näher trat.

„Nun, Jungfrau Agathe,“ begann dieser jetzt und fuhr mit der knöchernen Hand durch sein struppiges brandrothes Haupthaar, und sah mit den rothunterlaufenen lauernden Augen, aus welchen hämisches Frohlocken und sinnliche Gier nach dem schmucken Mädchen flackernd aufzuckten, auf die nun Verstummende. „Ihr scheint fröhlichen Muthes zu sein in Eurem Gärtlein, indeß Euren Vater die Gerichte hinausweisen aus der verfallenen Mühle und Ihr Beide nicht wisset, wohin Ihr heute noch wandern und Euer Haupt hinlegen werdet. Hat Euch der Vater nicht gesagt, wie ich ihm beistehen will und die Schmach von ihm abwenden, so Ihr mir zusagt, mir zu folgen als mein Ehegespons, auf daß ich Euch einsetze in die Mühle im Oelsengrunde als Besitzerin und reiche Hausfrau, indeß Ihr hier am Hungertuche nagt?“ –

Mit diesen Worten war er ihr näher getreten, um ihre Hand zu erfassen. Aber Agathe wich scheu zurück, und als sie das von bösen Hautflecken noch ärger verunstaltete häßliche Antlitz mit der niedern Stirn, der eingedrückten Nase und den blauen welken Lippen anschaute, um welche sich ein widersüßliches Lächeln zog, da durchrieselte es ihren Körper mit unheimlichem Schauer und dichter an die alte Magd sich drängend, rief sie entrüstet:

„Laßt ab von mir, noch habt Ihr hier nichts zu suchen, und von mir selbst dann nichts zu hoffen, wenn die Gerichte uns auch von hier treiben sollten; denn lieber will ich mein Brot vor fremder Leute Thüren suchen als in Eurer Nähe weilen.“

„Ei, ei, Jungfrau!“ krächzte der Oelsengrundmüller, unter giftigem Groll sich zum Lächeln zwingend. „Ihr tragt Euer Näschen noch sehr hoch, und stoßt gar stolz des Freundes Hand von Euch. – Nun, wir wollen abwarten, wie es nach wenigen Stunden stehen wird um Euren Hochmuth, und ob Ihr nicht noch froh sein werdet, wenn ich Euch als meine Haushälterin zu mir nehme, wo ich Eure Gunst dann billiger haben kann, als wenn ich Euch einsetze als meine ehrsame Hausfrau, wie ich es bisher gemeint war.“

Mit diesen Worten entfernte sich der Unhold, und Agathe, die den Sinn dieser hämischen Worte nicht verstand, athmete freier auf, während die alte Magd im stummen Grimme drohend die geballte Faust nach dem Fortschleichenden ausstreckte.


Drinnen in der Mühlstube aber schritten die Gerichte unter weitläufigen Förmlichkeiten zum Werke. Nicht ohne Mitleiden ruhete des Amtsschössers Zapfe Blick auf dem Müller, welcher die Versammlung ernst und unbefangen begrüßte, obgleich der Spruch derselben ihrem Vermeinen nach ihn zum Bettler machen sollte. Mit gefühlloser Gleichgültigkeit musterte der Kratzhammerwerksbesitzer die Ausschmückung der Wohnstube und mit langsamer Stimme begann jetzt der Amtsschösser:

„Es ist Euch, Gottlob Bär, gegenwärtig noch Besitzer dieses Mühlgrundstückes, wohl noch erinnerlich, wie Euch von den hochgräflich Bünauischen Gerichten zu Lauenstein auf Ansuchen Eures hier gegenwärtigen Gläubigers, des Kratzhammerwerksbesitzers Urban Fleck, kundgemacht worden, daß wenn Ihr nicht bis zum letzten Euch bewilligten Termine die rückständigen Zinsen Eurer Capitalschuld an Euren Gläubiger zu erlegen vermöget, wir, die Gerichte, einschreiten müssen gegen Euch sub executione et eventuali exmissione, und diese Mühle sammt Schiff und Geschirr Eurem Gläubiger anheim fällt laut Eurer auf Wandelpön ausgestellten Schuldverschreibung.“

„Ja wohl, gestrenger Herr Amtsschösser,“ entgegnete ruhig der Müller und heftete forschend seinen Blick auf Urban Fleck, welcher, ohne ihn anzublicken, in Gedanken mit Abschätzung des Werthes der Mühle beschäftigt schien.

„Nun denn, Gottlob Bär,“ fuhr der Schösser fort, „heute am Tage Hieronymi, dem letzten September des Jahres 1692 ist die letzte Euch bewilligte Frist abgelaufen. Könnt Ihr die fünfzig Gülden rückständiger Zinsen für das Euch geliehene Capital von 500 Gülden zahlen, so will Euch Urban Fleck in Berücksichtigung Eurer preßhaften Umstände das Capital bis Ostern des Jahres 1693 unter den bisher geleisteten Zinsen lassen, dann aber auf Besitznahme dieses Grundstückes dringen, so Ihr bis dahin nicht zahlen könnt, wie jetzt geschehen muß, so Ihr die 50 Gülden jetzt nicht erlegt, und als insolvent ausgewiesen werden müsset.“

„Mit Verlaub, gestrenger Herr Amtsschösser,“ nahm jetzt der schwarze Mattheus das Wort, welcher währenddem wieder in die Wohnstube eingetreten war; „von dieser Clausel ist bei der letzten Vorladung des Schuldners nicht die Rede gewesen und heute wohl Zinsen und Capital fällig?“

„Der Gläubiger hat, wie bereits erwähnt, diese Begünstigung in Erwägung der preßhaften Umstände des Schuldners heute an Gerichtsstelle nachträglich gestattet,“ entgegnete der Amtsschösser, während der schwarze Mattheus dem Urban Fleck einen Blick giftigen Grolles zuwarf.

„Ich wiederhole daher die Frage,“ fuhr der Schösser

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 551. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_559.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)