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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 51. 1853.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Aus dem Müglitzthale.

Eine historische Erzählung aus den letzten Jahren des siebzehnten Jahrhunderts.
Von Eduard Gottwald.
(Fortsetzung.)


„Ist Euch der Superintendent Dr. Schwerdtner in Pirna bekannt?“ frug er nun den Müller, welcher verwundert das Papier betrachtete.

„Wem sollte der weltberühmte und hochgelehrte Mann nicht bekannt sein!“ entgegnete dieser. „O, wohl kenne ich ihn, und noch aus frühern Jahren, als ich noch ein reicher glücklicher Mann und der hochwürdige Herr noch Archidiaconus war und nach Torgau berufen wurde.“

„Nun gut,“ sprach hierauf der Fremde. „Sobald Euch Eure Peiniger morgen fragen, wie Ihr zu dem Golde gekommen, so sagt nur dreist, dies habe Euch Dr. Schwerdtner geliehen, der sich Eurer Noth erbarmt und der auch Bürgschaft leisten wolle für die Rückzahlung des Kapitals acht Tage nach dem Osterfeste des Jahres 1693.“

„Aber, um Gott, wie soll ich – stammelte der Müller, bei der sich ihm so unerwartet zeigenden Aussicht auf Rettung seines Eigenthums, immer mehr und mehr in Verwirrung gerathend.

„Ihr sollt nicht grübeln und sinnen, sondern sagen, wie ich Euch eben gerathen,“ lächelte der Fremde. „Oder glaubt Ihr, daß den Gläubigern oder den Gerichten des Superintendenten Bürgschaft nicht genügt?“

„O, vollkommen!“ betheuerte der Müller. „Aber mir werden sie es nicht glauben, daß dem so sei.“

„Dann werft ihnen nur keck entgegen, daß sie den würdigen Pfarrherrn in Pirna nur selbst fragen sollen,“ entgegnete der Fremde. „Ich aber,“ fügte er dann hinzu, indem er Brieftasche und Geldbeutel sorgsam wieder in die Brusttasche seines Sammetwammses verbarg, „ich werde wohl früher in Pirna sein und den Superintendent von Allem in Kenntniß setzen, ehe Eure Blutegel dort Nachfrage halten können, denn mein Weg führt mich ohnedem dort hinüber.“

„Und wer seid Ihr, der wie ein guter Engel mir zur Seite getreten und mich rettet aus Schmach und Verderben, und dem ich im Wahnsinn bedrohet an Geld und Leben?“ frug beschämt und gerührt der Müller.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_557.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2020)