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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

damals alles Land von der Königsau bis zur Eider mit Ausschluß des von den Nordfriesen bewohnten westlichen Marschlandes und den jetzt sogenannten Inseln der Westsee[WS 1] hieß, waren Erbauer und Bewohner dieser Burgen. Am Wohlsten schienen sie sich jedoch auf der Jurisburg zu befinden, jenem festen Schlosse, welches den Möwenberg in der Schlei krönte.

Hier schlug auch Herzog Abel von Süderjütland sein Hoflager auf, nachdem er in einem langen Kriege mit seinem leiblichen Bruder Erich, rechtmäßigem Könige von Dänemark, sich diesem hatte unterwerfen müssen. Schon dieser blutige Krieg zwischen beiden Brüdern, der sich über die Frage erhob, ob das Herzogthum Schleswig ein Erblehn sei oder nicht, bewies zur Genüge die feindselige Gesinnung der Brüder gegen einander. Es schien ein Fluch auf dem Ehebündniß ihres verstorbenen Vaters, Waldemar’s II. mit der portugiesischen Prinzessin Berengaria zu ruhen, die ihnen das Leben gegeben hatte. Unsichern Ueberlieferungen zufolge ward diese Verbindung Waldemar’s II. ohne Neigung geschlossen, selbst das Volk mochte der Fremden abgeneigt sein. Wie dem aber auch sein mag, des Himmels Segen beschirmte den Ehebund nicht. Zwischen den Brüdern Erich und Abel war kein Friede, kein Einverständniß von Jugend auf, und als sie zu Männern herangereift, ließen sie die Unterthanen entgelten, was ihr bruderfeindlicher Streit verbrochen hatte. In diesem Kampfe blieb der ältere Erich Sieger. Abel behielt das vom Schwerte verwüstete Süderjütland und setzte sich grollend auf die Jurisburg, in seinem finstern Geiste auf Rache gegen den glücklicheren Bruder sinnend.

War Herzog Abel ein versteckter, rachgieriger und hinterlistiger Charakter, Eigenschaften, die als Erbtheil seiner portugiesischen Abstammung ihm nicht blos anklebten, sondern ihn gänzlich beherrschten, so ließ sich zum Lobe seines Bruders, des Königs Erich gerade auch nicht viel Preiswürdiges sagen. Sinn für Recht und Gerechtigkeit im edlern Sinne des Wortes ging ihm ebenfalls ab. Das Volk war ihm blos ein Schwamm, den er so lange drückte oder durch seine Helfershelfer drücken ließ, als er noch etwas von sich gab. Weigerten sich Bürger und Bauern, ihre Truhen zu öffnen, damit Erich das Nöthige daraus entnehmen könne, so erbrach man sie und bemächtigte sich alles darin Vorgefundenen. An einen vernünftigen Staatshaushalt war nicht zu denken. Die Schätze des Reiches wurden vergeudet, das blühende Land durch unablässige Kriegszüge verödet. Niedergebrannte Städte, rauchende Dörfer und Weiler bezeichneten den Weg der Kriegshaufen, welche[WS 2] der König jetzt gegen seinen aufrührerischen Bruder, dann wieder gegen die halsstarrigen Geest- und Marschfriesen Süderjütlands in’s Feld führte.

Als die Schatzkammer erschöpft und nirgend mehr Geld aufzutreiben war, besteuerte Erich selbst den Pflug des Landmannes, weshalb ihn das Volk den Ekelnamen „Pflugpfennig“ gab.[WS 3] Diese Steuer, welche den Landmann eben so sehr drückte als empörte, wurde mit unglaublicher Härte eingetrieben. Allein das Volk der Friesen und Dithmarsen, eingedenk ihrer altgermanischen Freiheit und nicht gewillt, dieselbe einem fremden Könige zum Opfer zu bringen, lehnten sich gegen die erbarmungslosen Dränger auf, griffen zu den Waffen und waren entschlossen, das Aeußerste zu wagen.

Dieser bewaffnete und energische Widerstand der Nordfriesen und Dithmarsen, denen sich als Bundesgenossen auch die Holsteiner anschlossen, ist der Beginn jener Jahrhunderte lang fortgesetzten Kämpfe der deutschen Bevölkerung in Schleswig und Holstein gegen die dänischen Unterjochungsgelüste. Seit jenem ersten blutigen Kampfe dieser Volksstämme war bis auf unsere Tage immer nur Waffenstillstand auf unbestimmte Zeit zwischen denselben und den Dänen, und haben sich inzwischen auch die politischen Verhältnisse mannigfach geändert, die Grundursache zum Kampfe, zu erneuter Gegenwehr blieb von jenem ersten Aufstande im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts bis auf unsere Tage ziemlich dieselbe.

Erich hatte wenig Glück. Die Nordfriesen nöthigten ihn, südwärts zu ziehen, ohne die begehrte Pflugsteuer zu bezahlen. Auch war seine Gegenwart im Süden gar nöthig. Denn an der Eider lagerten nebst Bremer und Paderborner Hülfsvölkern die mannhaften Holsteiner und bedrohten die hier errichtete Veste mit Sturm zu nehmen. Das heutige Rendsburg, in jenen Tagen der Vorzeit Reinoldsburg genannt, war von dänischen Mannen besetzt, die jedoch zu schwach waren, um noch lange gegen die vereinten Heerhaufen der Belagerer sich halten zu können. Diesen zu Hülfe zu eilen, war Zweck und Plan Erich Pflugpfennig’s. Allein er sollte nicht soweit kommen. Mehr leichtsinnig und unbeständig als bösartig, machte er am steilen, öden Erdwalle des Danevirke,[WS 4] das hinter dem Selcker Noor über das Blachfeld emporragt und als eine ungeheure Riesenschanze tief in’s Land hineinläuft, Halt, um das Land rund um zu betrachten.

Es ist ein schönes, ein bezauberndes Landschaftsbild, das von dieser sagenreichen Erdhöhe herab den Blicken sich eröffnet. Im Süden liegt die Geest, öde, traurig-wüst, fahl-grau und gelblich-weiß, wie ein Stück der lybischen Wüste, von Geisterhänden in diesen germanischen Norden versetzt. Der Sand rollt sich auf zu Hügeln vor dem scharf wehenden Westwinde und verwandelt das feste Land in ein bewegtes erdiges Meer. In der Ferne schimmern die Zinnen von Rendsburg, während gen Osten aus dem bebauten Flachlande schön bewaldete Höhen auftauchen, bekannt unter dem Namen der „Hüttener Berge.“

Gefesselt von diesem Anblick blieb der König lange Zeit in Betrachtungen versunken am Danevirke stehen. Auf den stolzen Zinnen der Jurisburg lag goldener Sonnenschein. Die Schlei flimmerte wie ein See geschmolzenen Silbers. Vom Dom herüber und aus dem Thale unter seinen Füßen, wo etwas versteckt die Haddebyer Kapelle lag, scholl Glockengeläute. Da überschlich den König ein Gefühl der Wehmuth. Er schlug ein Kreuz, lüftete seinen Hut und sprach ein Gebet, denn er gedachte der Vergangenheit und mußte sich sagen, daß er nicht immer so gehandelt habe, um sich des Himmels Beifall dadurch zu erwerben. Diese

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Westsee: ehemals gebräuchlicher Name der Nordsee, vgl. den zugehörigen Eintrag in der Wikipedia
  2. Vorlage: weiche
  3. Das Pfluggeld war eine Abgabe auf dem Land, die der Landmann auf die zur Bearbeitung seines Ackers nötigen Pflüge zu zahlen hatte. vgl. Pflugschatz, in: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 749. zeno.org
  4. Danevirke: eine früh- bis hochmittelalterliche Befestigungsanlage der Dänen gegen die Sachsen und slawische Stämme
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_486.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)