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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Ball, zu welchem die Auserwählten seines Landes stets freien Zutritt haben. Auch uns schickte er durch seinen Minister Tippoo, unter dessen Schutz wir ganz besonders gestellt waren, eine Einladung, die wir natürlich freudig annahmen. Auf dem Wege nach den Zäunen, die Nangoro’s Residenz mehr ausmachen als umgeben, hatten wir ein kostbares Schauspiel. Von allen Seiten tanzten Lichter und Fackeln unter dem heitern, hellen Himmel auf der stillen, grasigen Erde durch Palmenbäume hindurch, alle nach der Residenz zu: Ballgäste, die unterwegs trockene Palmenzweige anzünden und damit reisen, wobei sie noch größtentheils liebenswürdige Weisen singen.

„Ich habe hernach berechnet, daß Nangoro’s Residenz (Pfahl- und Zaunwerke mit der wunderschönen Himmelsdecke als Dach) just unter dem 18. Grade südlicher Breite und etwa 3 Meilen vom 16. nach dem 17. östlicher Länge sich befindet.

„Als wir in das „Königliche Schloß“ eintraten, wies man uns rechts in den „Ballsaal,“ der schon ziemlich gefüllt war und worin man ebenso umherflirrte und flüsterte, wie bei uns zu Hause.

„In einem Winkel ließ sich ein Virtuos auf der Banjo (einem kleinen guitarrenartigen Saiten-Instrumente) vernehmen und vor ihm ein mächtiger Künstler auf dem Tom-Tom (Handtrommel). Diese Töne fuhren zunächst zwölf Herren in die Füße. Sie stellten sich in zwei Reihen (Rücken an Rücken) auf und schwenkten sich dann trippelnd und rasch mit scharfen, schlauen Augen einander beobachtend, um einander herum. Oft drehte sich bald Dieser, bald Jener rasch um sich selbst herum, um dem Nächsten von der andern Reihe, den er gerade erreichen konnte, einen furchtbaren, klatschenden Schlag auf den Körpertheil, wo der Rücken seinen ehrlichen Namen verliert, zu appliciren. Das Interesse und die Geschicklichkeit dieses Vergnügens bestand eben in dem Vermeiden und Appliciren dieses Schlages, der, wenn er traf, mit einer Gewalt „saß“, die nur auf solcher Haut ein Vergnügen sein konnte. Minister Tippoo bekam die wenigsten und vertheilte die meisten Schläge. Diesem Talente verdankte er auch seine hohe staatliche Stellung. Nangoro lachte, daß ihm das Fett auf allen Seiten wackelte, und die „Ladies“ beklatschten und bejauchzten diese künstlerische Leistung auf die ausgelassenste Weise, die von der Liberalität der Hof-Etikette zeugte.

„Nun folgte eine Promenaden-Tanz-Partie. Wir wurden alle in eine compacte Masse zusammengeschichtet und schritten dann taktweise nach „Tom-Tom“ und „Banjo“ im Saale rundum, den Boden mit jedem Tritte tüchtig stampfend. Tanznummer Drei war für die Buschmänner, die als Leibgarde Nangoro’s in einem benachbarten großen Kraal (Dorfe) wohnten. Diese Leistung war durchaus mimisch und bestand in täuschender Nachahmung von Thieren oder sonstiger individueller Eigenthümlichkeiten, scheinbar ganz nach deren Belieben. Eine große Tanz-Promenade aller Anwesenden beschloß den Ball. Von Nangoro’s Frauen sah ich blos 30 oder 40, die zum Theil sehr hübsch aussahen. Die übrigen mochten wohl alt und häßlich sein und deshalb sich nicht zeigen. Sie trugen kupferne Armbänder als Zeichen ihrer hohen Stellung und Würde. Die übrigen Frauen und Mädchen nahmen blos an den Tanz-Promenaden Theil, doch tanzten sie mit den Köpfen und Füßen gleichsam alle Tänze mit und schienen sich oft kaum halten zu können, so tapfer arbeiten sie nach den Takten der Musik mit den Füßen. Die großen Irrlichter und Fackeln der sich Zerstreuenden in die dunkel glänzende, würzige Nacht hinein machte wieder den lebhaftesten Eindruck auf uns, wozu unsere Stimmung, das Bewußtsein unserer Lage auf der Erdkugel, wo keine Spur europäischer Erscheinungen zu finden war, das ihrige beitrug.“




Wieder eine Hoffnung. Bekanntlich wurden auf der letzten Leipziger Messe von Amerikanern große Ankäufe von Halbtuchen und anderen wollenen Stoffen gemacht und noch mehr Bestellungen aufgegeben. Man glaubte diese Waaren nach Californien und Australien bestimmt. Jetzt erfährt man, daß dieselben sämmtlich auf den chinesischen Markt kommen, der durch die Revolution bereits viel zugänglicher geworden und für die Zukunft einen Absatz verspricht, der Millionen europäischen Händen und Maschinen Arbeit auf viele Jahre schaffen wird.




Literarisches. Der beste Beweis für die unaufhaltsam fortschreitende Cultur und Aufklärung der Völker, die sich durch keine beengenden Maßregeln mehr hemmen und zurückschrauben lassen, liefert das in den Volksmassen immer mehr sich steigernde Interesse an den Naturwissenschaften. Eine Reihe vortrefflicher Schriften nährt dieses Streben nach Aufklärung und lobend ist es anzuerkennen, daß die buchhändlerische Spekulation sich mehr und mehr dieser heilbringenden Richtung anschließt und besonders durch populäre Schriften den Bedürfnissen und der Bildung des Volkes zu Hülfe eilt. So wird mit Beginn des nächsten Jahres in Leipzig unter dem Titel: Das Weltall, eine neue Zeitschrift für populäre Naturkunde erscheinen. Cotta in Freiberg. Reichenbach, Littrow in Wien, Tschudi, Snell in Jena werden mitarbeiten und Astronomie und Meteorologie, Physik, Chemie und Technologie, Zoologie. Physiologie und Anthropologie, Botanik und Mineralogie etc. etc. sollen darin ihre Verbreitung finden und dies Alles in wöchentlich Einem Quartbogen mit Abbildungen. Das heißt viel auf kleinem Raum versprechen. Auch wollen wir wünschen, daß die in der Wissenschaft als tüchtig anerkannten Mitarbeiter auch populär zu schreiben verstehen. Man kann ein sehr tüchtiger Professor und dabei ein sehr unverständlicher Volks-Schriftsteller sein. Der etwas unpopuläre Preis der Zeitschrift (vierteljährlich Einen Thaler) scheint übrigens andeuten zu wollen, daß dieselbe nicht auf das größere Publikum berechnet ist. – In nächster Zeit haben wir noch einige interessante Neuigkeiten zu erwarten. Auerbach, der vor Kurzem gefährlich erkrankt war, wird den 4. Band seiner Dorfgeschichten erscheinen lassen, Ludwig Storch eine Geschichte Karl’s V. Wer Storch’s Leineweber gelesen, wird wissen, welche tüchtige und umfassende Studien der Verfasser über diesen vielbesprochenen Charakter gemacht. Seine Auffassung wird allerdings eine durchaus neue, von den bisherigen Geschichtsschreibern abweichende sein. – Das jetzt überall erwachte Interesse für die Türken wird auch in der Literatur ausgebeutet werden. Ein Berliner Buchhändler kündigt als nächstens erscheinend an: „Blüthensträuße aus den Dichtergärten des Morgenlandes. Ein Album des Gediegensten aus der poetischen Literatur des Morgenlandes.“ Natürlich prachtvoll gebunden mit Goldschnitt. – Mit Neujahr haben wir auch eine neue belletristische Zeitschrift zu erwarten, die unter dem Titel: Deutsche Wochenschrift in Hannover erscheinen und von Carl Goedecke redigirt werden wird. Gervinus, Geibel, Rückert etc. werden als Mitarbeiter angekündigt. Man sieht, die deutschen Verleger glauben nicht an den Krieg.

E. K.  



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 474. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_474.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)