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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Unbeweglich blieb ich den langen Abend so sitzen. Die furchtbaren drei Worte hielten meine Denkkraft gefesselt. Wie im Traum sah ich die Dienstleute, mich beklagend, leise hin und wiederschleichen. Ich sah zwischen den Gardinen den Mond hinter den Gebirgen aufsteigen. Ich vernahm das Picken der Wanduhr. Endlich fiel ich in eine tiefe wohlthätige Ohnmacht.

Weder die nothwendigen aufregenden Beschäftigungen der folgenden Tage, noch das Begräbniß meines Gatten erweckten in meinem Herzen bessere Gefühle. Mir war es, als sei ein Stein von der Brust gewälzt, als Neuhaus in die Gruft seiner Ahnen gesetzt ward, ohne daß irgend ein Mensch eine Ahnung von der Ursache seines Todes hatte. Ich war frei und dieser Gedanke gab mir alle frühere Energie. „Suche glücklich zu werden,“ sprach eine innere Stimme; „es ist der Zweck und die Krone des Lebens. Unsterblichkeit ist ein eitler Wahn hochmüthigen Menschengeistes, der edler zu sein glaubt als die ganze Natur. Siehe die Pflanzen, die Thiere – das Individuum stirbt, aber die Gattung bleibt. Was willst du mehr sein als sie?“

Die trauernde Wittwe spielend blieb ich den Winter über in meiner ländlichen Einsamkeit; aber unter den dunkeln Trauerkleidern pochte ein gewissenloses, liebeglühendes Herz, das sich begierig nach der Welt zurücksehnte, wo der Gegenstand seiner Liebe lebte. Alle meine Gedanken drängten sich zu Constantin. Ich sehnte mich nach dem Sonnenstrahl seines Auges, nach dem Lichte seiner Liebe. Daß er sich seit der langen Zeit unserer Trennung verlobt, daß er geheirathet haben könnte, fiel mir nicht im Traume ein. Er, für den ich gekämpft und gelitten, für den ich so tief gesunken war, konnte mich jetzt nicht mehr verlassen. Er sollte mich das Erlebte vergessen machen. In dieser Zuversicht wiegte ich mich die ganze Zeit nach meines Gatten Tode.

Eines Abends blättere ich, nichts ahnend, in der Zeitung. Flüchtig übereilen meine Blicke die letzten Seiten und ich bin eben in Begriff, das Blatt wieder hinweg zu legen, als ganz am Schlusse eine Vermählungsanzeige meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es wird dunkel vor meinen Augen, mein Herz krampft zusammen, ich stoße einen Todesschrei aus und stürze zu Boden – Constantin Falk hat sich mit Clemence Beaumont, meiner ehemaligen Gespielin, vermählt.

Als meine Besinnung endlich wiederkehrt, war mir zu Muthe wie dem Ertrinkenden, dem eine Woge das letzte Bret, an das er sich geklammert hält, hinweggerissen hat und der nun den Untergang vor Augen sieht. Also darum hatte ich gekämpft, gelitten, geheuchelt und gemordet. Stöhnend und mit gerungenen Händen lehnte ich mich in die Polster des Sessels; nur rauhes, trocknes Schluchzen entrang sich meiner Brust. Mir war der Trost der Thränen versagt, seit ich über der Leiche meines armen geopferten Vogels geweint.

Von dieser Stunde an, wo ich Constantin’s Vermählung gelesen, begann meine Strafe, von dieser Stunde an begann die ewige Vergeltung, zwar anfangs nur leise, ihr immer furchtbarer werdendes Rächeramt.

(Fortsetzung folgt.)




Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre.

IV.0 Der Magenkrampf.


Die schönsten Jahre des Lebens verbittert gar häufig, vorzugsweise dem weiblichen Geschlechte, der Magenkrampf; kein Uebel wird aber auch durch verkehrte Behandlung, ebensowohl von Seiten des Arztes wie des Patienten, so in die Länge gezogen als gerade dieses und gar nicht selten steigert man dasselbe künstlich bis zu einem solchen Grade, daß es sogar tödtlich endet. – Mit dem Ausdrucke „Magenkrampf“ bezeichnet man nun aber nicht etwa eine bestimmte Krankheit, gegen welche ein bestimmtes Mittel angewendet werden kann, sondern immer nur eine, blos vom vom Patienten selbst wahrzunehmende Erscheinung, welche mehreren und zwar ganz verschiedenen Krankheiten zukommen kann und sich als krampfender oder raffender, schnürender, bohrender, glühender, nicht selten bis zum Rücken sich ausdehnender Schmerz in der Magen- oder Herzgrube äußert. Dieser Schmerz tritt bald bei nüchternem, bald bei vollem Magen ein, nicht selten kehrt er in ganz unregelmäßigen Perioden wieder, am gewöhnlichsten erscheint er jedoch einige Zeit nach dem Essen und besonders nach kaltem Getränke. Sehr häzufig gesellt sich zu demselben Appetitlosigkeit, Verdauungsstörung, Aufstoßen, Erbrechen und selbst Blutbrechen. Stets wird der Kranke bei längerem Bestehen dieses Schmerzen in Folge der geringern Nahrungsaufnahme, blutärmer und deshalb blässer, magerer und kraftloser. Bisweilen ist es aber auch umgekehrt und es tritt Magenkrampf erst zu der schon bestehenden Bleichsucht hinzu.

Die Ursache des Magenkrampfes ist in den allermeisten Fällen eine wunde Stelle im Magen oder das sogenannte Magengeschwür, dessen Entstehen dem Arzte aber noch ganz dunkel ist und von dem er nur weiß, daß es in der Regel eine zirkelrunde Gestalt hat (deshalb auch rundes Magengeschwür genannt wird), daß es nur sehr langsam zuheilt (deshalb auch chronisches Geschwür genannt) und bisweilen so in die Tiefe der Magenwand dringt, daß es dieselbe vollständig durchbohrt und auf diese Weise schnellen Tod unter heftigen Leibschmerzen herbeiführt (deshalb auch durchbohrendes Geschwür genannt). Dieser Tod, in Folge der Durchlöcherung des Magens wird meistens durch dumme Quacksalbereien hervorgerufen und hat seinen nächsten Grund stets in einer weitverbreiteten Bauchfellentzündung oder in Verblutung nach Zerstörung größerer Blutgefäße. Gewöhnlich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_456.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)