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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

vor einiger Zeit ein merkwürdiges Beispiel erlebten. Wir befanden uns in einer Gesellschaft sehr gebildeter und gelehrter Leute und das Gespräch kam zufällig auch auf das Kapitel der Antipathien. Mehrere stellten die Wirklichkeit derselben in Abrede, erfuhren aber entschiedenen Widerspruch von Seiten eines jungen Mannes von der Insel Barbados, der gegenwärtig auf einer deutschen Universität seine Studien macht. Er erklärte, daß er selbst gegen Spinnen eine unüberwindliche Antipathie besitze, was wohl mit darin seinen Grund habe, daß in seinem Geburtslande, der Insel Barbados, die größten und häßlichsten Spinnen gefunden werden. Einer der mit anwesenden Herren kam auf den Einfall, im Beisein des Herrn Matthew – so heißt der junge Insulaner – eine Spinne von schwarzem Wachs zu fertigen, um zu versuchen, ob diese Antipathie blos bei dem Anblick des wirklichen Insekts zum Vorschein käme. Er ging deshalb aus dem Zimmer und kam mit einem Stück schwarzen Wachses in der geschlossenen Hand zurück. Matthew, der sonst ein sehr sanfter und liebenswürdiger junger Mann ist, ergriff, in der Meinung, daß der Herr wirklich eine Spinne in der Hand habe, sofort ein auf dem Tische liegendes Messer, stellte sich mit dem Rücken gegen die Wand und erhob ein furchtbares Geschrei. Alle Muskeln seines Gesichts waren angeschwollen, seine Augen rollten und er war am ganzen Körper starr und steif. Wir liefen sogleich erschrocken auf ihn zu, entwanden ihm das Messer und versicherten ihm, daß der Herr blos ein Stück Wachs in der Hand gehabt und daß er es selbst auf dem Tische, wo es mittlerweile hingelegt worden, ansehen könne. Er verharrte noch eine Zeit lang in diesem krampfhaften Zustande und es war uns wirklich bange um die Folgen. Allmälig jedoch erlangte er seine Fassung wieder und beklagte die Raserei, zu welcher er sich hatte hinreißen lassen. Sein Puls ging außerordentlich rasch und hart und sein ganzer Körper war mit kaltem Schweiß bedeckt.




Literarisches. Die Cotta'sche Buchhandlung hat mit der Lieferungsausgabe ihrer Classiker eine unheilbare Verwirrung angerichtet. Der Begriff classisch wird in Folge des guten Absatzes von den verschiedenen Verlegern nun auf Autoren übertragen, die Alles, nur keine Classiker sind. Alle Achtung z. E. vor Rotteck und seiner trefflichen Geschichte. Er verdient die Anerkennung, die ihm thatsächlich durch die Verbreitung seines Buches in mehr als 100,000 Exemplaren geworden; deshalb aber ist er noch immer kein classischer Autor, wie uns Herr Westermann, sein Verleger, der jetzt eine „Classiker-Ausgabe“ seiner Geschichte bringt, glauben machen will. Herr Westermann wird recht gut wissen, daß die große Anerkennung, welche dem Rotteck’schen Geschichtswerke gezollt wurde und noch wird, mehr der liberalen freimüthigen Auffassungsweise als der tüchtigen Geschichtsforschung galt. Die Gesinnung allein aber macht in der Literatur noch keine Classiker. Deshalb aber wünschen wir doch, daß diese sehr billige Ausgabe des Rotteck’schen Buches recht zahlreich in das Volk dringe, denn es ist ein Werk, das mit Geist und Wärme geschrieben wenigstens die vielen Dummheiten und Lügen der meisten Geschichtsbücher von sich ferngehalten. – Ein neues Lieferungswerk: Walhalla. Deutsche Schriftsteller des 18. und 19. Jahrhunderts in Biographien und charakteristischen Proben, herausgegeben von Kletke, wird von Berlin aus angekündigt. Der Herausgeber verspricht ein „Compendium der classischen Literatur zu liefern, „eine Quellensammlung, wie noch keine existirt, versehen mit Briefwechseln, Selbstschilderungen etc., die zum Theil noch nirgend veröffentlicht sind.“ – Wie kömmt Herr Kletke in Besitz aller dieser Quellen, Briefwechsel etc.? Der Prospekt dieses Unternehmens ist übrigens sehr schwülstig geschrieben.




Athleten. Wer die letzte Michaelismesse in Leipzig gewesen ist, hat sicherlich auch nicht versäumt, den Circus des Herrn Loisset und die Lufttänzergesellschaft der Herren Cottreli und Hutchinson zu besuchen, wobei er Gelegenheit gehabt haben wird, die Kraft und Gewandtheit dieser Künstler zu bewundern. Wohl scheinen die sogenannten Nonplusultraleistungen dieser Leute in der That auch solche zu sein und ein Darüberhinaus außerhalb des Bereiches der menschlichen Möglichkeit zu liegen, aber was eigentliche Kraft und Muskelstärke betrifft, so stehen die Athleten der Vorzeit den neueren – selbst den weltberühmten Rappo nicht ausgenommen – nicht nur nicht nach, sondern übertreffen sie auch noch bei Weitem.

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts producirte sich in vielen Städten Deutschlands, Frankreichs und Italiens der Seiltänzer Venetianello (der kleine Venetianer) – so genannt, weil er aus Venedig gebürtig und von ungewöhnlich kleiner Statur war. Dabei aber besaß er eine so ungemeine Muskelstärke, daß er den dicksten Schenkelknochen eines Ochsen über’s Knie zerbrach; drei Eisenstäbe von der Stärke eines Mannesfingers wickelte er in eine Serviette und drehte und bog sie ineinander, wie dünne Drähte. Einen Balken von zwanzig Fuß Länge und anderthalb Fuß Stärke setzte er sich auf die Schulter und ließ ihn, ohne die Hände dabei anzuwenden, von einer Schulter zur andern hüpfen.

Der Pole Lepelski erzählt in seiner Beschreibung der Festlichkeiten, welche im Jahre 1583 zu Constantinopel zur Feier der Beschneidung Mahomeds, des Sohns des Sultans Amurath, stattfanden, daß dabei unter andern ein Athlet auftrat, welcher einen Balken, den zwölf starke Männer zur Stelle getragen hatten, aufhob und damit wie mit einer Muskete auf Commando exercirte. Hierauf legte er sich flach auf den Rücken nieder, ließ sich einen mächtigen Stein, den zehn Mann kaum von der Stelle zu bewegen vermochten, auf die Brust wälzen und schleuderte ihn dann durch einen plötzlichen Ruck und ohne Anwendung der Hände über den Kopf hinweg.

Tritanus, ein samnitischer Fechter, war von so ausnahmsweis starkem Körperbau, daß nicht blos seine Brust, sondern auch seine Hände und Arme sowohl der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_451.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)