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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

möchtest vielleicht später Deine Wahl bereuen und Dich nach einem glänzendern Loose sehnen. O, ich habe das Alles oft bedacht, und dennoch – dennoch –“

„Dennoch wirst Du gezwungen, mich zu lieben, mein Freund, mein Lehrer, mein Einziger!“

Das Hinzukommen der Gesellschaft legte uns unerwünschten Zwang auf. Ich erzählte meinen Unfall, ward arglos bedauert und Niemand ahnte Etwas von dem, was vorgefallen, obschon ich fürchtete, die Freude, welche meine Augen und Wangen höher leuchten machte, müßte mich Allen verrathen.

Der Tag verging – Dank unserer liebenswürdigen Wirthin – sehr angenehm. Erst spät Abends trat man den Heimweg an. Ein Theil der Gesellschaft fuhr nach Hause; ich zog mit einigen Wenigen den Fußweg vor, denn auf diese Weise hatte ich Gelegenheit, mich noch lange mit Constantin ungestört zu unterhalten. Da man wußte, daß Falk mein früherer Lehrer und ein Günstling meiner Eltern war, fand es Niemand auffallend, daß er meinen Arm nahm. Wir blieben stets eine Strecke hinter den Andern zurück. Bei der sanften Dunkelheit des Abends, bei dem verklärenden Schimmer des Mondes vernahm ich nun die köstlichen, berauschenden Worte seiner Liebe; hörte, wie er mich schon als Kind geliebt und wie ihn jede meiner damaligen Untugenden geschmerzt habe.

„O Constantin,“ sprach ich, seine Hand an mein Herz drückend, „also aus reinem Interesse, aus unbewußter Neigung, aus dem Wunsche mich zu bessern, hast Du ehedem mich so streng behandelt? Weißt Du noch, Du lobtest Clemence stets und fandest immer an mir zu tadeln?“ „Das ist ja das Seltsame bei der Liebe,“ antwortete er, „daß sie wie ein Zauber den Menschen umstrickt, daß der Kampf gegen sie ein vergeblicher ist. Warum fiel meine Liebe nicht auf Clemence, die – verzeihe dies Geständniß – ein besseres, edleres Kind war als Du? Warum mußte stets ein schönes, stolzes Antlitz mit zauberhaft tiefen lockenden Blauaugen, wie ein blauer See, ein Antlitz umflattert von schweren schwarzen Locken vor meiner Seele schweben? Sieh, Leonore, ich weiß, Du bist heftig, eifersüchtig, unversöhnlich; Clemence dagegen war sanft, liebevoll, versöhnlich und voll Demuth, und doch ist es mir nie eingefallen, etwas Anderes als Freundschaft für sie zu empfinden, als ich sie vor zwei Jahren wieder sah. Nur Dir, Leonore, ist es vorbehalten, mich zu beugen und zu fesseln.“

Ich hätte Falk’s Aufrichtigkeit würdigen und ihm desto fester vertrauen sollen; aber seine Worte erweckten in mir eine heimliche, schmerzliche Eifersucht. Ich zog meinen Arm aus dem seinen, mein Auge füllte sich mit Thränen. „Also liebst Du mich gegen Deinen Willen und hast für meine geistigen Eigenschaften keinen Sinn. Du findest mich unvollkommen und voller Fehler. Nur mein Aeußeres, nicht mein Inneres zieht Dich an mich?“ Falk war erschrocken über meine mißtrauische Heftigkeit. Er zog mich näher an sich und sprach mit zärtlichem Vorwurf: „Wie grausam bist Du, mich also mißzuverstehen. Grade Deine kleinen Unvollkommenheiten zogen mich an. Ein fehlerloses, vollkommenes Wesen würde ich nie mit solcher Leidenschaft lieben. Und auch der Gedanke, Dich durch meine Liebe einst weniger mißtrauisch, sanfter, milder und ruhiger zu machen, begeistert mich. Du kennst meine Macht über mich, meine schöne Wilde – mißbrauche sie nie.“

So gelang es ihm, mich zu beruhigen. Wie wäre es auch möglich gewesen, der aus seinen Worten leuchtenden Wahrheit zu widerstehen. Wir beschlossen, unser Verhältniß noch einige Zeit geheim zu halten und später meine Eltern um Einwilligung zu unserer Verbindung zu bitten. Constantin ahnte harte Kämpfe und Widerstand; ich aber war fest überzeugt, weder Vater noch Mutter könnten sich dem Glücke ihres Lieblings widersetzen.

Eine Woche nach diesem für mich so verhängnißvollen Tage wurde ich durch einen Bedienten auf meines Vaters Stube gerufen. Unwillkürlich erblassend und von ungewisser Angst erschien ich. Mit feierlichem und zugleich freudigem Gesicht kündigte er mir an, einer der vornehmsten und reichsten jungen Männer, der Baron von Neuhaus, habe um meine Hand angehalten. Ich stand unbeweglich vor Schrecken und grausamer Ueberraschung und war im Begriff, meine entschiedene Weigerung zu erkennen zu geben, als mein Vater fortfuhr: „Ich sagte bereits in Deinem Namen Ja; denn es ist mein fester Wille, diese in jeder Beziehung passende Verbindung zu Stande zu bringen. Du wirst als verständiges Mädchen und folgsame Tochter mit Freuden einwilligen.“ „Vater,“ erwiederte ich mit festem Tone, „ich bin bis heute stets Deine gehorsame Tochter gewesen, aber diesmal widersetze ich mich. Ich kann und will diesen Neuhaus nicht heirathen.“

Auf meines Vaters Stirn schwoll die Zornesader. „Was für Gründe,“ frug er strenge, „bestimmen Dich, diesen Mann auszuschlagen?“ „Erstens“, erwiederte ich, „kenne ich diesen Baron zu wenig und zweitens liebe ich ihn nicht und werde ihn nie lieben.“

„Mädchenthorheit, sentimentale Ziererei! Das gibt sich Alles. Du magst ihn lieben oder nicht; aber Du wirst Dich mit Neuhaus vermählen. Du kennst jetzt meinen Willen.“

Ich richtete mich todtenbleich aus meiner bisher demüthigen Stellung und blickte mit entschlossenem Trotz in sein finsteres Antlitz. „Auch meinen Willen lerne kennen,“ sprach ich, „ich bin an Willenskraft Deine echte Tochter, hier schwöre ich Dir zu Gott, daß Du mich nie zu dieser Heirath zwingen wirst. Und weißt Du auch, was mich stark macht, Dir zu widerstehen und wärest Du der mächtigste Fürst? Die Liebe ist es!“

Er faßte zornig meinen Arm und preßte ihn so heftig, daß ich fast einen Schmerzensruf ausgestoßen hätte. „Die Liebe – ? Wen liebst Du, halsstarriges, ungehorsames Kind?“

„Constantin Falk,“ rief ich stolz und meine Augen leuchteten kühn den zornflammenden Blicken meines Vaters entgegen. Er war außer sich und nannte Falk einen elenden Emporkömmling, eine undankbare Schlange, einen heimtückischen Verräther, der ihm das Herz seines Kindes gestohlen.

„Halt ein, Vater,“ rief ich, „ich dulde nicht, daß Falk in meiner Gegenwart geschmäht wird. Was Du ihm

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_442.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)