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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 41. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Gott verloren – Alles verloren.

Ein Seelengemälde nach Familienpapieren mitgetheilt von Ferdinand Stolle.
(Fortsetzung.)


„Mag sie schmelzen, Falk!“ gab ich zur Antwort und entzog mich nicht mehr seinem Arm. Wohl wissend, welcher Zauber in meinen Augen lag, fuhr ich fort, ihn anzublicken. Aber nur einige Secunden vermochte ich die Augen offen zu halten; mir schwindelte vor Freude und Schmerz. Ich fühlte, wie das Blut warm über das Gesicht rann und einer Ohnmacht nahe, lehnte ich mich an seine Brust. „Gott, Leonore, Sie bluten,“ sagte er, ließ mich sanft auf das Moos nieder, schöpfte Wasser aus dem nahen Waldbache, wusch und verband mich. Ruhig ließ ich es geschehen. Mir war im Leben nie so wohl gewesen und heimlich mußte ich über Constantin’s ängstliche Fragen lächeln, ob ich viel Schmerzen empfinde. Von seinem Arm gestützt, gingen wir langsam weiter. Unsere Herzen pochten nahe aneinander. Unsere Blicke begegneten sich. Die seinigen ruhten mit einer Art magnetischem Zauber auf mir. Ich schlug die Augen nieder und mein Gesicht überzog dunkle Röthe. „Zauberin,“ flüsterte er, „Du hast endlich den entscheidenden Blick in mein Herz gethan: Du weißt, daß ich Dich liebe, wie ein Wahnsinniger liebe. Mit tausend Schmerzen habe ich gegen diese Liebe wie gegen eine Thorheit gekämpft, umsonst, sie blieb Siegerin.“ Er sank in heftiger Aufregung zu meinen Füßen und barg sein Gesicht in meinen Händen, die ich ihm entgegenstreckte. Wohin war mein Stolz den Männern gegenüber? Mein Auge strahlte vor Freude. Doch ein Gedanke durchzuckte mich schmerzlich. Warum sträubte er sich so heftig gegen seine Neigung zu mir? War ich ein Wesen, das man sich schämen mußte zu lieben? „Constantin,“ sagte ich unter Thränen, aber nicht ohne Stolz, „stehe ich so tief unter Dir, daß Du Deine Liebe beschämt verbirgst? Ist es also, wohl, dann verlaß mich.“ „Dich verlassen?,“ rief er, „Dich verlassen? O Du weißt ja, daß ich das nicht kann, wenn ich auch wollte.“ „Nun denn,“ antwortete ich, „was hindert uns dann, glücklich zu sein?“ „Deine Eltern, Mädchen, sie werden nie einwilligen, daß Du die Meinige wirst. Und Du selbst – sieh mich nicht so zürnend an – Du selbst

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_441.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)