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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Am längsten hat sich diese Meinung unter den Pflanzenphysiologen erhalten hinsichtlich gewisser Pflanzenkrankheiten. Bevor man mit den ungemein vervollkommneten Mikroskopen der neueren Zeit die feinsten Theile des Pflanzengewebes und die Entwickelung gewisser ungemein einfacher Pilzgebilde untersuchen konnte, hatte jene Meinung allerdings etwas für sich.

Du kennst als Landwirth den Flugbrand des Hafers und der Gerste und den stinkenden Schmierbrand des Weizens. Diese Pflanzenkrankheiten, die uns schon oft unsere Getreideernten gar sehr geschmälert haben, sprechen sich dadurch aus, daß sich innerhalb der Blüthentheile anstatt gesunder Körner nach und nach eine schwarzbraune Staubmasse entwickelt, und zwar nicht blos auf Kosten der Körner, sondern außer diesen werden auch die Spitzen fast ganz zerstört, so daß zuletzt wenig mehr als die Spindel der Aehre oder Rispe übrig bleibt.

Hier sagte man nun, diese schwarze Staubmasse sei ein Gebilde, eine Folge, ein Symptom der Krankheit. Irgend welche uns unbekannte Ursache habe die Pflanze krank gemacht, und der Krankheitsstoff werde gewissermaßen von Innen auf die Oberfläche der Pflanze herausgetrieben und nehme zuletzt die Gestalt dieses Brandstaubes an.

Das sollte eben der Afterorganismus, oder wenn Dir das verständlicher ist, das Krankheitswesen im an sich gesunden Pflanzenwesen sein, was, in letzterem entstanden, nun sich aus ihm heraus entwickele und dabei dasselbe entweder ganz oder wenigstens einzelne Theile davon zerstöre.

Es ist aber nicht so. Diese Masse ist nicht eine Folge, ein Erzeugniß der Krankheit, sondern die Ursache davon; eben so wenig wie die Krätzmilbe, die sich in den Krätzpusteln findet, nicht eine Folge, sondern die Ursache der Krätzkrankheit ist. Wie die Krätzmilben kleine Thierchen sind, welche in der Haut des Menschen leben, so sind die unendlich kleinen Staubkörnchen der beiden genannten und vieler ähnlichen Pflanzenkrankheiten die Samenkörnchen von Pflanzen, nämlich kleiner Pilzgebilde, welche sich meist unter der Oberhaut der Pflanzentheile bilden. Weil dies meist auf den Blättern und blattähnlichen Theilen, zu denen wir auch die Blüthen rechnen müssen, geschieht, so nennt man sie gewöhnlich Blattpilze. Wie die Krätze blos durch Uebertragung der Krätzmilben von der Haut eines Kranken durch Berührung, Betten, Wäsche und dergleichen auf die eines Gesunden ansteckend ist, so entstehen die Brand- und Rostkrankheiten auch blos durch Ansteckung, d. h. indem die außerordentlich feinen Keimkörper, wie man die Samenkörnchen der Pilze und anderer niederer Pflanzen nennt, auf und unter die Oberhaut anderer Pflanzen getragen werden. Dort keimen und wachsen sie ebenso, wie Du es von der Missel kennst, die auf Bäumen mancherlei Art schmarotzend wächst.

Diese sogenannten Blattpilze bilden gewissermaßen ein kleines besonderes Pflanzenreich, dem trotz unendlicher Kleinheit doch Mannigfaltigkeit und Zierlichkeit nicht abgeht.

Du siehst auf meinem Bildchen zwei solche Blattpilzarten, welche gerade jetzt in jedem Blumengarten sehr häufig zu finden sind. Geh’ in Deinen Garten und sieh Dir die längst ihres Blüthenschmuckes beraubten Rosenstöcke an; ich meine die Centifolien, nicht die Monatsrosen, auf denen Du vergeblich suchen würdest. Auf vielen der älteren noch grünen Rosenblätter bemerkst Du auf der Oberfläche gelbe Flecken (F. 1), und wenn Du ein solches Blatt umdrehst, so findest Du, daß unten auf diesen gelben Flecken kleine Häufchen eines orangerothen Pulvers sitzen; hier und da findest Du auch dazwischen lockere schwärzliche Häufchen.

Das sind zwei verschiedene Blattpilze, welche auf der Rose fast immer gesellig beisammen vorkommen. Der gelbrothe ist der Rosenbrandpilz Urado Rosae und der schwarze führt den wissenschaftlichen Namen Phragmidium bellosum. F. 2 zeigt Dir in 200maliger Vergrößerung den senkrechten Durchschnitt durch ein Häufchen des ersteren. Du siehst aus dem Zellgewebe des Rosenblattes sich fächerförmig das Pilzhäufchen ausbreiten. Dieses besteht aus dem sogenannten Pilzlager, Mycelium, welches den Mittelpunkt bildet. Um dasselbe herum stehen sogenannte Saftzellen, b) welche keulenförmig und nach innen gekrümmt sind. In der Mitte liegen zahlreiche Keimkörner oder Sporen, a) von denen ich aber blos einige wenige hergezeichnet habe, während in der Wirklichken sich davon Hunderte in einem solchen Häufchen finden. Rechts daneben siehst Du eine einzelne Spore in 400maliger Vergrößerung.

Wesentlich verschieden zeigt sich der andere Blattpilz. Neben den Saftzellen (F. 3) bb finden wir hier nicht nackte Keimkörner, sondern kleine schwarzbraune keulenförmige Kapselchen, in denen je 6–7 Keimkörper in

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_436.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)