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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

seidene Gewand und das großblumige Umschlagetuch die verfallene ruinenhafte Gestalt zu umhüllen. Ich mußte sie wecken und nach Hause führen. Scenen, wie die beschriebene, fielen oft zwischen mir und der Alten vor.

Fast in selbiger Zeit ward unser Gut verpachtet und mein lebhafter Wunsch nach der Stadt erfüllt. Wir zogen nach B. Hier sah ich endlich ihn wieder, der das Ideal meiner Kindheit gewesen; ihn, dessen Lächeln, dessen Lobspruch mich glücklich, dessen ernste Miene, dessen Tadel mich eifersüchtig und unglücklich gemacht und mein Herz den Regungen des Hasses eröffnet hatte. O Constantin! warum mußtest Du mir wieder in den Weg treten und – ohne es zu wollen – die Verehrung des Kindes in glühende Liebe der Jungfrau verwandeln?

Meinen Augen erschien er als der herrlichste der Männer. Er hatte ein ernstes blasses, aber von Geist durchleuchtetes Gesicht; eine edle Gestalt, klare durchdringende Augen, vor denen ich die meinigen erröthend senkte, wenn sie ernst und forschend auf mir ruhten. Man sagt, es gebe Menschen, die geborne Fürsten, sei ihre Herkunft noch so gering. Constantin Falk war ein solcher Fürst. Was ging es mich an, daß er keinen adeligen Stammbaum, keine zahlreichen Ahnen aufzuweisen hatte! Ich liebte ihn mit aller Macht meiner Seele. Der Adelstolz meiner Eltern war mir stets anmaßend und lächerlich vorgekommen. Nur Geist und Witz vermochten mir zu imponiren. Jetzt aber ging eine dunkle Ahnung in mir auf, daß der Standesunterschied einst Unheil über mich bringen könnte.

Falk schien bei unserem Wiedersehen von Freude durchdrungen. Seine Augen weilten oft, wenn er sich unbemerkt glaubte, mit einem gewissen staunenden Wohlgefallen auf mir, und instinktmäßig fühlte ich, daß bald meine Macht über seine Seele beginnen sollte. Da es meinen Eltern gar nicht in den Sinn kam, Falk könne die Verwegenheit haben, mich zu lieben, so freuten sie sich seiner häufigen Besuche und legten durchaus kein Hinderniß in den Weg.

Damals begann die schönste Zeit meines Daseins, aber sie blieb nicht lange ungetrübt. Als einziges Kind reicher Eltern von Allen beneidet; als junges schönes Mädchen von der Männerwelt gefeiert; in einem beständigen Wechsel von Zerstreuungen, hätte ich da nicht befriedigt, nicht glücklich sein sollen? Ja, ich war glücklich; aber der eigentliche Grund meiner Heiterkeit lag tiefer. Es war das entzückende Bewußtsein, von Falk innig und heiß geliebt zu sein. In Worten hatte er mir sein Herz noch nicht entdeckt; aber sein Geständniß leuchtete aus seinen mächtigen Augen. Sein häufiger Farbenwechsel in meiner Gegenwart und tausend andere, von Niemandem als mir erkannten Zeichen, sagten: Du bist geliebt. Das Auge der Frauenliebe sieht scharf. – Ein Zufall gab Constantin’s Gefühlen endlich Worte. Eine wohlhabende Gutsbesitzerin lud mich nebst vielen meiner Bekannten auf ihr romantisch gelegenes Waldschloß. Da die ganze Gesellschaft, ausser zwei alten phlegmatischen Ehrendamen, aus lauter jungem Volke bestand, so war natürlich alle Etiquette verbannt und ein Jedes suchte sich nach Kräften zu amüsiren. Ich ging an Constantin’s Arm den Uebrigen um ein beträchtliches Stück Weges voraus, den anmuthigen Waldpfad entlang. Wir sprachen wenig; aber unser Inneres war von einer unnennbaren Seligkeit durchklungen. Mir war’s, als könne ich mein Leben lang so an seiner Hand dahingehen, ohne müde zu werden oder Erschlaffung zu empfinden.

Als wir an einen mit Wasser angefüllten Graben gelangten, wollte Constantin ein Bret darüberlegen, um mir den Uebergang zu erleichtern. Aber der alte Eigensinn und Stolz kamen über mich. Ich wollte nicht schwächer erscheinen als er und sprang entschlossen, seine Hülfe verschmähend, über den Graben. Obschon ich trockenen Fußes hinüber gelangte, konnte ich doch nicht verhindern, an eine hervorgequollene Baumwurzel zu stoßen. Ich schwankte und stürzte mit dem Kopfe an eine Felsenwand. Constantin sprang außer sich an meine Seite. Er hob mich auf, schlang seinen Arm um mich und untersuchte mit unverkennbarer Angst meine Kopfverletzung. „Lassen Sie mich,“ rief ich in halber Betäubung und auf mich selber zürnend. „Die Wunde ist nicht der Rede werth, o, ich war sehr albern und kindisch! Falk, Verzeihung!“ Beschämt, mit hocherrötheten Wangen sah ich zu ihm auf und faßte bittend seine Hand. Es war um seine Fassung geschehen. „Leonore,“ rief er mit bebender Stimme, „hören Sie auf, mich mit so bezaubernder Sanftmuth anzublicken, es möchte sonst die Rinde schmelzen, die ich, zu Ihrem Besten, um mein Herz gelegt.“

(Fortsetzung folgt.)




Die Pestilenz in New-Orleans.

Jetzt, wo so viele Gemüther in banger Furcht vor der Cholera schweben, die an vielen Orten mit so beunruhigender Heftigkeit zum Ausbruch gekommen ist, kann es gewissermaßen zum Troste dienen, daß alle Berichte, die wir aus den von der Cholera heimgesuchten Städten in Bezug auf die Verheerungen, welche diese Krankheit anrichtet, haben, noch lange nicht denen gleichkommen, die uns seit einiger Zeit aus New-Orleans über das seit einigen Monaten dort herrschende gelbe Fieber zugehen – eine Krankheit, welche in unserem Klima nicht vorkommen kann.

New-Orleans ist, was pestartige Krankheiten betrifft, eben so – und mit größerem Rechte – verrufen, wie Constantinopel oder Kairo. Die Herbstmonate eines jeden Jahres erzeugen dort in Folge der sumpfigen Lage der Stadt unter den glühenden Sonnenstrahlen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_432.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)