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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

gegen die noch übrigen gefangenen Nordamerikaner Milde eintreten ließ, obschon die Lopez-Expedition ganz ungescheut in den westlichen Staaten der Union betrieben worden war. Versuche, das Feuer in Cuba zu schüren, wurden unausgesetzt gemacht, und führten zu zahllosen Conflicten zwischen Spaniern und Nord-Amerikanern. In der ganzen Union fanden Massenmeetings statt, bei welchen man dem Zorne gegen die spanische Herrschaft auf Cuba Luft machte und mit Rache drohte, ohne daß die nordamerikanischen Behörden bei allem gerichtlichen Einschreiten diese Demonstrationen zu hindern vermochten. Aus dieser Fluth aufgeregter Leidenschaften tauchte der Orden des einsamen Sternes auf, der den Gelüsten der Yankees auf Cuba neue Nahrung zu geben bestimmt war. In Neu-Orleans, wo von jeher der Sitz der gegen Cuba gerichteten Unternehmungen war, ging der einsame Stern auf, der übrigens im Grunde nur eine neue Form für die von Monroe (Präsident der Union von 1817–1825) aufgestellte Doktrin ist: keine Einmischung der europäischen Mächte in die innern Angelegenheiten der südamerikanischen Republiken zu dulden.

Der einsame Stern wurde von einem Dr. Wren aus Alabama gegründet und zählte bald nach seinem Entstehen allein im Süden der Union über 25,000 Mitglieder, unter denen die verschiedensten Klassen der Gesellschaft und alle mögliche politische Parteien und religiöse Sekten vertreten sind. Die Cubanen sind von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Das offen ausgesprochene Ziel des Bundes ist: „Die Ausdehnung und Ausbreitung des Handels, der Macht und der Institutionen der Republik über die westliche Erdhälfte und die Inseln des atlantischen und stillen Meeres.“ Der Bund des einsamen Sterns ist nach Art der Freimaurerei in Logen und Grade gegliedert, von welch letztern er drei zählt. Das Mysterium, in das sich die Leiter des Bundes dabei zum Theil hüllen, ist durch den Umstand geboten, daß die Behörden ihren Bestrebungen mehrfach hindernd in den Weg treten. Indessen fehlt es deshalb an öffentlichen Kundgebungen nicht, wie denn erst noch neulich der Todestag des Generals Lopez in Neuyork öffentlich von den Männern des einsamen Sterns mit einer Trauerfeier begangen wurde. Geldmittel und Waffenvorräthe werden im Geheimen aufgehäuft, und die Perle der Antillen dürfte zunächst als neuer Stern in das Banner der Union kommen.

Die Behörden der einzelnen Staaten, sowie auch die Regierung in Washington, ließen es, wie wir schon angedeutet, an gerichtlicher Verfolgung der Lopezisten und Mitglieder des einsamen Sterns nicht fehlen, eine gewisse Lauheit ließ sich dabei jedoch nicht verkennen und erklärt sich auch hinlänglich dadurch, daß eben die Vereinigung Cuba’s mit der Union eine unter allen Parteien zu populär gewordene Idee ist. Vorzugsweise wird sie freilich von den Demokraten gepflegt. Es lag nun im natürlichen Gange der Dinge, daß die Männer vom einsamen Stern, im Verfolg ihrer Pläne, und da um dieselbe Zeit herum die Neuwahl des Präsidenten der Union stattfand, ihren ganzen Einfluß geltend machten, um einen ihrer Doktrin geneigten Mann an die Spitze des Staates zu bringen. Dies gelang ihnen auch, in Verbindung mit den gesammten demokratischen Elementen des Landes, und so wurde der General Franklin Pierce zum Präsidenten der Union gewählt.

Diese Wahl kann man wohl nicht ganz mit Unrecht als eine der alten Welt gemachte Kriegserklärung bezeichnen, und namentlich war sie in Bezug auf Cuba ein deutlicher Fingerzeig. Präsident Pierce ernannte bei den Neubesetzungen der Gesandtschaftposten den Senator Soulé, einen Franzosen von Geburt, zum Gesandten in Madrid, und da Soulé, einer der Eifrigsten unter den Männern des einsamen Sterns, schon seit einem Decennium die Einverleibung Cuba’s in die Union bald mit Güte, bald mit Gewalt betrieben, so ist durch seine Ernennung allerdings der Krone Spanien der Handschuh offen vor die Füße geschleudert. Die Rücksichtslosigkeit der neuen nordamerikanischen Politik läßt sich nicht mehr verkennen.

Um vollständig gerecht zu sein, muß jedoch hervorgehoben werden, daß die gemäßigte Partei, welche vor der Erwählung des Generals Pierce das Steuer des Staates in Händen hatte, im Grunde ebenso begehrliche Absichten auf Cuba hatte, denn sie schon wies den von England in Gemeinschaft mit Frankreich vorgeschlagenen Vertrag, der Krone Spanien den Besitz Cuba’s für alle Zeiten zu garantiren, zurück. Es war dies deutlich, und wurde auch von der englischen und französischen Regierung verstanden. Die spanische Regierung selbst sieht das Unvermeidliche nach und nach hereinbrechen. Zu schwach, um den amerikanischen Gelüsten die Spitze zu bieten, und in der richtigen Voraussicht, daß die vereinigten Kräfte Europa’s vergeblich versuchen werden, der Union die schon halb verschlungene Beute vorzuenthalten, wird für sie noch das Vortheilhafteste sein, Cuba gegen die schon einmal angebotene Summe von 200 Mill. Dollars an die Union abzutreten. Die Einverleibung der Insel in die Union ist nur noch eine Frage der Zeit, und wenn sich Spanien zu lange besinnt, so wird es, ohne den angebotenen Ersatz an Geld zu haben, binnen Kurzem das Sternenbanner über der Perle der Antillen wehen sehen.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 422. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_422.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)