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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Vorderräder auffallend viel kleiner als die Hinterräder sind. Sie gehört Herrn Joaquin Barranco und geht mit Gütern und Passagieren, die sich möglichst gut vertragen müssen, in drei Tagereisen zwischen Granada und Almeria, in einem großen Bogen, hin und her. Es ist noch für manchen carro in dem großen Raume Platz und ehe es 10 Uhr geschlagen hatte, war auch mancher hinzugekommen. In dem Innern einer solchen Venta ist immer alles beisammen und unter einem Verschluß: Wagen, Pferde, Esel und beider Kinder, die Maulesel, Hunde, Fremde, Schweine, Ziegen, Hühner u. s. w. Links im Winkel brennt unter dem ungeheuern Rauchfange das ewige Feuer. Sonst kommt nur durch das Thor Licht herein, welches hier einem reisenden Siebmacher bei seiner Arbeit dient. Die schräge Decke ist die Innenseite des Daches. Zahlreiche Tragbalken sind anstatt mit Latten mit Rohr belegt, welches auswendig die plumpen Hohlziegel trägt. Der ganze Raum ist gepflastert.

Am andern Morgen mußte ich eingestehen, daß der Mozo von wegen der Chinches (Wanzen) nicht zu viel versichert hatte. Jedoch deswegen war ich immer noch nicht auf Rosen gebettet gewesen. Mein Bett hätte füglich denken sollen: mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. Allein selbst mein geringes Körpergewicht brachte das leichte Gestell in eine schwankende Bewegung und ein Theil desselben fiel zu Boden, als ich mich diesem zerbrechlichen Fahrzeuge durch die dunklen Wellen der Nacht anvertraute. Glücklicherweise blieb er der einzige. Aber ein anderer Uebelstand belästigte mich so lange, bis der Ausgleicher der Stürme des Taglebens, der Schlaf, meinen Sinneswerkzeugen die bewußte Thätigkeit benahm. Unglücklicherweise fehlten an einigen Stellen der sechs Wände meines Schlafgemaches einige Steine, die übrigens von der spanischen Kunststraße leicht herbeizuschaffen gewesen sein würden. Gerade unter einer solchen Stelle mußte der offene Ort sein, den das feingebildete Deutschland in guter Gesellschaft nicht zu bezeichnen wagt, trotzdem, daß dieser Ort in Deutschland gegen einen solchen in Spanien das non plus ultra von Sauberkeit zu sein pflegt. Dieses Oertchen sendete durch das sehr überflüssige Mauerloch alle seine Düfte über meine schaukelnde Schlummerstätte.

Doch es wurde Alles glücklich überstanden; auch die 5 Realen (10 Ngr.), welche ich für dieses Vergnügen (blos für das Bett) bezahlen mußte. Dafür hätte ich bei den Herren Großberger und Kühl in Leipzigs Hôtel de Pologne ein ungepflastertes Zimmer und feststehendes Bett ohne Parfüm bekommen.




Blätter und Blüthen.

Eine preußische Monarchie im südlichen Weltmeer. Der brausende Sturm, der 6000jährige Götzentempel in China niederreißt und die unantastbare Heiligkeit faustdicker Zöpfe millionenweise abschneidet, ging von dem verdorbenen deutschen Kaufmannsdiener Gützlaff aus. Die Helden, die zuerst in’s Innere Australiens und Afrika’s (für die praktische Baumwolle Englands) vordrangen und Tausende von Meilen und Hunderte von Staaten wissenschaftlich eroberten, waren und sind Deutsche. Wo die Engländer zum ersten Male in ihrem Leben (in Afrika) hinkamen, fanden sie schon deutsche Missionäre als Schulzen ihrer Gemeinden und Dörfer. Weit jenseits Australiens und Neuseelands nach dem Südpole zu entdeckten die Engländer vor einigen Jahren eine Insel, von der noch Niemand auf der bekannten Erde eine Ahnung gehabt. Sie glaubten als erste Europäer sie nach ihrer Manier sofort Ihrer Majestät der Königin Victoria durch eine einfache Besitzergreifungserklärung unterwerfen zu können, wie sie am 1. Januar 1800 (ein bedeutungsvoller Anfang des Jahrhunderts) durch bloßen Trommelschlag an einer Ecke Australiens diesen ganzen ungeheuern Continent Georg dem Dritten eroberten, so daß der Besitztitel noch heute gilt. Aber hier ging’s nicht. Preußen that Einspruch und zwar so energisch, daß die unbekannte Insel preußisches Eigenthum blieb. Als sie sich nämlich die Insel näher ansahen, entdeckten sie ein wunderschönes Dörfchen mit Gärten und Feldern vor und hinter den Häusern und Hütten, darunter eine besonders schöne, stolze, schloßartige Villa, von einem Lattenzaun, wie von Soldaten in Reih’ und Glied, umgeben und bewacht von einer Schildwache in einem Leibrock und mit einer Art von Badehosen, im Uebrigen barfuß.

Citronengelbe und morgenrothscheinende Weiber und Kinder liefen zusammen und starrten die Engländer mit weit offenen Mäulern und Augen sprachlos an, bis die Schildwache martialisch aufschrie und ein stolzer Mann mit europäischer Physiognomie und einem Säbel an der Seite inmitten einer Menge Kinder aus einem Hause (dem Schulhause) heraus und auf sie zuschritt, aus dem Schulmeister sich sofort in den Tyrannen der Insel verwandelnd.

Er verstand so viel Englisch, um eine Unterhaltung möglich zu machen, wurzelte aber im Uebrigen mit seinem Stammbaume in der Brauhausgasse der Königsstadt von Berlin (im englischen Texte wird sie Browhouse lane genannt).

Er war nach der Schlacht bei Waterloo aus Versehen vom Blücher’schen Husarenpferde unter die englischen Verwundeten gekommen und, da er sechs Wochen größtenteils sprach- und besinnungslos gewesen, auch mit nach England hinüber geschafft worden. Hier habe man ihm seinen sehr offenen Kopf wieder mit Haut und Haar bedeckt und ihn auch gut unterstützt, aber als ein lockerer Bursche sei er damit nie ausgekommen und deshalb mit der Zeit heimlicher Steuereinnehmer aus den Taschen Anderer geworden, bis man alle seine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_415.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)