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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

wirklich etwas gethan und sogar ein Amt bekommen. Es fehlte der Republik an großen Männern und so zog man mich verlornen Sohn Deutschlands aus der Sevilla-Straße in Granada hervor, setzte mich auf ein Pferd und führte mich durch einen prächtigen, 18 Meilen langen Garten voller Früchte und bunter, lärmender Vögel bis nach Managua, dem Regierungssitze des Präsidenten Frutos, und vor diesen selbst. Er trug keine Krone und keine Uniform mit Orden, sondern auch eine Leinwandjacke für 16 Neugroschen. Und doch jeder Zoll ein König mit der Cigarre im Munde! – Sollte ich eingesteckt oder ausgewiesen werden? Man strapazirt sich hier mit solchen Geschäften nicht ab. Nein der wunderschöne, majestätische Mann wies mit seiner Cigarre auf einen Stoß Papier und fragte mich, ob ich aus diesen letzten Congreßakten einen Auszug machen und in’s Englische übersetzen könne und wolle? (Ich erfuhr hernach, daß er der englischen Regierung ein Geschenk damit zu machen beabsichtige.) Meine Schwäche war so stark, daß ich die geheime Unterstaatssecretärstelle annahm und später auch einige Goldmünzen, die sich nachher in ungeheuer viel Silber verwandelten. Ich bin damit fertig und hatte nun ein Staatsgeheimniß in’s Englische zu übersetzen. Nur so viel will ich ausplaudern, daß es sich um das Stück Nicaragua an der atlantischen Seite handelt, welches die Engländer dem König der Mosquitoküste geschenkt haben. Das Aktenstück giebt durch die Blume zu versteben, daß es keine Kunst sei, Geschenke zu machen, wenn man sie vorher andern ehrlichen Leuten wegnähme, ohne sich hinterher wenigstens mit ihnen abzufinden. Frutos verlangt nun im Auftrage des Parlaments oder Congresses Ausgleichung von den Engländern. Was ich thun kann, um die Engländer zur Raison zu bringen, will ich gewiß thun trotz meiner grundsätzlichen Trägheit. Man muß sich doch um’s „Vaterland“ verdient machen. Nicaragua gehörte früher zu dem centralamerikanischen Polen, der berüchtigten Republik, die aus den jetzigen Republiken Guatemala, San Salvador, Honduras und Costarica bestand. Nicaragua’s Verfassung ist ganz der nordamerikanischen ähnlich. Und dieses anglo- sächsische Product scheint nun hier unter dem glücklichsten Klima selbst den Romanen zu bekommen. Das Land ist groß genug und hat auf seinen 3000 Geviertmeilen blos 260,000 Einwohner, so daß der Präsident blos halb so viel Menschen glücklich zu machen hätte als der Bürgermeister von Berlin, wenn Frutos solch ein Narr wäre, seine Urwähler glücklich machen zu wollen und die Urwähler noch größere Narren, ihr Glück nicht selbst zu besorgen und es lieber aus der Fabrik „Staat“ zu beziehen, der unter den besten Verhältnissen nicht ein so reiches Assortiment von Glückssorten fabriciren kann, um Jedes Geschmack zu befriedigen. Wenn jedem Narren seine Kappe gefallen soll, muß er sie selbst machen und nach seinem Willen schief, grade, links oder rechts, vorn- oder hintenüber tragen dürfen.

In Nicaragua (der Stadt, am See weiter im Norden) wohnen mehrere Deutsche und machen Chocolade, das Hauptgetränk der Bewohner (aber dünner gekocht und ohne Gewürz, welches zu sehr erhitzen würde). Ich beschloß, ihnen von Managua aus einen Besuch zu machen, miethete deshalb zwei Pferde und begab mich mit meinem Indianer als Wegweiser auf die Reise. Wir ritten immer durch üppige Wälder und wilde Gärten, die von Früchten und Thieren in allen Farben und Gestalten strotzten. Wenn wir in einem Gasthofe einkehren und „Einen nehmen“ wollten, streckten wir blos die Hand aus und rissen eine Frucht ab, besonders eine kokosnußartige, aber weit süßere, in die man ein Loch stößt, um sofort daraus die herrlichste Limonade trinken zu können. Hat man dabei noch Hunger, genießt man die haselnußartig-schmeckende, dicke Schale und sehnt sich dann nicht nach Braten und Kartoffeln. Fleisch wird hier überhaupt selten genossen, da man selten Appetit darauf bekömmt und es auch unter diesem Himmel bald wie Gift wirkt. Das gelbe Fieber ist eine Folge der Fleischnahrung und hitziger Getränke in heißen, besonders heißen und feuchten Ländern. „Ländlich, sittlich“ ist das erste Gesetz, besonders für die Diät.

Da wir auf unserer Reise durch verschiedene Lagunen und Sümpfe, die von der Regenzeit her noch nicht ausgetrocknet waren, zu Umwegen genöthigt wurden, waren wir nicht im Stande, Nicaragua vor Einbruch der Nacht zu erreichen. Mein Indianer ritt mit mir deshalb nach einem Indianerdorfe, wo er gute Freunde hatte und auch ein Weißer „über dem großen Wasser drüben her“ wohnen sollte. Die Indianer saßen und lagen vor ihren Hütten um einen alten Mann herum, der wie Baumrinde aussah, und ihnen Geschichten erzählte. Gleich in der ersten Minute fiel mir der ungemeine Wohllaut seiner Worte auf. Es klang wie lauter Vocale ohne S’s und R’s und ohne alle Härten. Es war die musikalische Sprache der Mosquito-Indianer, von denen sich einige bis hierher gezogen hatten, um den Handel zwischen den Mosquitodörfern im Innern und Nicaragua zu vermitteln. Ich hörte hernach, daß der ganze Handel (mit Fellen, Vanille, Gewürzen u. s. w.) durch solche Stationen durch’s Land hindurch nach Häfen und die eingetauschten Sachen auf diesem Wege wieder ins Innere geschafft würden. Den Weißen fand ich bald aus der Dunkelheit heraus, obgleich er auch schon ziemlich wie ein abgegriffener Kupferdreier aussah. Wir freuten uns wie Brüder, die sich seit 20 Jahren eben zum ersten Male wiedersehen, und theilten uns unsere Schicksale mit. Es war ein tüchtiger Berliner (geboren in der Mulacksgasse, wenn ich mich recht erinnere). Mit den verunglückten preußischen Mosquitokolonisten war er bis nach einer Insel gekommen, dort ziemlich verhungert und endlich von Engländern nach dem Lande seiner Träume herübergebracht worden, um hier Felle abziehen und zum Export präpariren und trocknen zu helfen. Da es im Königreiche der Mosquito’s Sitte sei, zu große Freundschaft mit verheiratheten Mosquitonerinnen für jeden einzelnen Fall mit 2–3 Stück Vieh zu büßen und er als heerdenlos immer stärker in Schulden gerathen, wär’ er mit der schönsten unverheiratheten davongegangen durch dichte Wälder hindurch, und endlich hier mit seiner jungen Frau (durch den Segen eines Dorf-Aeltesten getraut) als Fell- und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_390.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)